Kapitel 1: Wasser

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Schwingende Wellen

Rauf und ab.

Springen sie nur

Rauf und ab.

Ein gleichmäßiger Rhythmus, 

ein gleichmäßiger Takt,

Musik in den Ohren

Rauf und ab.

Ocean nennt man mich. Aber  eigentlich heiße ich Clarity.  Ich bin eine sechzehnjährige Adelstochter, die gezwungen wird Brot zu kaufen.

Brot.

Eine Adelstochter soll doch nicht zum Markt und Brot kaufen. Ich bin von reicher  Abstammung. Warum gebe ich mich mit Brot ab?

Seufzend setzte ich mir eine weiße Haube auf und trat an die Türschwelle. Die Morgenluft war frisch und roch nach Sommer. Ich spürte die Hitze der langsam aufgehenden Sonne und genoss das Baden im Licht. Der Morgen kann so schön sein. Dennoch hätte ich ihn viel sinnvoller zu Gebrauch machen können. Mein Körper fing an zu kribbeln, als ich mir nur so vorstellte, wie ich im Wasser gleiten konnte. Diese Kälte, die mich immer wieder schockte, wenn ich ins Wasser sprang und dann eine Weller der Hitze, die mich umhüllte wenn ich mich bewegte. Paradiesisch. Himmlisch. Einfach toll! Je, länger ich ans Wasser dachte, desto ungeduldiger wurde ich. Wo steckt sie bloß!?

 In meiner rechten Hand hielt ich einen Flechtkorb. Die andere Hand ruhte verschränkt auf meiner Brust, während ich genervt auf meine Begleitperson wartete. Es dauerte einige Minuten, bis Florella, unsere Bedienstete, vor hatte mich doch wohl nicht allzu lange warten zu lassen.

Grinsend stand das zierliche und rundliche Mädchen vor mir: "Na, dann Miss, ich-"

"Florella, komm her!", befahl eine gewaltige Stimme vom Haus. Meine Mutter. Ich verdrehte die Augen. Sie war der Grund, warum ich gehen musste.  Florella zuckte kurz vor Schreck auf und eilte schnell ins Haus hinein. Ich stöhnte auf, denn ich wurde schon wieder sitzen gelassen. 

  Das war doch nicht ihr ernst!  

Wenn ich schon nicht ins Wasser konnte, hätte ich jetzt viel lieber bei den Verhandlungen meines Vaters eine Rolle gespielt. Eine Mitstimme haben. Mich gegen die, die mich nerven aufzulehnen und denen extra die schlechtere Ware verkaufen. Mit meinem Vater über die überteuernde Zölle diskutieren. Das nächste Handelsschiff vorbereiten. Auf See gehen. Den Wind und die Freiheit eines Mannes genießen. 

Das wäre mir viel lieber.

Aber leider gebührt mir diese Freiheit nicht. Ich bin doch eine Frau. Ich wurde meine ganzes Leben darauf vorbereitet in eine Ehe einzugehen und Kinder zu bekommen. Das war meine Aufgabe. Als Frau. Es war mein "Lebensziel". Eine Frau darf nicht zu spät kommen! Sie muss immer hübsch aussehen und sich ihren Pflichten bla bla bla, das alles wovon jede Mutter schwärmt. Davon bekommt man ja Kopfschmerzen! Das Ziel jeder ist es, ihre Tochter erfolgreich zu verheiraten. Und mit erfolgreich wird ein hübscher, kluger und reicher Mann gemeint. Egal welchem Alters. Hauptsache brav und reich. Ich verfluchte diese Zeit, seit meinem dreizehnten Lebensjahr, weil ich ab da Heiratsfähig war. Heiratsfähig. Das schlimmste, was man sein kann. Und das wird mein ganzes Leben lang so bleiben, bis ich keinen Ehemann gefunden habe. Mein ganzes Leben lang.  

Wann kommt Florella endlich? Wenn meine Mutter doch jeden Tag darauf besteht, dass Florella einkaufen soll, weil sie am besten rechnen kann, wieso musste ich dann mitgehen? Und wenn, wieso konnte mir meine Mutter nicht einmal vertrauen, die Dinge selber in die Hand zu nehmen? Wegzulaufen und die Zeit zu vergessen, ist ein Instinkt. Das passiert jedem. Nur nicht meiner Mutter.

Närrisch.

Ein "Miss" riss mich aus meinen Gedanken, als Florella endlich vor mir stand. Ich verdrehte die Augen.

 "Mensch Florella, beeil dich doch. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!", schimpfte ich.

 Florella sah mich mit einem entschuldigendem Blick an. "Verzeihen sie, Miss. Das kommt nicht noch mal vor!" Ich atmete kurz auf. "Vergeben. Nun komm." Ich wandte mich ab zum Gehen und verließ unseren Vorgarten. Weil wir ein größeres Haus haben, dauerte der Weg zum Markt länger, was ich nur zu Schätzen wusste. Mir waren Ruhe und Einsamkeit viel lieber, als mich in diesen stickigen und tückischen Menschenmassen zu befinden. Heute war das aber nicht der Fall. Wir bräuchten bis ins Herzen unserer Stadt zwanzig Minuten. Es muss ein kleines Feld überquert werden, was uns von der Innenstadt trennte. Der Marktplatz war aber ein wenig abseits davon, weshalb wir Zehn Minuten mehr einkalkulieren müssten. Dazu kommen die Pausen.  Zähne knirschend schaute ich zu Florella, welche aufschreckte. "Warum fahren wir nochmal nicht mit der Kutsche?", fragte ich sie aufgebracht.

 "Nun ja, der Kutscher ist nicht anwesend!", begründete sie.

 "Und warum reiten wir nicht?" 

"Weil ich nicht reiten kann.", konterte sie. Ich massierte mir den Nasenrücken.  Ich seufzte und bot ihr an:" Musst du nicht, du kannst hinter mir sitzen."

 Florella schüttelte den Kopf.  "Ich habe Angst vor Pferden!" Jetzt hob ich die Augenbraue. Das war doch nicht ihr ernst. "Warum bist du dann Vorgestern mit dem Pferd zum Apotheker geritten?" Ich bemerkte, wie sie langsam ins Schwitzen geriet. Da war doch was faul.

Ich wartete ungeduldig auf Florellas Antwort. Sie zögerte kurz mit ihrer Antwort, fing dann aber doch noch an zu sprechen. "Miss. Verzeihen sie mir dafür, dass ich ihnen Umstände bereite, aber bitte lassen sie uns doch zu Fuß gehen. Mir ist Übel und das wird sich nicht durch das Reiten verbessern. Warum entspannen wir uns nicht beim Spazieren und tratschen ein bisschen? Das ist doch viel angenehmer sich vorzustellen." Bevor ich ihr entgegen kommen konnte verbeugte sich Florella. "Bitte akzeptieren sie diesen Wunsch!"

Ihre Worte ergaben keinen Sinn. Sie ergab keinen Sinn. Und dennoch stimmte ich ihr zu.

"Du kannst manchmal echt stur sein, Florella." Freudig nickte sie auf. "Womit habe ich nur diese Güte meiner Herrin verdient!?" Ich verdrehte wieder die Augen. Was bedeutete schon meine Güte?

"Du übertreibst Florella. Nun komm. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit."

"Gewiss doch, Miss."

Auf unserem Weg zur Innenstadt trafen wir auf vielen Freunden von Florella, was den Weg noch viel länger erschienen ließ.  Ich ließ den Kopf hängen, als wir schon den fünften Freund von ihr trafen.  Es war ein etwas kräftiger Mann mit einem üppigem braunen Schnurrbart und kleinen Augen. "Ach Florella, mein Kind lange nicht gesehen."

Florella lächelte ihn freundlich an. "Robert! schön dich wiederzusehen. Wie geht es dir?"

Das konnte ja noch lange dauern.

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