Sechs

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Ich fragte noch einmal fassungslos nach. Die beiden nickten. "Tom ist vor einem Mädchen davongelaufen?!" Das konnte doch nicht sein. Das war doch nicht Tom, von dem sie da sprachen.

"Wir reden hier nicht von irgendeinem Mädchen, sondern von Samira!" Aha! Ich wollte endlich einmal aufgeklärt werden. Was war denn so besonders an ihr? Ich guckte die beiden fragend an.

"Samira ist kein normales Mädchen. Sie wurde ja nicht um sonst Sam, also als Junge, bezeichnet!"

Mir war egal wie sie gennant wurde. Tatsache war, dass Tom wegen ihr weggelaufen ist.

"Ich denke ihr geht jetzt lieber!", sagte ich zu den beiden. Ich war ihnen nicht böse. Ich wollte jetzt einfach nur allein sein. Einfach über alles nachdenken. Die beiden nickten verständlich und verließen dann das Haus.

Als sie gegangen waren ließ ich mich auf mein Bett fallen. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Das konnte einfach nicht wahr sein. Tom war immer der gewesen, der mir gesagt hatte ich sollte stark sein und keine Angst haben. Dabei hatte er Angst vor einem Mädchen! Diese Tatsache wollte einfach nicht mehr in meinen Kopf.

Ich muss hier raus. Ich setzte mich auf und dachte nach. Früher hätte ich was gemacht? Natürlich ich hätte gesprayt um all meine Gefühle freien Lauf zu lassen. Doch das war früher. Ich stand auf und ging zu meinem Schrank in dem immer noch die Spraydosen waren. Ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen diese weg zu schmeißen. Ich nahm eine Dose in die Hand. Sollte ich es noch einmal versuchen?

Vielleicht würde ich mich dann besser fühlen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert! Ich würde mich dann doch bestimmt wieder wie früher fühlen. Damals, als die Welt noch in Ordnung war. Bevor das alles mit den Gangs passiert war. Doch dann hätte ich auch nicht Tom kennen gelehrnt.

Zielstrebig griff ich nach meiner Mütze um mir diese keine Sekunde später anzuziehen und meine Haare in dieser zu verstecken. Dann griff ich nach der schwarzen Dose und machte mich auf in die Gassen Hamburgs.

Unauffällig lief ich durch die Straßen. Mich sollte auf gar keinen Fall jemand entdecken. Doch das ging schnell, also versuchte ich in der Dunkelheit der Häuser Schutz zu finden. Ich wurde nicht entdeckt.

Ohne zu überlegen ging ich durch die verschiedenen Reviere der Gangs, bis ich in Tom ehemaligen angekommen war. Hier kannte ich mich am besten aus, was ja auch kein wunder war, weil Florian immer darauf bestanden hatte hier zu sprayen.

Ich bog in die Gasse ab. Sie war dunkel und natürlich leer. Als ich das Ende der Gasse erreicht hatte guckte ich mich noch einmal um. Sicher war sicher und ich wollte nicht, dass mir so ein Anfängerfehler passierte wie zum Beispiel, dass ich mich nicht gründlich genug umgeschaut hatte oder die Streifenwagen, die zu dieser Zeit unterwegs waren, vergaß. Das war mir vor einem Jahr passier. Ein dummer Fehler!

Ich erkannte niemanden. Ich drehte mich also wieder zur Wand um und begann die Konturen zu sprayen. Das Geräusch wenn Farbe mit Druck aus einer Dose gedrückt wird beruhigte mich ungemein. Wie sehr ich dieses Geräusch vermisst hatte! Erst jetzt merkte ich wie gut es tat, es wieder zu hören.

Da ich nur eine Dose-Schwarz-dabei hatte versuchte ich so gut es ging zu Arbeiten. Ich war ein bisschen aus der Übung, doch für mich ist sprayen wie für andere Radfahrern. Das verlernt man nicht!

Als ich fertig war wünschte ich mir den imaginären schweiß von der Stirn.

Plötzlich hörte ich ein Klatschen hinter mir. Ich fuhr herum und versucht in der Dunkelheit etwas oder besser gesagt jemanden zu erkennen. Ich kniff die Augen noch enger zusammen.

Ein Schatten löste sich von der Hauswand und kam auf mich zu. Ich konnte mit beruhigen feststellen, dass es nicht Florian oder ein anderer aus seiner Gang war. Ich atmete erleichtert aus.

Die Person kam noch näher. "Das ist gut!" Es war ein Mädchen. Sie zeigte auf mein eben erstelltes Kunstwerk. "Danke" ich versuchte so gelassen wie es in dieser Situation ging zu Klingen. Ich fand es gelang mir ganz gut.

"Du kannst dich aber noch an manchen Stellen verbessern!" Hallo? Was willst du von mir? Sind wir hier in der Schule? "Danke für den Tipp, aber ich bin ganz zufrieden!", gab ich zu. Sie nickte. "Das glaub ich dir!" Sie lächelte und ich versuchte das Lächeln zu erwidern. "Ich wollte es ja nur gesagt haben!" Dieses Mädchen wär mir irgendwie unsympathisch.

Eine Pause. Sollte ich gehen? Nein das würde ich nicht machen! "Wie heißt du?" Wollte sie dann plötzlich von mir wissen. Sollte ich ihr wirklich meinen Namen sagen? Naja früher oder später würde sie ihn sowieso erfahren. "Layla.", sagte ich also. Sie lächelte zufrieden und reichte mir die Hand.

"Hey, ich bin Samira, aber du kannst mich auch Sam nennen!"

Graffiti IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt