Kapitel 10

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Die Besprechung dauerte bis spät in die Nacht und wir waren trotzdem nicht fertig. Es gab einfach zu vieles, das wir nicht wussten und das machte es ziemlich schwierig, auf einen grünen Zweig zu kommen. Aber alles Weitere musste bis zum nächsten Tag warten, denn ohne Pause würde nichts Produktives mehr dabei herauskommen und Nasuada brauchte ihren Schlaf. Arya und ich schliefen auch, aber wirklich Schlaf konnte man es bei Elfen und Drachenreitern ja nicht nennen, es waren eher Wachträume und eine Zeit, in der unser Körper zur Ruhe kommen konnte.
Also verließen wir den Saal und machten uns auf den Weg zu unseren Gemächern. Das von Arya und Fírnen lag direkt neben unserem, daher gingen wir noch ein Stück gemeinsam.

Kurze Zeit liefen wir schweigend nebeneinander her, während Dorn und Fírnen sich über den bevorstehenden Flug unterhielten und überlegten, wie sie die lange Strecke am besten bewältigen könnten.
Arya und ich hörten einfach nur zu, bis sich irgendwann das Gesprächsthema änderte. Das Gespräch driftete in einen der hinteren Winkel unserer Köpfe und schließlich brach ich das Schweigen. "Wie ist es dir all die Jahre ergangen, Arya Svit-kona?"
Es war kein besonders einfallsreiches Thema, doch ich wollte mal einen Moment nicht an das Bevorstehende denken, sondern vielmehr hören, was ich verpasst hatte, auch wenn ich genau wusste, das es mir das später schwerer machen würde, wieder ins Exil zurückzukehren.

Arya schien sich an der Belanglosigkeit dieser Frage nicht zu stören, auch wenn man bei ihr natürlich nie wissen konnte, was sie wirklich dachte. Diesen geheimnisvollen Blick teilten nahezu alle Elfen.

"Nun, das meiste wird dir wohl schon bekannt sein, nehme ich an. Ich kehrte nach Du Weldenvarden zurück, um den Tod meiner Mutter zu verarbeiten. Islanzadí zu verlieren, nach dem wir uns gerade erst wieder nähergekommen waren, war... nicht einfach." Ich sah Arya an, dass da noch mehr war, aber auch, dass es sie schon Überwindung kostete, mir überhaupt etwas darüber zu erzählen, deshalb fragte ich nicht weiter nach.
"Ich war bei meiner Ankunft gefasster, jedoch zog ich mich eine Zeit lang auch dort zurück, nachdem ich die Angelegenheiten meiner Mutter geregelt hatte. Wie du weißt, wird bei uns nicht der Erbe Nachfolger, sondern ein vom Volk gewählter Kandidat.
Daher machte ich mir keinerlei Gedanken darüber und bin stattdessen erstmal mit Fírnen, der kurz vor meiner Ankunft geschlüpft war, zu Oromis' Hütte auf den Felsen von Tel'naeír, die ja jetzt leerstand."

Arya hatte das bestimmt nicht beabsichtigt, doch ich konnte mein schlechtes Gewissen nicht zurückhalten und schlug kurz die Augen nieder. Schließlich waren es Dorn und ich gewesen, die Eragons Lehrmeister Oromis und dessen Drachen Glaedr getötet hatten. Wir hatten zwar keine Kontrolle mehr über uns gehabt, weil Galbatorix uns steuerte, aber das machte es nicht besser. Wir waren schuld.

"Der Ort schien uns geeignet, da er immer von einer friedvollen Aura umgeben ist", fuhr die Elfe fort, "und abgesehen davon, weil dort alles war, was wir über die Ausbildung neuer Drachen und ihrer Reiter wissen mussten. Glaedr, der sich für ein Leben als Eldunarí entschieden hatte, hat uns geraten, dort zu trainieren und Fírnens Existenz erstmal für uns zu behalten. Ein Jahr hatten wir dort für uns, in dem ich mich wieder fand und mit Fírnen viel Neues gelernt habe."
Arya machte eine kurze Pause.

"Dann kamen eines Tages die Ältesten zu mir und fragten mich, ob ich Königin werden wolle, denn das Volk war beeindruckt von meinen Taten in den Schlachten, es wollte einen starken Anführer."

"Hatten sie denn noch keinen neuen König gewählt?", fragte ich, etwas verwundert über die lange Dauer.

Die grünen Augen der Elfe blitzten lächelnd auf. "Für uns vergeht die Zeit aufgrund unserer Langlebigkeit etwas anders als für die Menschen. Das wirst du früher oder später auch bemerken, Murtagh. Deshalb war ich auch so überrascht von dem Angebot, denn ich bin nach Elfenmaßstäben immer noch recht jung. Doch da ich schon mehr gesehen hatte als viele andere, war ich in ihren Augen mehr als geeignet. Ich überlegte lange und tauschte mich ein paar Wochen mit Fírnen darüber aus, denn ich wusste nicht, ob ich dazu schon bereit war, doch schließlich entschied ich mich, anzutreten. So wurde ich tatsächlich gewählt und bin seitdem Königin. Ich habe es nicht bereut."
Den letzten Satz sagte sie sanft und doch entschlossen; man konnte erkennen, wie sehr sie ihr Volk liebte und dass sie alles tun würde, um das Wohl der Elfen, aber auch aller anderen Völker Alagaësias zu gewährleisten.

"Ich traf Eragon noch einmal, bevor er und Saphira in den Westen aufbrachen, um die neuen
Drachenreiter zu unterrichten. Außerdem habe ich ihn zweimal besucht, um ihm etwas zu helfen, konnte aber natürlich aufgrund meiner Pflichten als Königin nicht zu lange bleiben. Die zwei machen ihre Sache wirklich sehr gut.
Tja, und jetzt bin ich hier."

"Das ist beeindruckend. Danke, dass du mir das anvertraut hast, Arya."
Und es stimmte, ich war beeindruckt, nicht nur von dem, was sie alles geleistet hatte, sondern auch, dass sie, die sonst eher weniger mitteilungsfreudig war, mir so viel von sich erzählt hatte. Außerdem hatte ich sie seit sieben Jahren nicht gesehen und ich hatte sie auch nicht wirklich gut gekannt, daher überraschte es mich noch mehr.

Nun war es wohl an mir, meine Geschichte zu erzählen, denn Arya fragte mich, wie es Dorn und mir im Exil ergangen war. Also berichtete ich ihr kurz von unserem Tal, dem Mor'ranr-See und unserem Leben dort, mit gelegentlichen Einwürfen von Dorn, der mit Fírnen unserem Gespräch gefolgt war.

Schließlich waren wir aber bei unseren Gemächern angekommen.
"Gute Nacht, Arya Svit-kona, gute Nacht Fírnen"
"Das wünsche ich euch auch"
Und mit einem letzten kleinen Lächeln verschwanden sie und Fírnen in ihrem Zimmer.

Hope Dies Last (Murtagh ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt