Wir hatten beschlossen, zumindest anfangs nur bei Tag zu fliegen, jedoch waren keine Mittagspausen eingeplant, um trotzdem möglichst schnell unser Ziel zu erreichen. Zeit war wertvoll, wenn wir eine Chance haben wollten, Jörmundur rechtzeitig zu finden.
Ich blickte zur Seite. Fírnen flog mühelos dahin, seine grün schimmernden Flügel schlugen kräftig und doch elegant auf und ab. Arya und Celiorn saßen auf seinem Rücken und unterhielten sich ab und zu, worüber genau, konnte man nicht verstehen, da sie etwas von uns entfernt flogen.
Man merkte Celiorn an, dass er die Elfenkönigin respektierte und bewunderte, wobei er sich aber nicht kleiner machte oder durch ihre Nähe verunsichert wirkte. Er saß mindestens ebenso aufrecht und selbstbewusst im Sattel wie Arya und schien sich ganz locker mit ihr zu unterhalten, blieb aber immer respektvoll, wenn ich sein Verhalten richtig beobachtete.
Er war mir jetzt schon überaus sympathisch.
Für diese Gelassenheit bewunderte ich das alte Volk. Ich vermute, sie lebten einfach schon so lange, dass ein entspannter Umgang miteinander ganz natürlich war, wenngleich sie dabei natürlich trotzdem immer sehr höflich blieben.
Auch Loran, Dorn und ich unterhielten uns, jedoch meist über Belangloses. Den Großteil der Zeit aber schwiegen wir, was die Atmosphäre nicht weniger angenehm machte. Loran schien eher schweigsam zu sein, machte aber immer einen zufriedenen und selbstbewussten Eindruck, als würde er das Schweigen sogar genießen.
Das traf auch auf mich zu, da es mich an unser Tal und den Mor'ranr-See erinnerte, wo ich manchmal selbst mit Dorn nur wenige Worte wechselte.
Immer wieder schloss ich die Augen und genoss die Stille und das Gefühl des kühlen Windes in meinem Gesicht.
Ich ließ mich einfach im Moment treiben, während unter uns die Landschaft vorüberflog.Noch lagen unter uns Städte, Flüsse, Wald und weite Ebenen, doch allmählich setzte die Dämmerung ein, was bedeutete, dass es nicht mehr weit war bis zum Rande der Wüste, wo wir die Nacht verbringen würden.
Und tatsächlich rückten die Dünen in der Ferne immer näher und als die Sonne hinter uns schließlich ganz untergegangen war und die Sterne zum Vorschein gekommen waren, begaben sich die zwei Drachen in einen spiralförmigen Sinkflug.Wir schlugen unser Nachtlager neben einer kleinen Felsgruppe auf, wo sich Dorn und Fírnen so platzierten, dass wir durch sie und die Felsen von allen Seiten geschützt waren. Nicht, dass wir uns nicht gegen eventuelle Angreifer verteidigen könnten, aber Sandverwehungen konnten auch am Rande der Wüste sehr unangenehm für Augen und Haut sein.
Wir machten ein kleines Feuer, da es wie in Wüstennächten üblich schon ziemlich kalt geworden war; dann packten wir etwas von dem Brot und dem getrockneten Fleisch aus, das wir als Proviant mitgenommen hatten.
Arya und Celiorn lehnten das Fleisch dankend ab und aßen stattdessen rohes Gemüse zu dem Brot, was mich daran erinnerte, dass Elfen Vegetarier waren. Soweit ich wusste, hatte auch Eragon diese Gewohnheit übernommen, nachdem er einige Zeit bei ihnen verbracht hatte, aber ich genehmigte mir doch ab und zu etwas Fleisch.Die beiden Drachen verschwanden für eine Weile, um zu jagen und sich die Bäuche zum vorerst letzten Mal richtig vollzuschlagen, denn in der Wüste würde ihre Ausbeute wohl etwas kleiner ausfallen, unter anderem auch, weil jedes Tier, das robust genug war, um unter diesen Bedingungen zu leben, die riesigen Drachen in der weiten Wüste schon meilenweit würden kommen sehen.
Als sie zurückkamen, nahmen sie wieder ihre Plätze um uns herum ein. Wir unterhielten uns noch eine Weile über das Bevorstehende oder auch einfach über Belangloses, aber irgendwann legte sich Loran zum Schlafen neben das Feuer und auch Celiorn wollte für sich sein. Er legte sich etwas abseits von uns anderen auf den Rücken und beobachtete die Sterne. Es wurde still.
“Wir Elfen können das stundenlang.“
Arya nickte auf meinen fragenden Blick hin zu Celiorn hinüber. “Das ist eine Art unserer Meditation, wir sind dann in unserer eigenen Welt und nehmen nichts anderes wahr, als die Sterne und unseren eigenen Atem. Es erinnert uns daran, wie endlos das Universum ist und dass wir nur ein winziger Punkt darin sind, so klein und unbedeutend und doch zugleich alles, was zählt.“Sie sah zu den Sternen und für einen Moment wurde ihr Blick ebenso abwesend wie Celiorns, bevor sie sich wieder mir zuwandte und mir prüfend in die Augen blickte.
“Ich muss zugeben, du bist anders als ich erwartet hatte. Als ich in Erinnerung hatte.“
Ich zog fragend die Augenbrauen hoch, meine Neugier war geweckt.
“Inwiefern?““Du wirkst, als würdest mehr in dir selbst ruhen. Ist das so?“
Ich überlegte einen Moment. Arya hatte wie immer recht, sie war so aufmerksam, wie es wohl nur Elfen sein konnten.
“Seit Dorn und ich ins Exil gegangen sind, haben wir tatsächlich irgendwie zu uns selbst und noch ein Stück näher zueinander gefunden. Ich war nach der Sache mit Galbatorix so aufgewühlt und befürchtete, nur noch mehr Schaden anzurichten, wenn ich blieb. Ich war all die Schlachten so leid und alle mir sagen wollten, wer ich bin und was mein Platz ist, ob das nun Galbatorix war oder selbst Eragon.“
Ich machte eine kurze Pause; ich wusste eigentlich selbst nicht mal, warum ich Arya das alles überhaupt erzählte, schließlich kannte ich sie nicht einmal besonders gut und sie mich ebenso wenig. Aber vielleicht war ja genau das der Grund, weshalb mir die Worte so leicht über die Lippen kamen.
“Unser Tal, der See, die Abgeschiedenheit... all das hat mir viel Zeit gegeben, darüber nachzudenken, wer ich bin und wer ich sein will. Und es hat mir geholfen, tatsächlich zu dieser Person zu werden.“
Die Elfenkönigin hatte mir aufmerksam zugehört und dachte ihrerseits über meine Worte nach, bevor sie etwas erwiderte.
“Das kann ich verstehen. Ich habe ja auch erstmal Zeit für mich beziehungsweise Zeit mit Fírnen gebraucht, wie du weißt.“
Sie wandte ihren Kopf wieder zum Feuer und schwieg. Ich tat es ihr gleich und beobachtete, wie die hellen Flammenzungen in der dunklen Nacht tanzten, bis mir allmählich die Augen zufielen und ich in Dorns Schatten schließlich einschlief.
Das Feuer flackerte und leuchtende Funken stoben hinauf in den Nachthimmel, immer höher, bis sie nicht mehr von den Sternen zu unterscheiden waren.
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Hope Dies Last (Murtagh ff)
FantasyEin neues Zeitalter bricht an. Das Imperium ist besiegt. Die Drachenreiter kehren zurück. Nach Galbatorix' Tod in der letzten Schlacht in Urû'baen blicken die Völker Alagaësias mit freudiger Erwartung in die Zukunft. Eine Zukunft, in der Eragon und...