5. Kapitel (Melissa)

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Der Tag verging leider viel zu schnell und am nächsten Morgen wurden wir schon früh geweckt, weil wir noch packen mussten.

„Auf, auf, meine Liebe!", trällerte Mrs. Holmes und riss uns die Bettdecke weg, „Wir wollen doch zum Mittagessen wieder zuhause sein!" Ich seufzte und setzte mich auf. Die Sonne schien schwach durch den Eingang. Mr. Holmes hatte unser Zelt wieder repariert (wenn auch mit etwas Magie) und so würde man denken, ihm wäre nie ein Haar gekrümmt worden, wenn man nicht den Haufen aus Stofffetzen gesehen hatte.

Das Gras war noch feucht vom Morgentau, als wir uns barfuß auf den Weg zu den Toiletten machten. Das lange Gebäude am Springbrunnenplatz stand verlassen und einsam da. Es schien noch niemand auf den Beinen zu sein.

Die dunkelgrün bemalte Holztür knarrte etwas, als ich sie öffnete.

„Findet jemand den Lichtschalter?", fragte Pia, „Es ist stockdunkel hier drin."

„Hier ist er", sagte Câi. Ein Klick ertönte und die nackte Glühbirne an der Decke flammte flackernd auf. Der Raum war lang, genauso wie das Gebäude. An der linken Seite zogen sich Spiegel entlang, die teilweise einige Sprünge hatten. Davor waren Waschbecken angebracht, wobei der Wasserhahn des Letzten etwas tropfte. Die Toiletten befanden sich rechts. Etwa ein Dutzend Kabinen mit Holztüren, deren weißer Anstrich abblätterte, zogen sich an der Wand entlang. So schön der Campingplatz auch war, dieses Gebäude war renovierungsbedürftig und das schon seit etlichen Jahren.

Wir stellten unsere Kosmetikbeutel auf die Ablage, die über den Waschbecken angebracht war, kramten Zahnbürste und einen Becher heraus und begannen uns die Zähne zu putzen.

„Eigentlich schade, dass wir heute schon wieder zurück müssen", meinte Pia und spuckte in das Becken, „Auch wenn dieser Waschraum hier Mist ist."

„Schon, aber wir haben nur noch gut zwei Wochen Ferien und in den Element Department Store müssen wir auch. Wann glaubt ihr kommen die Einkaufslisten aus Clouds Palace?", fragte Câi.

„Ich habe keine Ahnung", antwortete ich, „Wahrscheinlich in der letzten Ferienwoche."

Nachdem wir uns fertig gemacht hatten, gingen wir zurück zu unserem Zelt. Vor dem Eingang wartete Mrs. Holmes schon ungeduldig auf uns.

„Wo wart ihr denn so lange? Wenn ihr weiter so trödelt, kommen wir heute nicht mehr nach Hause!", tadelte sie uns mit vorwurfsvollem Blick. Eines konnte sie offenbar absolut nicht ausstehen und das war Trödelei. Also warfen wir im Zelt alle Sachen in unsere Koffer und standen pünktlich zur Abfahrt vor einer leeren Rasenfläche, auf der wenige Stunden zuvor noch zwei Zelte gestanden hatten.

„So, ab nach Hause, Kinder", verkündete Mr. Holmes und packte zwei Reisetaschen. Gemeinsam schlenderten wir im Gänsemarsch zurück zum Parkplatz. Im Vorübergehen sahen wir noch einige Camper, darunter eine Wächterfamilie, die gerade aufgestanden zu sein schien und deren Tochter, die anscheinend die Gabe ihrer Eltern geerbt hatte, zehn Zentimeter in der Luft schwebte und versuchte, einen Schmetterling zu fangen.

„Also wirklich!", hörte ich Mr. Holmes murmeln, „Wenn die so weitermachen, landen sie noch in der Abteilung für nationale Geheimhaltung. Hier ist doch alles voller Menschen!"

Die Heimfahrt kam mir dieses Mal nicht ganz so lange vor, da nun auch Câi dabei war. Doch noch immer war es für mich eine Qual, so lange still im Auto zu sitzen. Die Landschaft zog an uns vorbei und allmählich wurde aus Küste Innenland.

Bald konnte ich die ersten Reihenhäuser sehen, mit ihren Vorgärten, in denen die Hecken so gerade geschnitten waren, wie Mauern und das Gras und die Blumen peinlich genau bepflanzt waren. Früher hatte ich mit Mum und Dad auch in so einem Reihenhaus gewohnt. Doch unser Vorgarten war nicht so sauber gewesen. Die Hecken wuchsen so, wie sie eben wachsen wollten und wurden nur geschnitten, wenn sie zu weit auf die Straße hinausragten. Der Rasen sah immer aus, als müsste er einmal gemäht werden und die Blumenbeete waren dort angelegt, wo sie uns am wenigsten störten und nicht, wo sie am besten aussahen. Im Großen und Ganzen hatte unser Vorgarten etwas Unordentliches, doch genauso gefiel er uns am besten.

Die Prophezeiung - ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt