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Es war Nacht, die Schläuche wurden zum Glück entfernt, da meine Werte stabil waren. Ich hatte die Krankenschwester gebeten, mir einen Block und Stifte zu bringen. Ich griff nach dem Block, nahm den Bleistift in die linke Hand.

Vorsichtig setzte ich die Bleistiftspitze auf das dünne, linierte Papier. Ich schloss die Augen. Meine Hand bewegte sich wie von alleine nach links, dann nach rechts und danach nach oben. Das Geschehen wiederholte sich mehrmals, bis ich meine Augen öffnete.

Ich blickte in ein Gesicht, gezeichnet von dicken und dünnen Linien. An manchen Stellen hatte der Bleistift kleine Löcher durch das Papier gelöchert. Das Gesicht kam mir so bekannt und doch so Fremd vor.

Ich legte den Block und den Bleistift auf die Seite. Lehnte mich in die harten, hellen Kissen. Da lag ich nun. Über mir tausende von Sterne am Himmelszelt. Neben mir leidende Menschen in ihren Krankenbetten. Sie wollten Leben, doch irgendjemand machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.

Doch ich hatte die Chance zu leben, doch war ich einer der wenigen die nicht wollte.

Am nächsten Tag wurde ich in ein neues Zimmer verlegt. Es war ein Doppelzimmer, na toll. Ich liebte Menschen ja so sehr und konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als keine Privatsphäre mehr zu haben. Ich schaute mich um, das zweite Bett war Leer, jedoch deutete der volle Nachttisch darauf hin, dass ich schon einen Zimmergenossen hatte. Da es so aussah, als würde ich länger bleiben, hatten meine Eltern mir ein paar Sachen von Zuhause mitgebracht. Ich nahm die Kopfhörer vom Beistelltisch und steckte sie zuerst in meine Ohren, danach in mein Smartphone ein. Die ersten Töne von Nirvana drangen durch meine Ohren. Es war wie ein Schokoladeneis für ein kleines Kind. Nach ganzen zwei Tagen war es ein unglaubliches Gefühl endlich in meine eigene Welt zu versinken. Doch ich wurde unterbrochen.

Ein kleines Mädchen betrat den Raum. Lief zum Bett gegenüber, setzte sich drauf und begann mich anzustarren. Ich hob eine Augenbraue, sie tat es mir gleich. Ohne zu wollen musste ich grinsen. Ihre Augenbraue senkte sich wieder. Doch sie hörte nicht auf mich anzustarren. Eigentlich wollte ich nur meine Ruhe, meine Musik und den Raum nur für mich.

„Ist was?", raunzte ich sie genervt an.

Sie legte bloss den Kopf schief. Das wurde mir zu blöd. Ich drehte mich auf die Seite und starrte an die Wand. Das Mädchen starrte mich weiterhin an, ich spürte ihren Blick in meinem Rücken. Das war das letzte, dass ich jetzt noch gebrauchen konnte. Warum kann denn bitte niemand verstehen, dass ich nur meine Ruhe möchte.

Es gab Abendessen, Kartoffelbrei der wie erbrochenes aussah und dazu Erbsen. Kompliment lieber Krankenhauskoch, Sie waren heute wieder unglaublich kreativ und motiviert.

Während dem Essen beobachtet ich das kleine Mädchen. Es schlief seelenruhig. Ihre helle Haut war makellos und doch sah sie traurig aus. Ich konzentrierte mich wieder auf die geschmacklose Pampe. Sie schmeckte noch widerlicher als sie aussah.

Als ich das nächste Mal zu dem kleinen Mädchen aufsah, war sie wach. Sie brachte ein schwaches Lächeln über die Lippen und nuschelte: „Ist was?" Ich grinste und schwieg. Ich nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernsehern an. Ich zappelte durch die Fernsehkanäle und stoppte bei MTV. Es lief gerade Sweet Disaster von Dreamers. Ich nahm war, wie das kleine Mädchen sich aufsetzte. Ich schaute rüber, sie begann Luftgitarre zu spielen. Ich lachte laut auf und begann sie mit dem Luftschlagzueg zu begleiten.

Gemeinsam begannen wir laut der Chorus zu brüllen: „And so it goes, we found our sweet disaster. In a river of champagne!"

Der ganze Raum füllte sich mir unseren schrägen Tönen und als das Lied zu Ende war lachten wir laut los.

SomnambulistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt