Kapitel 19

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Nun saßen wir dort. Etwas verwirrt. Ich war jedoch so glücklich. Glücklich darüber, dass wir sie hatten, nicht Frau Schill. Wir fingen an einen Text zu lesen.

„ Wer möchte denn freiwillig lesen?“

Natürlich meldete sich niemand. Und in diesem Moment riss Franzi gerade ein Insiderwitz. So wie immer musste ich voll lachen, was Frau Garcia dazu verleitete, mich dran zunehmen.

„ Nina, wenn du lachen kannst, kannst du bestimmt auch lesen.“

Ich schaute zu ihr und sie lächelte mich an. Wie sie meinen Namen aussprach... jedes Mal fühlten sich meine Beine an wie Wackelpudding. So als würden sie jeden Moment einfach abfallen. Wie sollte ich jetzt gut lesen, wenn ich so nervös war? Wie sollte ich sie mit meiner Lesefähigkeit beeindrucken, wenn sie mir genau zuhören und mich wahrscheinlich sogar angucken würde? Sofort fing ich an zu schwitzen. Mir wurde so heiß, dass ich mir am liebsten alle Klamotten vom Leib gerissen hätte. Mein Gesicht wurde immer röter. Aber ich musste anfangen zu lesen, um mir nichts anmerken zu lassen. Also fing ich an:

„ Im Jahre 1859 wurde der b-b-britische Seefahrer...“

Ich stotterte sonst nie. Wieso tat ich es jetzt? Ich konnte super lesen. Meine Betonung stimmte immer und ich versprach mich nur sehr selten. Es war mir so peinlich. Bestimmt dachte sie, ich wäre zu dumm für's Lesen. Ich konzentrierte mich nicht mehr auf den Inhalt des Textes, sondern nur noch darauf so schnell wie möglich zu lesen, damit ich mich nicht noch mehr blamieren würde. Als ich fertig war, bedanke sich Frau Garcia.
Der Rest der Stunde verging ganz normal, doch als es klingelte und Franzi und ich gerade den Klassenraum verlassen wollten, rief Frau Garcia unseren Namen.

„ Franzi und Nina, kommt ihr bitte nochmal zu mir?“

Mein Herz schlug so schnell. Was wollte sie? Weil wir so viel gelacht haben? Wollte sie uns auseinander setzten? So viele Gedanken kreisten mir im Kopf herum. Auch Franzi schaute mich mit großen Augen an. Sie wusste genau so wenig wie ich, was Frau Garcia von uns wollte.

„ Ich wollte fragen, ob ihr mir einen Gefallen tun könnt. Ich bin ja erst seit kurzem auf der Schule und kenne mich mit den Räumlichkeiten noch nicht so gut aus. Könntet ihr mir sie bitte zeigen?“

„ Ähm, würden wir gerne, aber wir müssen in der Pause noch was erledigen. Es wäre nett, wenn sie andere Schüler fragen.“

Hab ich da richtig gehört? Hat Franzi gerade die erste Chance, sie ein wenig besser kennenzulernen, versaut? Ich glaubte es einfach nicht. Ich ließ mir natürlich nichts anmerken, aber innerlich kochte ich.

“ Ok, dann frage ich andere Schüler. Schade, hätte mich drauf gefreut.“

Man sah Frau Garcia die Enttäuschung an. Ich sagte nichts weiter und setzte ein falsches Lächeln auf. Als wir dann draußen waren und ich sicher ging, dass alle anderen außer Hörweite waren, stellte ich Franzi zur Rede.

“ Was sollte das? Es war die erste Chance, sie öfter zu sehen als nur im Unterricht? Was erledigen? Was müssen wir denn erledigen?!“ Franzi wusste, wie sauer ich war.

„ Sei bitte nicht sauer, ich dachte, dass du Angst hast dich zu blamieren. Das tust du ja öfter, wenn du nervös bist und gerade in einer Situation, wenn wir alleine mit ihr sind, würdest du bestimmt etwas machen, was du bereust.“

Ja gut. Recht hatte sie schon irgendwie. Trotzdem hätte ich mich über das 'Treffen' sehr gefreut.

„ Ja du hast ja Recht, aber trotzdem hätten wir das absprechen können. Du hast mich ja nicht mal gefragt und ehrlich gesagt, hätte ich Frau Garcia schon gerne die Schule gezeigt.“

Franzi nickte und bereute es sichtlich, dass sie mich nicht vorher gefragt hatte. Sie fragte mich, ob sie nochmal zurück gehen sollte und Frau Garcia sagen sollte, dass wir ihr doch die Schule zeigen. Aber das wollte ich nicht. Wie komisch wäre das denn gekommen? Erst sagt Franzi wir haben was zu tun, dann reden wir kurz und dann auf einmal doch nicht mehr? Das würde Frau Garcia sicher nicht normal vorkommen. Und vielleicht war es wirklich besser so. Wer weiß, wahrscheinlich hätte ich mich wirklich blamiert und es hinterher bereut. Aber das nächste Mal, sage ich zu so etwas sicherlich ja, ob Franzi es wollte oder nicht. Denn ich wollte Frau Garcia ja auch etwas besser kennenlernen. Die Frau, die ich so aufregend und schön fand. Die Frau, die für mich so interessant war.....

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