Kapitel 1

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  „Vorsicht! Aus dem Weg!"
„Hey, pass doch auf, du Idiot!"
„Sorry, hab's eilig!"
Martin rennt. Das wäre ein cooler Filmtitel. Niemand sieht im echten Leben gut aus, wenn er rennt und erst recht nicht, wenn es um Leben oder Tod geht. Ich muss ja nur diese eine doofe U-Bahn bekommen, doch wenn ich sie nicht kriege dann ist sie eben weg. Es wird niemand sterben, die Welt geht weiter und die große Liebe meines Lebens sitzt auch nicht in diesem Zug. Ich werde einfach nur eine U-Bahn verpassen. Thats it!
Nein, das ist nun wirklich kein guter Film, viel zu langweilig. Also, warum hetz ich mich hier eigentlich so ab? Achja, wegen diesem dämlichen Klassenausflug.
Mein Fuß tritt auf etwas weiches und ein schrilles fiepen ertönt.
„'Tschuldigung, keine Absicht."
„Unverschämtheit, sei froh das ich Fiffi nicht von der Leine lasse!"
Wieso? Würde er sonst hochspringen um mich umzubringen? Ganz ehrlich, der Hund ist so groß wie mein Handy, man sollte Ihn „Feedback" nennen. Man weiß ja nie auf was man so tritt...
Nicht das ich etwas gegen Tiere hätte, im Gegenteil. Ich liebe Tiere. Ein Grund mehr, Lust auf diesen Ausflug zu haben. Ich meine..... wer fährt schon in der achten Klassen in den Zoo? Mal abgesehen davon, dass man Tiere nicht einsperrt, sondern lieber in der Freiheit wachsen und gedeien sehen sollte.
Ok, jetzt wird's creepy.

Ins Schwimmbad oder ins Kino das wären mal Ausflüge die Spaß machen würden, aber nein, die Lehrer wissen es besser. Meine Noten sind nicht gerade berauschend dieses Jahr, vor allem nicht in Deutsch.
Und wer heute unentschuldigt fehlt, bekommt eine Sechs eingetragen und das kann ich mir nicht leisten. Warum musste ausgerechnet heute Mamas Wagen nicht anspringen? Diese alte Mistkarre gehört sowieso schon längst verkauft. Ein Reneault Clio, Baujahr '96 in Pink. Gott, wie peinlich.
Aber wir können uns ja kein neues Auto leisten, da Papa nur am saufen ist und Mama nichts besseres zu tun hat, als Schminke zu kaufen, um mit dem nächst besten Kerl ins Bett zu steigen. Aber nicht mit mir, ich hasse meine Familie.

Nunja, hilft nichts. Martin rannte durch die Unterführung und hat es fast geschafft. Eine alte Oma mit schwerem Koffer versperrt mir jedoch den Weg. Links, rechts oder drüber? Rechts. So die Treppe schnell runter und dann... oh nein! Bitte nicht! Sag nicht das dass gerade meine U-Bahn war! Verfluchte Scheiße! Moment, war das überhaupt die richtige? Ein Blick auf die Anzeigetafel raubt mir den letzten Nerv, sie war es! Na klasse. Neuer Filmtitel: Martin rannte umsonst.
Erschöpft lasse ich mich auf eine Bank fallen. Und jetzt? Was nun? Wieder nach Hause um Mama zu bitten mich dort hinzufahren? Niemals, keine Chance! Hey, das ist es! Ich warte einfach auf die nächste U-Bahn. Wenn ich Glück habe, merkt die Müllerin gar nicht, dass ich fehle. Wenn ich mich im Zoo einfach unter die Leute mische, ist das die perfekte Tarnung. Ja, das könnte tatsächlich funktionieren. Aber was wenn sie durchzählt? Mist, der Plan hätte fast funktioniert. Was mache ich jetzt noch so lange?

„Oh Mann, so ein scheiß aber auch!" höre ich von hinten brüllend. Ich drehe meinen Kopf ein kleines bisschen um, aber nicht zu weit, damit es auffällt. Moment mal, das ist doch.... na klar, das ist Peter. Fuck, ausgerechnet der. Ich rutsche ein Stückchen tiefer, in der Hoffnung, dass er mich nicht sieht. Der hat mir gerade noch gefehlt. Oh nein, er setzt sich hinter mir auf die Bank! Ob die das aushält? Okay, das war jetzt fies, aber hey, er ist wirklich ziemlich Fett, hunderzwanzig Kilo mindestens.

„Hallo? Mutter? Peter hier!....
Peter telefonierte also mit seiner Mutter. Wer bitte nennt denn schon seine Mutter „Mutter".
Mama oder Mami, Mutti vielleicht noch, aber Mutter? Genauso schlimm wie mein Nachbar, der nennt seine Mutter Elke. Wenn ich meine Mutter beim Vornamen nennen würde, wäre ich am nächsten Tag Katholisch und 'nen Kopf kleiner.
„Mutter hörst du mich? Die Verbindung ist sehr schlecht aber ich wollte dir nur sagen dass ich die U-Bahn verpasst habe. Hallo? Hallo... Mutter? Scheiß Akku!"

Tja, was nützt einem das teuerste Handy, wenn man vergisst, es aufzuladen. Und Peter's Handy war schweine teuer, das Allerneueste, mit VR-Technik und so'n gedöns. Wie lange bin ich jetzt schon ohne? Drei bis vier Monate, nachdem meine April-Rechnung mehr als dreihundert Euro hatte. Gott, was habe ich meine Mutter angebettelt das Handy zu behalten. In sachen Erziehung war sie immer sehr streng, wenn sie das doch bei Ihrer Männerauswahl auch wäre...
Aber es ging vorbei und heute frage ich mich, warum und mit wem habe ich so viel telefoniert? Es geht nämlich auch ohne. Okay, auf dem Klo wird es langsam echt langweilig, nachdem man jede Beschreibung aller Badartikel durchgelesen hat, aber hey, Zeit für neue Produkte.
Aber jetzt wäre ein Handy garnicht so unpraktisch, denn ich könnte einfach kurz Tobi, meinen besten Kumpel und Klassenkameraden, anrufen und Ihn darum bitten, der Müllerin zu sagen, dass ich verschlafen habe. Eigentlich müsste es doch auf einem Bahnhof Telefonzellen geben oder?

„Na ihr zwei, auch die U-Bahn verpasst?" quatscht mich eine Stimme von rechts an. Ich drehe mich um und blicke auf eine schwarz gekleidete Gestalt, mit blassem Gesicht und langen tiefschwarzen Haaren. „Nicht so schreckhaft, ich beiße nicht." Sie sieht aber so aus! Das ist Isabell. Isi aus der Gruft, wird sie auch genannt, da sie immer so düster und grimmig ist. Außerdem ist sie in meiner Klasse, vor mir. Direkt vor mir!
„Und?" fragt sie und glotzt mir weiter ins Gesicht.
„Ignorierst du mich etwa?!"
„Redest du mit mir?" setzte ich Ihr entgegen, in der Hoffnung, dass sie mich in Ruhe lässt.
„Na ob ihr auch den Zug verpasst habt?", fragte sie erneut.
„Nein haben wir nicht! Wir warten hier auf den nächsten Hubschrauber!"
Typisch Peter, immer unfreundlich und grundsätzlich nie witzig. Abartiger Typ.
„Na da hat aber einer gute Laune!", säuselte Isabell und setzt sich auf einmal neben mich. Ihh, was zum Fick...! Kontakt mit Menschen... Warum?!
„Gab wohl nicht genug zum Frühstück, nicht wahr?", sagte Isabell in einem frechen aber doch bestimmenden Ton. Ich muss zugeben, der Konter war gut.
„Verpiss dich zurück auf den Friedhof du Gruftie!", schrie Peter. Sein Niveau war schon immer tiefer, als die Kanalisation.
Isabell zieht ein Päckchen Tabak aus Ihrer Tasche und drehte sich eine Zigarette. Sie war schon 18, da sie einmal eine Klasse wiederhohlen musste. Ihre Kleidung roch nach alten Motten und verranzten Käse. So viel zum Thema „Frühstück"... Danke ich bin satt!
„Auch eine?", fragte sie mich und zeigte auf den Tabak.
„Nein, danke, aber ich rauche nicht." Sagte ich freundlich zu Ihr.
„Sei froh.", sagte sie in einem sehr traurigen Ton zu mir.
„Vielleicht haben wir ja Glück und es gibt diesmal keine Namenslist.", entgegnete ich einfach mal in die Runde.
„Genau, ausgerechnet die Müller, die die immer alles vorher Plant, bevor sie darüber nachdenkt und beim nachdenken, plant sie ob sie es tut oder nicht.", entgegnete mir Isabell forsch und rannte quasi über meine Worte wie ein Laster. Autsch, das hat gesessen.
„Immer positiv denken.", sagte Peter.
„Warum, hast du was zum Essen gefunden?", fragte Isabell in einem sehr frechen Ton.
„Vorsicht kleines, wenn ich mich auf dich drauf setzte, zerbrichst du, wie dein Herz bei deiner Geburt."
Oh, der war hart. Langsam lief Ihr eine Träne die Wange herunter.
Ich muss mich zusammenreißen, nicht das ich noch auf die Idee komme, mich da einzumischen.
„Es gibt immer eine Liste.", sagte Peter. „Lehrer sind nicht dumm." Da hat er endlich mal Recht.
„Hast du ein Handy?", fragte ich Isabell und wendete mich zu Ihr.
„Hab kein Geld auf dem Handy, sorry.", sagte sie in einem sehr zuvorkommenden Ton zu mir.
„Hat jemand einen Plan?", fragte ich verzweifelt.
„Wie wär's mit der Wahrheit, ist das so schwer. Wir fahren einfach hinterher und dann sagen wir einfach, dass wir die Bahn verpasst haben.", entgegnete uns Peter sehr genervt.
„Du glaubst wohl das geht bei Ihr einfach durch. Du hast sie erst seit einem Monat und kennst sie nicht so gut wie ich.", erklärte ich Ihm.
„Tolle Einstellung, Fleischklops.", sagte Isabell in einer sehr arroganten Art und Weise.
„Ich kann mir jedenfalls auch nichts mehr erlauben, bin letztes Schuljahr schon sitzen geblieben, wenn das nochmal passiert, flieg ich von der Schule.", erzählte sie uns weiter.
„Hey seht mal da, die Bahn kommt!", schrie ich vor Freude.
Ich stehe auf und gehe ein paar Schritte zum Bahngleis. Isabell folgte mir lautlos.
„Was ist jetzt, kommst du mit oder nicht?!", schrie sie Ihn an.
„Ja ist ja gut...", kam genervt von Peter. Naja, was war von Ihm schon großartig zu erwarten.
„Ohweia, das wird ein langer Weg bis zum Zoo.", sagte Isabell.
So weit war der Weg nun auch wieder nicht. 4 Stationen und etwa 20 Minuten Fahrt.
Die U-Bahn fährt ein und ein lautes Quietschen ertönt, als der Lockführer die Bremsen betätigte. Die Türen öffneten sich und wir steigen ein. Die Bahn ist ziemlich leer und noch sehr kalt, scheint wohl gerade erst aus dem Depot gekommen zu sein. Wir nehmen in der ersten Reihe in Fahrtrichtung Platz. Isabell setzte sich genau neben mich und Peter blieb erst kurz stehen und ließ sich gegenüber von uns nieder. Die Geräusche der Bank gaben Töne von sich, die man sonst nur in schlechten Horrorfilmen kennt. Arme Bank.
Die Türen schlossen sich, doch plötzlich griff ein Arm zwischen.
„Oh nein, bitte nicht der!", stöhnt Isabell leise vor sich hin. Der Typ der gerade die Tür aufgemacht hat, ging rein und stellte sich mit dem Rücken zu uns an den Ausgang.
„Was ist denn, wen meinst.... Oh scheiße!" Plötzlich drehte er sich um und ich sah genau wer das war.
„Patrick.", stöhnte ich und rutschte mit Isabell etwas tiefer, damit er uns nicht bemerkt.
Patrick, der größte Assi an der Schule, immer fettige Haare, grundsätzlich miese Laune und einen abartigen Ruhrpott Dialekt.
„Hat er uns gesehen?", flüstert sie mich leise an.
„Ich glaube nicht.", sagte ich Ihr und blickte immer wieder leicht über die Sitzbank hinüber. „Er ist weg."
„Uff, Gott sei Dank.", atmete sie schwer auf und lies sich in meine Arme fallen.
„Ja, der Typ ist einfach nur mega belastend. Mit dem Kerl hat einfach jeder Ärger. Er erinnert mich immer wieder an die Merkel, alle wollten sie und jetzt will sie jeder loswerden", entgegnete ich Ihr.
„Ärger? Ich wünschte, es wäre so.", verdrehte sie die Augen.
„Dieser Idiot steht auf mich, ausgerechnet so einer wie er! Kannst du dir das vorstellen? Mein „Hexchen" nennt er mich immer. Und ständig versucht er mir an die Wäsche zu gehen, dabei hatte ich ihm schon tausend Mal gesagt, dass er keine Chance hat."
„Dann müssen wir nacher beim aussteigen vermeiden, dass er uns sieht.", schlug ich Isabell vor.
„Ja, gute Idee.", sagte sie und lächelte mich an.
Als ich gerade gucken wollte ob die Luft rein ist, zog sie mich am Arm und fragte mich:
„Und was ist mit dem dicken?"
„Das ist nicht mein Freund, lass ihn einfach sitzen und ignorier ihn."
Wir liefen beide panisch und ängstlich zum nächsten Wagon. Die Tür öffnet sich zischend. Wir blicken noch einmal kurz zurück. Puhh, Luft ist rein. Wir haben es geschafft. Wir setzten uns in die Mitte des Abteils und warteten schweigend bis wir angekommen sind.
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Das war Kapitel 1.
Wenn es euch gefallen hat und/oder euch sogar berührt hat, dann lasst doch eure Meinung da, ich würde mich sehr darüber freuen.
Das Projekt ist mein ersten Groß-Projekt und ich bin gespannt, wie die Geschichte bei euch ankommt und hoffe auf reichlich Meinungen eurer seits. Die Geschichte wird ein langanhaltendes und weitführendes Projekt werden und ich hoffe, dass es den ein oder anderen gefallen wird.
In diesem Sinne, wünsche ich euch noch einen wunderschöne Montag und genießt den Feierabend.

Liebe grüße
ChaosToasterHH  


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