18: Mirrors

1K 52 16
                                    

Ich sass in einer Decke gehüllt auf meinem Bett und starrte auf die weisse Wand vor mir. Von meinen nassen Haaren tropfte vereinzelt Wasser auf das dunkelblaue Lacken. Verzweifelt versuchte ich ein Muster auf der weissen Fläche vor mir zu erkennen. Versuchte mich abzulenken, abzulenken von dem zerreissenden Schmerz in meiner Brust und von der unfassbaren Taubheit in meinem Körper. Ausser dem Wind der vor dem Fenster vor meinem Zimmer pfiff war nichts zu hören. Keine Stimmen, keine Schritte. Nichts.

Ich war allein.

Ich neigte den Kopf etwas zur Seite. Vielleicht war es jetzt die Zeit gekommen um aufzugeben. Einfach alles stehen und liegen zu lassen und zu verschwinden. Es war eh nicht so, dass mich jemand vermissen würde. Ich könnte jetzt einfach alles Packen und verschwinden. Keiner würde was merken. Niemand.
Eigentlich hält mich doch nichts mehr auf, worauf warte ich?

Stiles.

Konnte ich ihn einfach verlassen?
War das okay?

Er hatte ja Scott wieder, da braucht er mich nicht mehr. Er würde mich vergessen. Er würde über mich hinwegkommen. Es wäre in Ordnung.

Ich ertrug diesen Schmerz nicht länger. Ich war nicht so stark wich ich es immer vormachte - ich war es nie gewesen. Ich hatte meine Schwächen lediglich versteckt. Und trotz dieses Wissens hatte ich Leute an mich herangelassen. Menschen die mir etwas bedeuteten, mir wichtig waren. Menschen die ich ehrlich als Freunde bezeichnete. Menschen mit denen ich lachte. Und Menschen die mich verletzten. Wieder und wieder.

Es war ein Fehler. Ich hätte es wissen müssen dass das passiert. Aber es war in Ordnung.

Dieser Schmerz würde bald vorbei sein.

Ich setzte mich auf die Bettkante. Es bildete sich eine leichte Gänsehaut auf den Beinen als meine nackten Füsse den kühlen Boden berührten. Während ich mich in Bewegung setzte viel die Decke hinter mir auf den Boden. Meine Solen schlurften über den Boden bis sie schliesslich den weissen Fliessenboden des Badezimmers erreichte. Mit einer trägen Bewegung betätigten meine Finger den Lichtschalter während ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen liess. Der Raum erhellte sich mit einem kalt leuchtenden Licht. In Trance ging ich weiter bis meine Füsse vor dem Badezimmerspiegel Halt machten.

Mein blick huschte langsam von meinen kahlen Füssen hoch, zum Waschbecken ehe ich gerade aus blickte. Ein Mädchen starrte zurück.
Sie trug ein ausgewaschenes graues T-Shirt welches ihr über ihre knochige Schulter hing und viel zu gross für ihre eher zierliche Gestalt schien.

Wer bist du?

Die dunkelbraunen zerzausten Haare reichten ihr bis zur Hüfte. Glanzlos und stumpf. Sie waren leicht nass, sodass sich an den Spitzen Wasser ansammelte, welche bei dem nächsten noch so winzigen Tropfen zu fallen drohten.

Wer bist du?

Das von ihren glatten Haarsträhnen umrahmte Gesicht hatte eine ovale Form. Die normale leichte bräune war weit und breit nicht zu sehen. Ihrer Haut fehlte jegliche Farbe. Sie war blass. Sie hatte fast die selbe Farbe wie das Shirt welches sie verschlang.

Wer bist du?

Ihre vollen Lippen trocken und spröde. Die einst so kraftvolle farbe, weit und breit nicht mehr zu erkennen. Ihre weissen Zähne zusammen gebissen und die Lippen fest aufeinander, zu einer dünnen Linie, gepresst. Verhinderten jeglichen Laut.

Wer bist du?

Zusammen mit geschwungenen Wimpern umrahmten dunkle Ringe ihre Augen.
Man sagt die Augen währen der Spiegel zur Seele. Aber das in was ich gerade blickte, waren keine Augen. Es waren bloss leere Löcher. Matte, leere Löcher.

Freudlos, emotionslos ... leblos. Leer. Ohne Seele. Ohne Geist. Wie die welchen einer Puppe.

„WER BIST DU?!"

Der Schrei, das Klirren und das anschliessende Scheppern das von den fallenden Scherben kam nahm ich nur am Rande wahr. Dort wo meine Faust den Spiegel traf, teilte sich das Glas und die Risse erstreckten sich über den ganzen Spiegel. Die kleinen Risse immer grösser werdend, eine unglaubliche Zeichnung. Das Muster hatte Ähnlichkeit mit einem Spinnennetz.

Mein Blick lag immer noch auf den geweiteten blassgrünen Augen vor mir. Auch diese waren mit Rissen durchzogen. Nicht sicher ob vom zersplitterten Spiegel oder einfach die natürliche Form. Für einen Moment konnte ich Emotionen darin erkennen. Unterdrückte Gefühle. Emotionen die schon lange vergessen waren.

Wut, Trauer, Verzweiflung und so unglaublich, untragbar viel Leid.

Den Anblick nicht länger ertragend wandte ich mein Blick auf meine blutende Hand. Die tiefrote Flüssigkeit rann das Handgelenk hinab bis zum Ellbogen, wo sich Tropfen für Tropfen ablöste und einen hübschen Kontrast auf dem weissen Fliessenboden bildeten. Ich spürte keinen Schmerz. Ich spürte nichts. Gar nichts. Nicht mal die Umgebung nahm ich noch wahr.

Meine Augen huschten vom Spiegel auf die unterschiedlich grossen Stücke welche auf der Ablage und im Becken verteilt lagen. Alle ihre eigene grösse und ihre eigenen Geschichte. Ihre eigene schönheit und ihre eigene grausamkeit. Die zitterten Finger huschten über die verschiedenen Teile. Meine Fingerspitze immer wieder eine Kante berührend. Ungeschliffen. So roh. So rein.

Die Finger umfassten ein grosses Teil. Die Form eines Regentropfens. So leicht. Ich führte es hoch. Blickte auf die spiegelnde Seite. Die blassgrünen Hüllen zurück blickend. Genau so zersplittert, wie der Spiegel. Ich liess den Blick vom kleinen Stückchen schweben, zurück auf die grosse zersplitterte Fläche. "Wer bist du?", die Stimme so rau und leise. Zerbrechlich.

"Wer bist du?"

Ich fand keine Antwort auf die Frage. Nichts. Sie lag unbeantwortet in der Luft.

Wie soll auch eine Antwort gefunden werden. Das ist als ob ich meinem Herz nachrennen soll, aber ich nicht weiss welchem dieser tausenden Stückchen ich folgen soll. Wie auch? Wer bist du? Ich weiss es nicht. Ich wusste es nie. Nie. Ich war immer nur die leere Hülle eines Mädchens. Ich war niemand.
Ich bin niemand.
NIEMAND!
Ich kann das nicht mehr, immer allen hinterher rennen, nur damit mein Herz immer und immer wieder in tausend und ein Stückchen zersprengt wird.

Ich kann nicht mehr...

Meine Form bückte sich runter. Die Hand erstreckte sich, nach einer Glasscherbe. Die Form eines Herzen; wie Ironisch. Mein ganzer Arm zitterte als sich meine Hand langsam zu meinem Hals bewegte; als ob ich selbst zu schwach war für diese jämmerliche Glasscherbe. Die Kante scharf. Lauft atmete ich aus. Aus reflex kneiften sich meine Augen zusammen ehe ich zuschnitt.

Was glaubt ihr passiert als nächstes?
Was woll ihr das passiert?

[2] Little Wolf • Liam DunbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt