Achtzehn

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Ich wollte nicht wieder nach hause. Ein paar mal spielte ich mit den Gedanken einfach an einer Haltestelle auszusteigen und wieder zurück zu Tom zu gehen, doch das durfte ich nicht. Ich musste nach hause. Musste von Gustav wissen was los ist.

Ich weiß nicht wie lange ich in diesem Zug saß, aber irgendwann kamen mir die Häuser und die Straßen wieder bekannter vor. Ich war wieder zuhause, wieder in Hamburg...ich freute mich kein bisschen.

Ich stieg aus, holte mein Handy raus. Ich wollte bevor ich nach hause fuhr erst noch zu Gustav um auf dem neusten Stand zu sein. Ich wählte also Gustavs Nummer und machte mich in der zeit, in der das Handy wählte auf dem weg in den Bahnhof. Ich hatte gerade die Treppe hinter mir gelassen als Gustav ans Handy ging. „Layla?" „Ja, Gustav, ich bin's. Ich will jetzt endlich mal ein paar Infos haben, hast du mich verstanden?" Gustav schwieg. „Hallo? Bist du noch da?" Gustav zog scharf die Luft ein. „Layla, das kann ich dir nicht erklären..das...das muss deine Mutter machen." Bitte? Was hatte denn meine Mutter jetzt damit zu tun? Ich wollte sie doch aus der ganzen Geschichte raus halten! „Was?" „Fahr einfach so schnell wie möglich nach hause und rede mit deiner Mutter, verstanden?" „Ja", sagte ich nur und wollte schon auflegen, doch Gustav unterbrach mich in meinem tun. „und melde dich danach bei mir, ja?" „Jaha", sagte ich etwas genervt und legte auf.

Mit meinem Koffer machte ich mich auf den weg zur U-Bahn. Zum Glück fuhr alle paar Minuten die Richtige Bahn zu mir nach hause, so musste ich nicht lange warten und stieg schon wenige Minuten später an der Richtigen Haltestelle aus. Meine Anspannung wuchs. Ich war nervös. Mit jedem schritt den ich machte wurde ich angespannter und nervöser. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen was so wichtig war, dass ich sofort nach hause kommen musste. Abrupt blieb ich stehen. Was ist wenn meine Mutter krank ist? Diese Option hatte ich noch gar nicht in Betracht gezogen. Warum sonst wollte sonst meine Mutter persönlich mit mir reden? Ich schluckte schwer. Das durfte nicht sein. Meine Mutter durfte nicht krank sein.

Ich kam vor dem Plattenbau an und hielt die Luft an. Oh nein! Bitte nicht jetzt! Den konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen. Warum musste ich ihn immer in den ungünstigsten Momenten sehen? „Was willst du hier?", gab ich giftig von mir. „Ah, das geistig gestörte Mädchen kommt wieder nach hause. Wo warst du? In der Klapse?", lachte Florian vor sich hin. Ganz schlechter Moment, ganz, ganz schlechter Moment, mein Freund! „Hör mal zu...", begann ich und ging auf ihn zu... „Ich lass mich nicht von dir fertig machen. Es geht dich verdammt noch mal nichts an, wo ich war, aber wo du gerade von Klapse redest...vielleicht solltest du ihr mal einen Besuch abstatten. Du gibst Tom doch immer noch die Schuld an dem Tod von Mia. Ich bin nicht krank. DAS ist krank." „Pass auf was du sagst, sonst..." „...sonst was? Schlägst du mich dann. So wie früher. Das kann ich ab, mach doch. Es ist mir egal. DU bist mir verdammt noch mal egal...und jetzt verschwinde." Es zeigte Wirkung, denn keine Sekunde später verschwand Florian mit einem 'das wird dir noch leid tun' in Richtung der nächsten U-bahn Station.

Ich konnte endlich das Haus betreten. Machte mich schnell auf den Weg in den fünften Stock und schloss die Tür auf. „Hallo Mama, ich bin da.", sagte ich etwas lauter. „Layla? Komm mal bitte in die Küche." Ich schluckte schwer. Meine Mutter redete in einem ganz komischen Ton. Ich mochte ihn gar nicht. Mit langsamen Schritt näherte ich mich der Küche, betrat diese und guckte etwa verblüfft. Neben meiner Mutter stand ein Mann und lächelte mich an. „Was ist hier los?" mein Blick wanderte von meiner Mutter zu dem fremden Mann. Vielleicht Mamas neuer Freund? Das ist doch schön, warum ist dann hier Weltuntergangsstimmung? Stille. Wie ich sie hasse! „Hallo. Ich bin jetzt hier, also?" ich guckte meine Mutter fragend an. „Layla..."Pause. „bitte versprich mir dass du bis zum ende hier bleibst." „Klar." Warum sollte ich auch abhauen. So schlimm kann es schon nicht sein! „Also?", stöhnte ich genervt auf. „Das ist dein Vater." Bitte? Ich konnte eine zeit lang nichts sagen, musterte nur den Mann in unserer Küche, der angeblich mein Vater sein sollte. Irgendwann fand ich dann meine Stimme wieder. „Mein Vater ist tot. Es war ein Autounfall.", brachte ich heraus. „Schatz, ich hab dich angelogen. Dein Vater ist nicht tot. Er hat mich damals verlassen und nun will er den Kontakt zu dir. Ich kann es ihm nicht verbieten." ich konnte nicht mehr. Ich musste hier raus. Raus aus diesem Zimmer, raus aus diesem Haus, weg von diesen Personen. Genau das tat ich. Ich drehte mich um, verließ das zimmer, das Haus und wollte diese Personen nie wieder sehen.

Tränen liefen über mein Gesicht. Ich wischte sie nicht weg, lief einfach weiter, bis ich nicht mehr konnte. Meine Lunge brannte und ich lehnte mich gegen eine Mauer. Wo war ich? Als ich wieder atmen konnte guckte ich mich um. Das war konnte doch nicht wahr sein warum musste ich denn bitte gerade hier hin gelaufen sein? Hier hatte Tom damals abschied von mir genommen. Ich stand vor der alten Wohnung der Familie Kaulitz. Tom. Ich brauchte ihn jetzt mehr als jemals zuvor. Meine Welt bricht gerade zusammen und er. Er ist irgendwo im nirgendwo, bekommt nichts mit. Wie kann man nur so stur sein?

Schluchzend setzte ich mich auf die Steine. Die Gedanken kamen nur so. Vater...mein Vater...ich habe keinen Vater und werde ihn auch niemals haben. Aber irgendwie war nun alles schlimmer als je zuvor. Ich wollte heute nicht mehr nach hause. Ich wollte eigentlich nie wieder nach hause! Ablenkung! Ich brauchte jetzt unbedingt Ablenkung, sonst würde ich irgendeine Scheiße machen. Gustav! Ich sollte ihn doch anrufen. Ich holte also mein Handy raus, wählte eifrig Gustavs Nummer. Gustav ging sofort ran. „Layla?" Unter Tränen brachte ich einen Satz heraus. „Gustav? Meine Welt bricht gerade zusammen..."

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