„Oh Gott, wir sind wirklich hier!“, quietschte Fina, als wir nach der Busfahrt vor Titus‘ Haus standen. Es dröhnten schon hier draußen die Lautsprecher, ein kleiner Vorgeschmack auf das was innen abging. Die Familie Grünfelder wohnte in einem ziemlich gewöhnlichen Einfamilienhaus mit gepflegtem Vorgarten und einem Pflasterweg zur Haustür.
Auf unser Klingeln hin öffnete uns ein leicht angetrunkener Typ die Tür, nur um sich kurz darauf in den Buchsbaum neben der Tür zu übergeben. Fina zerrte mich hastig ins Haus.
„Wir werden sicher nicht nach Kotze stinken wollen, wenn wir hier Titus gegenüber treten!“
Wir zu erwarten war das Haus bis zum Anschlag hin voll mit Schülern, die meisten kannte ich. Wenn man sich anstrengte konnte man in dem Gedränge knutschende Pärchen, betrunkene Kerle, zugekleisterte Mädchen und betrunkene Typen, die mit zugekleisterten Mädchen knutschten ausmachen…
Eine schwere Hand legte sich auf meine Schulter und ich fuhr herum. Vor mir stand ein grinsender Titus.
„Cool, dass du kommen konntest…“, raunte er. Ich hätte gerne etwas lustiges oder keckes geantwortet, aber was aus meinen Mund kam, klang stark nach: „Äh… ja…cool…“ Fina neben mir war längst futsch, keine Ahnung wo hin. Hmmm, was könnte ich sagen? Meine Jacke hatte ich schon im Flur abgelegt und Durst hatte ich auch keinen…
„Willst du tanzen?“
Erleichtert nickte ich.
Titus bugsierte mich durch die Menge in Wand Nähe und fing an zu tanzen, wie man eben auf Partys tanzte. Ich konnte das eher weniger, weswegen ich mich extrem unwohl fühlte. Ich beherrschte Walzer, Tango und den ganzen anderen Kram aber ich konnte beim besten Willen nicht Free Style tanzen. Es sah einfach doof aus, weswegen ich nur ein wenig von einem Fuß auf den anderen trat. Titus schien das nicht zu bemerken und so tanzten wir einfach, bis ich Durst bekam. Ich sagte ihm Bescheid, er nickte und ich schob mich durch die Menge. War es doof, enttäuscht zu sein, dass er mir nicht angeboten hatte, mir etwas zu holen?
In der Küche war es kühler und weniger belebt. Ich nahm einfach ein Glas aus dem Schrank und füllte es an der Spüle mit Wasser auf. Nach einigen Zügen stellte ich es einfach auf dem Tresen ab und wollte gerade wieder gehen, als sich ein Mädchen mir in den Weg stellte- Chloe. Chloe war in meiner Klasse und wir verstanden uns eigentlich ganz gut. Sie strahlte mich an, obwohl ihre Wimerntusche von der Hitze verlaufen war.
„Äh Chloe…“ ich gestikulierte ein wenig vor meinen Augen und sie verstand.
„Oh Je! Ach, egal ich mache das gleich im Badezimmer weg. Danke für die Info! Ach ja, Annemieke, ich wollte fragen ob du in den Ferien mit mir und ein paar Freundinnen in den neuen Film mit Robert Pattinson willst?“ Shush.
„Ehm, echt gern, aber ich habe keine Zeit.“
Sie lachte.
„Aber du wirst doch wohl nicht die gesamten Ferien beschäftigt sein!“
„Ehrlich gesagt… bin ich in den Ferien gar nicht mehr hier, ich ziehe weg.“ Ihre Augen wurden tellergroß.
„Echt jetzt?! Wohin denn?! Weit weg?“ Ha, wenn sie wüsste!
„Kann man so sagen, es liegt in den USA.“ Sie wollte gerade etwas sagen, aber ich erspähte Titus, der sich auf mich zu bewegte und sagte schnell zu Chloe: „Aber ich muss jetzt los, man sieht sich!“
Titus grinste mich an, als ich zu ihm kam. „Na, nicht mehr durstig?“
„Nein“, antwortete ich simpel und wir gingen zurück zu dem Platz an der Wand. In dem Moment begann einer aus meiner Klasse, der am DJ Pult stand, einen langsamen Song zu spielen. Goodby my Lover von James Blunt. Echt jetzt?! Titus zog mich an sich und platzierte seine Hände auf meiner Hüfte. Oh mein Gott. Kennt ihr das? Wenn euer Adrenalin durch den Körper schießt, wenn euch ein süßer Typ ansieht?
Er war nicht so sehr viel größer, also musste ich mich nicht zu sehr strecken um meine Hände um seinen Nacken zu legen.
Und wieder wurde ich enttäuscht. Zwar pochte das Adrenalin, aber ich fühlte mich weder besonders wohl bei ihm, noch flatterten die berühmten Schmetterlinge.
Annemieke! Reiß dich zusammen! Das ist kein Buch oder Romantikfilm! Du tanzt mit einem wirklich süßen und wirklich heißen Typen den du auch irgendwie magst, also sei zufrieden und warte nicht auf Liebe! Du bist erst 15!
Nach dieser Predigt meines Bewusstseins, versuchte ich den Tanz einfach zu genießen und diesen blöden Titel zu vergessen. Titus bewegte seinen Kopf und schaute mich an, er kam immer Nähe und ich ihm auch. Scheiß auf Amerika! Ich war hier und gerade dabei Titus zu küssen! Unsere Lippen trafen sich fast, als plötzlich der Song unterbrach. Ich sah zum Pult und wäre fast gestolpert. Dort stand Chloe und redete auf den DJ ein. Dieser setzte sich daraufhin das Mikrofon an die Lippen und sagte: „Wie ich gerade gehört habe, gibt es einen Abschied! Annemieke Gerber wird Anfang der Ferien in die USA ziehen! Dieser Song ist für dich, wir werden dich vermissen Annemieke!“ New York Empire State of Mind von Alicia Keys begann und Titus ließ mich los, machte einen Schritt zurück. Die anderen waren längst wieder mit tanzen beschäftigt. Titus kratzte sich am Kopf.
„Du gehst echt nach Amerika? Nächste Woche schon?“ Ich nickte stumm. Er machte keine Anstalten mich wieder in den Arm zu nehmen. „Du, nehm‘s mir nicht übel… aber Fernbeziehungen sind nicht so meins…“ Mit diesen Worten ließ er mich einfach stehen. Ich war wie schockgefroren und stand einfach nur da. War das gerade ein Korb gewesen?! Langsam kam das Gefühl zurück in meine Gliedmaßen und ich bewegte mich wieder.
Das war hart gewesen. Okay, er war nicht die Liebe meines Lebens oder so, aber fast von einem Kerl geküsst zu werden nur damit er dir Sekunden später einen Korb gibt, weil du wegziehst? Aber wer konnte es ihm verübeln?, dachte ich bitter. Mir war die Lust am Feiern vergangen. Finas Mutter wollte uns abholen, also suchte ich Fina.
Im Erdgeschoss war sie nicht, also ging ich hoch und klapperte die einzelnen Schlafzimmer ab, in der Hoffnung, Fina wäre dort nicht. In einem der Zimmer befand sich ein Zugang zum Balkon, den ich nutze um dem stickigen Haus zu entkommen.
Kaum trat ich hinaus strömte frische Luft in meine Lungen und ich kam ein wenig zur Ruhe. Müde setzte ich mich auf den kleinen Campingstuhl und sah auf die Straße.
Plötzlich klapperte die Tür, ich drehte mich und da stand Titus. Ich stand auf und sah ihn fragend an, er machte ohne etwas zu sagen einen Schritt vorwärts und drückte seine Lippen auf meine.
Sagen wir Mal so; es war nicht spektakulär, aber schlecht war es auch nicht. Nach ungefähr einer Minute löste ich mich und fragte: „Also hast du es dir überlegt?“
Er grinste. „Nein… aber hey! Wir können doch noch ein bisschen Spaß haben, bevor du gehst!“, Damit attackierten seine Lippen wieder meine und ich brauchte einen Moment, bis ich realisierte und ihn wegstieß.
„Wie bitte?!“
„Ach bitte, Annemieke. Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich eine Fernbeziehung mitmachen, dass irgendein Junge das machen würde!“
„Aber einfach rumknutschen so lange noch geht und dann Schluss? Sehe ich wie eine Hure aus?!“
Sein Schweigen war Antwort genug.
Langsam brauste sich Wut in mir auf. Es waren zu viele Leute hier. Es war zu eng. Zu laut. Bevor ich ausrastete stieß ich Titus aus dem Weg und knallte die Balkontür hinter mir zu. Dann verließ ich das Zimmer und durchquerte den Raum, zur Haustür. Dort griff ich mir meine Jacke und verließ das Haus.
Kaum war ich raus aus diesem Höllenloch, bildeten sich Tränen in meinen Augen. Ich wusste nicht was es war; diese Sache mit Amerika, das Titus mich so verletzt hatte oder einfach die Enttäuschung, darüber, dass nicht alles immer wie in den Filmen lief. Ich war wirklich nie der Mensch gewesen, der zu viel Hoffnung hatte, der sich sein Leben wie einen romantischen Film ausmalte. Aber tief im inneren hoffte doch jeder auf sein Happily Ever After…
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Everybody loves him
Teen Fiction-Ich spielte kurz mit dem Gedanken einfach hinterher zu klettern. Er streckte seine Hand aus und ich wollte sie nehmen. Aber etwas hielt mich zurück. Ich meine, ich kannte ihn ja nicht wirklich… Er deutete mein Zögern richtig und ließ die Hand sinke...