Als ich am nächsten Morgen durchs Schultor lief bemerkte ich zwei Dinge. Erstens irgendeiner hatte den Rasen gemäht. Und zweitens? Es starrten mich wieder alle an.
Was hatte ich denn nun verbrochen?
An meinem Spind angekommen blieb ich stehen. Ich tat so als wäre ich beschäftigt, dabei merkte ich ganz genau das alle Blicke auf mir lagen.
Plötzlich schaute ich auf und erwischte alle beim starren. Viele rissen ihren Kopf schnell in eine andere Richtung, anscheinend war es ihnen unangenehm. Doch andere starrten weiter.
Ich atmete langsam ein und aus. Ich würde mich davon nicht verrückt machen lassen.
Ein lauter Pfiff ließ alle zusammenzucken.
"Lasst sie in Ruhe und kümmert euch um eure eigenen Dinge.", ertönte eine Stimme und ich sah Mike auf mich zukommen. Der Rest lief zu ihren Klassenräumen.
Er selber lehnte sich gegen meinen Spind und sah mich an."Danke."
Erstaunt hob ich meine Augenbrauen. "Wofür?"
"Dafür das du die Polizei aufgeklärt hast."
"Achso, ja...", murmelte ich. "Kein Ding."
Er grinste. "Anscheinend steckt in dir doch ein gutes Herz."
"Mhm.", machte ich.
"Dann scheint dir doch etwas an Lynn zu liegen.", bemerkte er.
"Die Frage ist nur, liegt ihr auch noch was an mir?", murmelte ich und knallte mein Spind zu.
Mike hatte mich dennoch gehört.
"Natürlich liegt ihr noch etwas an dir. Aber lass ihr Zeit zu verzeihen."
Ich lächelte mutlos. "Zeit? Was wenn ich morgen von einem LKW überfahren werde? Oder ein Flugzeug in mein Haus kracht? Was genau hat mir diese Zeit dann gebracht?"
Mike verdrehte seine Augen. "Übertreib nicht Ellie. Warte einfach noch ab. Ich muss in den Unterricht, man sieht sich!"
Damit verschwand er und ließ mich zurück.
***
Nach der Schule hielt ich Ausschau nach James. Nicht das er es verdient hatte, aber mir brannten Fragen auf der Seele, die ich klären wollte.
Ich sah ihn auf dem Parkplatz mit seinen Kumpels. Offenbar waren sie kurz vor dem gehen. Da hatte er aber die Rechnung ohne mich gemacht.
"James ich muss mit dir reden.", verlangte ich und ignorierte seine Kumpels die mich anzüglich musterten.
"Was willst du denn?", brummte James der offensichtlich nicht erfreut von meinem Auftauchen war.
Selbst Schuld der Gute.
"Mit dir reden. Alleine!", wiederholte ich ungeduldig.
Er seufzte und nickte schließlich. "Aber nur kurz."
Wir gingen ein Stück weiter weg sodass seine Kumpels uns nicht hören konnten. Allerdings waren die schon wieder mit etwas anderem beschäftigt.
"Was genau willst du jetzt von mir?", fragte er genervt.
"Antworten.", erwiderte ich. "Warum erzählst du deinem Dad von mir? Und behauptest wir wären zusammen?"
Er runzelte seine Stirn. "Woher kennst du meinen Dad?"
"Von der Polizeiwache aus.", entgegnete ich.
"Stalkst du mich jetzt etwa? Oder meine Familie?"
Meine Fäusten ballten sich automatisch zusammen. Dieser Typ hatte sie doch nicht mehr alle. Was dachte er sich nur?
"Ich war wegen etwas anderem dort, was dich nichts angeht!", knurrte ich und sah ihn böse an.
"Sieh an.", er klang gelangweilt.
"Du schuldest mir eine Antwort!", beharrte ich.
Er grinste höhnisch. "Ich schulde dir gar nix. Das solltest du unbedingt in deinem Kopf behalten. Meine Familie geht sich nix an. Mein Leben erst recht nicht. Ich werde dir nicht erzählen wieso ich was mache. Also erwarte einfach nichts."
Langsam aber sicher wurde ich wütend. "Doch ich will jetzt eine Antwort und zwar sofort du Arschloch!"
"Na na na, wir wollen doch nicht gleich ausfallend werden.", grinste er.
"Anscheinend verstehst du mich sonst nicht!", hielt ich gegen.
James Grinsen verschwand, stattdessen nahm sein Gesicht ein störrischen Ausdruck an. "Hör zu, ich weiß du denkst ich bin ein Arschloch und eventuell hast du Recht. Nein, du hast Recht ich bin wirklich ein Arschloch. Aber es ist zu deinem besten. Du verstehst das nur nicht."
"Was denn? Was verstehe ich denn nicht? Ich will es ja verstehen."
Er fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare und stöhnte verzweifelt auf. "Ich kann es dir nicht sagen, okay? Es gibt Menschen die sind zu allem bereit. Das ist alles was ich dir sage. Ich muss jetzt auch wieder zu meinen Freunden."
Er wandte sich zum gehen.
"Und zu was bist du bereit?", rief ich leise.
Er drehte sich um und guckte mir tief in die Augen. "Zu allem was nötig ist."
Dann ging er und ließ mich verwirrt mit noch mehr Fragen zurück.
***
Zu Hause saß ich das erste Mal seitdem ich hier war an meinen Hausaufgaben. Die letzten Wochen habe ich die Schule ein wenig schleifen lassen und das wollte ich jetzt wieder nachholen. Ich tat es für meinen Dad. Ich versuchte mich in diese Hölle hier zu integrieren.Plötzlich klingelte mein Handy und als ich sah das Lynn mich gerade anrief ging ich sofort ran.
Hausaufgaben waren doch unwichtig verglichen.
"Hallo?", ich klang ein wenig atemlos.
Es folgte eine kurze Stille. "Hey", kam es schließlich gedehnt.
"Ich bin froh das du anrufst.", sagte ich ehrlich.
"Das war eigentlich Mikes Idee.", erwiderte sie zögernd.
Man musste diesen Jungen einfach mögen. Nach allem was ich abgezogen habe versuchte er immer noch mir zu helfen.
"Mike ist ein guter Mensch."
Sie schnaubte leicht. "Nervig beschreibt es nicht mal annähernd. Du musst ihn irgendwie beeindruckt haben mit deiner Aktion."
Oh oh klang sie etwa eifersüchtig? Das wäre nicht gut.
"Ich bin froh das er mir verzeihen konnte.", wich ich aus.
"Das was du getan hast war wirklich mutig.", kam es plötzlich von ihr. Man hörte das es sie Überwindung kostete das zu sagen. "Ich bin wirklich sauer auf dich, aber andererseits bin ich froh das du es aufgeklärt hast. Du hast dabei nicht an dich gedacht."
"Ich habe an dich und Mike gedacht.", bestätigte ich leise.
"Lasst uns morgen alle zusammen Mittagessen in der Schule.", schlug sie schließlich vor und ich wusste das es ein Friedensversuch war. Das sie mir verzeihen würde.
Am liebsten hätte ich vor Freude geweint.
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Unexpected
HumorEllie, gebürtige New Yorkerin, ist ein richtiges Stadtkind. Ihr ganzes Leben hat sie in New York verbracht, doch dann lassen sich ihre Eltern scheiden und sie muss mit ihrem Dad in eine langweilige Vorstadt in New Jersey ziehen. Das kann nur ein Al...