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Als die Wellen sanft meine Füsse kitzeln, schrecke ich hoch. Die letzten Strahlen der Abendsonne tauchen das Meer in ihr goldenes Licht. Das sanfte Rauschen des Meeres beruhigt mich wieder. Eine leichte Brise lässt mich frösteln. Der Sommer liegt in den letzten Zügen, bald werden sich die Blätter der Bäume rot verfärben. Aufgewühlt blicke ich auf den Brief in meiner Hand. Innert Sekunden hat er meine heile Welt ins Wanken gebracht.

Mrs. L. Black
Finca Castillo de Silencio
Oberstadt Sitio
Nazarés Portugal

Immer wieder kehre ich gedanklich zu den Ereignissen von heute Morgen zurück. Zuerst dachte ich, der Brief sei falsch adressiert. Keine Ahnung wie man Snape und Black verwechseln kann! Vergnügt präsentierte ich den Brief meiner Mum. "Ich habe Post bekommen von einer Schule für Zauberei", lache ich.

Überrascht registriere ich den ernsten Gesichtsausdruck meiner Mutter. Als sie das Siegel auf dem Brief sieht, wird ihr Gesicht aschfahl. Alle Farbe ist aus ihrem Gesicht gewichen und sie wirkt zutiefst verängstigt. W-was passiert h-hier? Der Brief in meiner Hand fühlt sich plötzlich so schwer wie Blei an und ich spüre, wie meine Hand unmerklich zu zittern beginnt.  „Mum?", flüstere ich kaum hörbar voller Besorgnis.

Plötzlich geht ein Ruck durch meine Mutter und innert Sekunden ist die Angst aus ihrem Gesicht verschwunden. An ihre Stelle ist eine eiserne Entschlossenheit getreten. „Pack deine Sachen!", herrscht meine Mutter mich an. Ich spüre wie Tränen in meinen Augenwinkel aufsteigen und werde plötzlich von einer rasenden Wut erfüllt. "Nicht schon wieder! Ich will hier nicht weg!" Trotzig schüttle ich meinen Kopf und blicke meine Mutter herausfordernd an.

Überrascht sieht sie mich an. "Lilly", haucht sie, „ich weiss, dass es schwer für dich ist, immer von Ort zu Ort ziehen. Aber wir haben keine andere Wahl!" Eindringlich blickt sie mich an.

"Bitte Mum", flüstere ich mit tränenerstickter Stimme, „ich will hier nicht weg!" Die Traurigkeit in ihrem Blick versetzt mir einen schmerzhaften Stich in der Brust. "Lily, bitte...." Plötzlich wirkt sie schrecklich müde und traurig. Sanft wischt sie meine Tränen weg und als ihre Hände mein Gesicht umschliessen, spüre ich das kaum merkliche Zittern ihrer Hände.

"Die Sturheit hast du von deinem Vater geerbt!", lächelt sie wehmütig. Fassungslos blicke ich sie an. Mum hat noch nie ein Wort über meinen Vater verloren, egal wie sehr ich sie bedrängt habe! Eine einzelne Träne kullert über ihre Wange. "Lily, es tut mir leid", haucht sie kaum hörbar. "Ich habe keine Kraft mehr, um wegzurennen!"

Mein Herz droht zu brechen, angesichts des elenden Zustands meiner Mutter. "Wir können gehen Mum, wirklich!" Ich würde alles dafür tun, dass die Traurigkeit aus ihrem Blick verschwindet. „Du und ich, zusammen können wir es mit der ganzen Welt aufnehmen Mum." Mein Versuch zu lächeln scheitert kläglich.

Meine Mutter hat ihre Augen geschlossen und ich bin mir nicht sicher, ob sie meine Worte gehört hat. "Es hat keinen Sinn. Lily und James hat er auch erwischt. Niemand kann ihm entkommen!", murmelt sie kopfschüttelnd. "M-mum?" Nur mit Mühe kann ich meine Tränen zurück halten. Wohin ist die schöne, lebensfrohe Frau verschwunden? Wer ist diese gebrochene, resignierte Fremde?

"Pack deine Sachen, Lilly. Sofort." Energisch scheucht sie mich davon. Kurz erfüllt mich neue Hoffnung. "Wohin gehen wir?", frage ich vorsichtig optimistisch. Meine Mutter ist zu tief in Gedanken versunken, um zu antworten. "Sie ist dort am sichersten", flüstert sie.

"Mum?" Ängstlich blicke ich sie an. Ernst sieht sie mich an. Ich kann ihrem Blick nicht stand halten, zu viel Trauer und Schmerz liegt darin. "Lauf Richtung Norden, Lily. Blicke nicht zurück! Suche einen Mann namens Severus Snape, er wird dir helfen!" "Nein", erwidere ich heftiger als gewollt. „Ich gehe nicht ohne dich Mum!"

"Geh Lilly!"

"Ich lasse dich nicht allein!", schreie ich ausser mir.

"Ich liebe dich meine Tochter. Ich bin sehr stolz auf dich! Dein Vater wäre bestimmt auch stolz auf dich. Du bist ihm so ähnlich-", ihre Stimme bricht, Tränen fliessen über ihre Wangen. "Geh!"

Stumm schüttle ich den Kopf. "Lily, bitte", haucht sie. "Du darfst niemandem von deiner Gabe erzählen!" "Mum", schluchze ich ausser mir. Wieso klingt das hier alles nach einem Abschied für immer? "Versprich es mir!", fleht meine Mutter eindringlich. "Versprochen", flüstere ich mit zitternder Stimme. Ein letzes Mal lächelt sie mich an und streicht zärtlich über meine Wange.

Als wir draussen plötzlich lautes Geschrei vernehmen, wird meine Mutter ganz ruhig. "Sag ihm bitte, dass ich ihn immer geliebt habe, egal was passiert ist." Ein wehmütiges Lächeln umspielt ihre Lippen. Wie betäubt registriere ich ihre innige Umarmung."Mum! Ich werde nicht gehen!", erwidere ich und entschlossen löse ich mich aus ihren Armen.

Verwundert betrachte ich die Muschel in meiner Hand. "Ein Portschlüssel. Ich habe geahnt, was passieren wird." Traurig lächelt sie mich an. Verzweifelt versuche ich die Muschel loszuwerden, doch sie scheint beinahe mit meiner Hand verwachsen zu sein. Wütend schreie ich auf, als es mir nicht gelingt, die Muschel von meiner Hand zu lösen. "Verzeih mir, Liebster." Das Gesicht meiner Mutter verzieht sich zu einer schmerzverzerrten Grimasse. „Ich kann unsere Tochter nicht mehr länger beschützen. Ich habe versagt."

"Ich liebe dich meine Tochter!"

Als Letztes sehe ich wie unsere Wohnung in Tausend Teile explodiert und der Raum von einem grünen Blitz erhellt wird. Sein unmenschlicher Wutschrei, als ich mich in Luft auflöse, hallt noch lange in meinen Ohren.

Wütend schleudere ich den Brief ins Meer, der mein Leben zerstört hat. Ich spüre, wie alle Kraft aus meinem Körper weicht. Wie betäubt beobachte ich die untergehende Sonne. Ich habe keine Kraft wegzurennen. Ein Teil von mir wünscht sich, dass sie mich finden und töten. Wie meine Mutter. Unaufhaltsam fliessen die Tränen in Strömen über meine Wangen. Ich fühle keinen Schmerz, keinen Hass, keine Wut mehr. Ich bin einfach nur noch leer. Eine bleierne Müdigkeit hat meine Glieder erfasst. Als ich neben mir Schritte vernehme, blicke ich nicht auf. Ich hoffe bloss, dass mein Tod ein kurzer und schmerzloser sein wird.

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Hier noch etwas Schleichwerbung für die Covers von der lieben Felicity_May  🙃 Vielen Vielen Dank!

Zauberfeder - Draco FF 🖌Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt