Laut warf sie die Tür in den dazugehörigen Rahmen. Die Bilder an den Wänden wackelten dabei gefährlich, doch sie nahm es nicht einmal wahr. Ihre Sicht war verschwommen, als sie versuchte den Flur zu durchqueren. Ab und an zog sie verräterisch ihre Nase nach oben, wischte sich mit ihrem rechten Handrücken über ihre Wangen und stolperte schlussendlich über ein Teppichende. Gerade noch so fing sie sich an der Wand ab. Dabei fiel ihr offenbar der Zauberstab aus ihrer Hosentasche. Aber sie ließ ihn liegen und schimpfte dafür laut über ihre eigene Dummheit.
Ja, Dumm. Sie war so dumm. Zu glauben, dass alles so einfach war. Aber das war es nicht. Das Leben war nicht einfach. Schon gar nicht, wenn die Menschen um einen herum, ihr Leben anders sehen wollten.Schniefend erreichte sie das Badezimmer. Mit viel Wucht stieß sie die Tür auf und klammerte sich hilfesuchend am Beckenrand fest. Ihre braunen, lockigen Haare fielen in ihr Sichtfeld, doch das störte sie gerade nicht. Immer noch mit einem Tränenschleier vor ihren Augen sah sie hoch zum Spiegel, der über dem Beckenrand an der Wand thronte und erneut kam ein ersticktes Schluchzen. Sie hielt sich ihren Mund mit einer Hand zu, um nicht allzu laut zu sein. Sie wollte das gar nicht so sehr an sich heranlassen, doch dennoch tat es einfach unheimlich weh.
Noch dazu kam, dass sie dachte, dass selbst ihr Spiegelbild sie auslachen würde. Wie es förmlich aussagte, wie dumm sie doch war. Zu glauben, sie hätten es mittlerweile akzeptiert. Hätten eingesehen, dass sie ihr eigenes Leben lebte, und das sie ihre Entscheidungen sehr wohl selbst treffen konnte. Aber wie immer hatte sie einsehen müssen, dass genau das der Knackpunkt war. Niemand war damit zufrieden und niemand konnte es akzeptieren. Nicht einmal tolerieren! Sie sahen sie an, wie eine Bestie. Wie eine Irre. Immer dann, wenn sie versuchte ihnen klarzumachen, dass sie glücklich war. Aber es reichte nicht. Es reichte einfach nicht. Dabei wollte sie doch nur, dass sie es verstehen sollten. Doch sie taten es nicht und damit fiel ihre ganze Selbstbeherrschung in einen großen, lauten Scherbenhaufen.Das Goldene Trio gab es nicht mehr. Weg. Ihre Zeit zusammen, verschwunden. Die Erlebnisse und Abenteuer, ausradiert. Ihre Freundschaft, ausgelöscht. Einfach alles fort. Einfach so. Wieso war dies so einfach? Wieso konnten sie einfach zu ihr die Freundschaft beenden und waren nicht einmal in der Lage, ihre Sicht der Dinge zu erkennen und sie zu respektieren? Wieso war das verdammt nochmal nicht einfach?!
Sie verstand die Welt absolut nicht mehr. Sie verstand niemanden mehr. Gerade jetzt, in der sie gute Freunde gebraucht hätte, ließen sie sie im Stich. Einfach so.
Wieder drang ein Schluchzen durch ihre Kehle und mit diesem Geräusch eine rasende Übelkeit. Ihr Griff um den Beckenrand verstärkte sich und ohne auf weitere Gedanken zuhören erbrach sie sich im Waschbecken. Ihr Tränen liefen ihr weiter über die Wange, sie hielt sie nicht einmal mehr auf. Es war zu mühselig geworden, also ließ sie es einfach laufen. Genauso wie sie sich der Übelkeit einfach ergab. Dieser Stress war einfach zu viel für sie. Es war einfach zu viel. Einfach.Dumpf hörte sie wie die Wohnungstür erneut aufging, doch leise wieder ins Schloss fiel. Ihr erster Gedanke war, die Badezimmertür zu schließen, doch dazu hatte sie keine Kraft mehr. Selbst ihre Beine zitterten allmählich und gegen jede Vernunft, wandte sie dem Beckenrand den Rücken zu und ließ sich an diesem auf den Boden gleiten. Den fahlen Geschmack in ihrem Mund blendete sie aus und wusch sich nur angewidert mit ihrem roten Ärmel eines Pullovers über die Lippen.
Sie versuchte leise zu sein. Wollte ihre Gefühle verstecken, die sie doch lieber gerne in die Welt hinausgeschrien hätte. Aber sie tat es nicht. Sie war schon immer jemand gewesen, die ihre Gefühle stark im Griff hatte. Besonders seit...„Hermione?!", rief eine raue Stimme den Flur entlang.
Sie zog ihre Knie an und verschränkte ihre Arme drum herum. Legte dabei ihr Gesicht dagegen und wimmerte nun leise ihre zerbrochene Seele entgegen. Wenn sie ihren Zauberstab hätte, hätte sie sicherlich einen Muffliato auf dieses Zimmer gelegt und die Tür fest verschlossen. Aber sie war ja so dumm ihn einfach so liegen zu lassen. Schutzlos ausgeliefert zu sein. Ihre Seele war es eh schon.
„Herm- Hier bist du!", ertönte erneut die Stimme, die ihr nur noch mehr Tränen in die Augen trieben. Das nächste an was sie sich erinnern konnte, war die starke Umarmung desjenigen, der soeben das Badezimmer betreten hatte. Sie hob kurz den Kopf an, als sie den Mann vor sich sitzen sah und sie einfach nur hielt. In seinen Armen, in denen sie sich so sicher fühlte, wie noch bei keinem anderen Mann. Er würde immer zu ihr stehen, denn immerhin war er ja der Auslöser gewesen für all ihre Probleme.
„Bist du okay?", fragte er leise, doch sie hatte nicht einmal mehr die Kraft irgendetwas zu erwidern. Als ob jeder Lebensfluss in ihr ausgetrocknet wäre. Sie war es so leid. So unfassbar leid und schwach geworden.
„Potter ist ein Arsch.", sagte er wütend und erneut konnte sie es nicht aufhalten. Ein weiterer Schluchzer erfüllte den Raum und sie wurde bestimmend, aber sanft weiter in seine Arme gezogen. Es tat so gut in seinen Armen zu sein. Und nichts auf der Welt wollte sie dies aufgeben. Auch nicht, wenn es heißen würde, dass die anderen nicht weiterhin zu ihr stehen würden.
„Das wird schon wieder. Du wirst sehen, es wird alles wieder gut." Nein nichts wurde gut. Einfach gar nichts. Es war vorbei und sie konnte nichts daran ändern. Es war einfach so, „Wir kriegen das auch zu zweit hin. Hörst du? Wir brauchen diese Idioten nicht." Sie wollte ihm so gern glauben, aber so genau konnte sie das noch nicht glauben. Waren Harry und Ron, und auch irgendwie Ginny, immer in ihrer Nähe gewesen. Ihre besten Freunde, ihre zweite Familie. Wenn das alles wegfallen würde, was bliebe dann noch?
Ihre leibliche Familie hatte sie schließlich nicht mehr wiederfinden können. Und andere Verwandten hatte sie nicht. Seine Eltern hatten ebenso schon vor langer Zeit einen Schlussstrich gezogen und ihn enterben lassen. Sie dachten wohl damals, dass er schneller wieder bei ihnen wäre, wenn sie es androhen würden. Doch er blieb bei ihr.
Selbst als er als Alleinerben gestrichen wurde, blieb er bei ihr. Einfach weil er diese Entscheidung für sich getroffen hatte. Zu ihrer Gunst. Und auch wenn es schwer war die letzten Jahre irgendwo Fuß zu fassen, hatte er sich nicht unterkriegen lassen.
Mittlerweile verdiente er sein Gold in Hogwarts als Zaubertrankprofessor und stieg damit in die Fußstapfen seines Patenonkels. Und sie war so stolz auf ihn, dass er alle Hürden genommen hatte. Selbst dass er sich irgendwie versuchte mit ihren Freunden klarzukommen. Er tat alles um das Kriegsbeil begraben zu können. Doch, wenn man auf taube Ohren stieß, war es einfach eine vergebene Mühe. Und das tat er alles nur um mit ihr Zusammensein zu können.Sie hatte gar nicht bemerkt, als sich seine Hand auf ihren Bauch schob und seine guttuende Wärme sie durchtränkte. Es verflog jegliches Gefühl von Trauer und Schmerz. Und nur langsam sah sie zu ihm hoch. Seine blonden Haare waren kürzer geworden, doch noch immer so hell, wie zu Schulzeiten.
„Wir kriegen das hin. Oder denkst du, ich habe mir den Arsch aufgerissen, um am Ende zu scheitern? Das käme denen doch genau recht. Aber wir schaffen das. Ich... ich bin doch noch hier, oder? Ich lass dich ganz gewiss nicht mit...", sagte er ruhig, aber auch ein wenig nervös. Sie schaute ihn einfach nur an. Gab ihm die Zeit, die er brauchte, um die richtigen Worte zu finden. Was sicherlich nicht einfach für ihn war.
Einfache Dinge waren immer leicht. Aber war man mit ihnen auch zufrieden? Sicherlich, wenn man es sich einfach machen wollte. Aber er war schon immer für den schwierigen Weg gewesen. Und sie wusste eines ganz genau:
„...mit unserem Baby im Stich."
Irgendwann würde es sich lohnen, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
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Small Snacks
FanfictionHier findet ihr ausschließlich und überhaupt nur Dramione-OneShots! [Only German]