Kapitel 9

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Etwas später als sonst wachte Octavian auf seiner Kammer auf.
Er hatte die letzten zwei Tage damit verbracht unter Anleitung seines Großvaters Militärtaktik und die groben Wesenszüge einer Legion zu lernen.
Diese wurden von Schwertübungen und den ersten Lektionen in Magie begleitet. Allerdings wird er erst heute tatsächlich Magie von selbst anwenden dürfen.
Sextus achtete streng darauf, wie sein Schützling die verschiedenen Übungen meisterte und dabei möglichst wenig eigene Körperkraft anwendete, sondern nur die des Geistes.
Glücklich schaute er auf die nackte Timänris hinab und stieg langsam und sacht aus seinem Bett heraus um sich zu waschen und anzukleiden.
Als er sich auf den Weg nach draußen machte, in den persönlichen Übungsplatz des ersten Fürsten, kam ihm Sextus bereits gut gelaunt entgegen.
"Es gibt gute Neuigkeiten, Junge. Die Truppen verzeichnen gute Vorstöße, deine Reise zögert sich weit genug hinaus, um dir mehr als nur die Grundlagen der Magie beizubringen. Wenn du dich allein auf das Training konzentrierst könnten wir eine Menge bereits vor deiner Abreise schaffen. Es bedeutet aber das die nächsten zwei Wochen kein Alkohol und keine Zerstreuung mehr auf dem Plan stehen. Ich brauche deine vollkommene geistige Aufmerksamkeit. Einen Fehler können wir uns nicht leisten, hast du verstanden."
Wenn auch widerwillig, nickte Octavian. Sextus grinste zufrieden.
"Gut, dann lass uns gleich beginnen.
Du siehst den Stein dort drüben? Lass ihn schweben."
Octavian schaute Sextus schief an und meinte:
"Aber du hast mir doch garnicht gezeigt wie."
Sextus fragte ihn belustigt:
"Muss ich das denn oder weißt du nicht selber wie man einen Stein hochhebt?"
Octavian ging zu dem Steinquader, der in etwa seine Größe hatte und hob ihn ein Stück an. Als er mit hochrotem Kopf den Stein wieder absetzte schüttelte Sextus nur den Kopf.
Langsam hob er eine Hand und zeigte auf den Stein. Der Stein bewegte sich erst langsam und rege, danach kam er langsam auf seine ausgestreckte Rechte zu.
Langsam ließ er den Stein wieder sinken und bedeutete Octavian es ihm gleichzutun.
Octavian versuchte es mehrfach den Stein durch seine Vorstellung hochzuheben, es klappte jedoch nie.
Nach zwei Stunden meinte Sextus kopfschüttelnd:
"Du darfst dich nicht darauf versteifen, dass es alles eine Sache der Vorstellungskraft ist. Nur wenig davon hat etwas mit Fantasie zutun. Alles kommt aus einer starken Verbindung zwischen Körper und Geist hervor. Versuche es nicht dir vorzustellen. Tu es einfach!"
Von dem neu Erfahrenen beflügelt versucht es Octavian erneut.
Dieses mal bewegte sich der Stein erst sehr zaghaft, schoß dann jedoch mit atemberaubender Geschwindigkeit hoch und auf ihn zu. Sextus riss die Augen auf und griff ein.
"Verdammt, doch nicht soviel Kraft! Der Einschlag könnte ganze Häuserreihen niedermachen!"
Der Stein stoppte abrupt ab und sank wieder zu Boden.
Octavian war von all dieser Kraft entsetzt.
"Warum gibt es nur so etwas Zerstörerisches? Es könnte den gesamten Kontinent zerstören, wenn es in die falschen Hände gelangt!"
"Da muss ich dir leider zustimmen, aber daran können wir nichts ändern. Momentan siehst du nur die schlechte Seite der Magie. Dabei ist es soviel mehr, als ein Werkzeug.
Die Magie ist ein Wesen, welches mit unseren Vorvätern einen Bund eingegangen ist. Das ist auch der Grund, weshalb nurnoch wenige über sie verfügen.
Es gibt kaum noch neue Familien, in denen diese 'Bunde' auftreten."
Ein paar Diener stellten einen kleinen Klapptisch mit einem Schachbrett, Getränken und Stühlen auf.
Sie setzten sich zusammen hin un Sextus begann versonnen über seine Zeit als Lehrling bei seinem Vater zu berichten.
"Weißt du, früher hatte ich genau die selben Zweifel wie du. Doch mein Vater hatte mir auch die schönen Seiten der Magie gezeigt, während du diese wohl vorerst nicht zu sehen bekommen wirst.
Die Magie kann so vieles, auch außerhalb des Schlachtfeld und ich verspreche dir, du wirst all das noch kennenlernen und zu schätzen wissen. Außerdem bist du viel zu jung um bereits jetzt daran zu zerbrechen!"
"Und was ist, wenn ich nicht für all das bereit bin? Was ist wenn ich vielleicht garnicht als Thronfolger geeignet bin?"
"Du wirst Octavian. Du weißt es vielleicht noch nicht, aber du bist bereits jetzt bereiter als man es von dir erwartet hätte.
Septimus wäre stolz auf dich."
Eine Weile saßen sie schweigend da und tranken vom Wein.
"Wie war er so?"
Sextus schluckte und wisperte:
"Er war perfekt. Der beste Sohn, den man sich wünschen kann. Er war eine treue Seele. Er war schlau, gerissen, seine Ideen waren wundervoll. Niemand hätte es jemals gewagt, seine Autorität in Frage zu stellen."
"Du hast ihn sehr geliebt?"
"Mehr als alles, mehr als mein Leben. Denn er war mein Leben!"
Langsam setzte Sextus sich auf und fragte lächelnd:
"Was meinst du, kannst du einen Erdwall erschaffen?"
Octavian grinste schelmisch zurück und sagte:
"Lass es uns herausfinden."

Etwa gegen Abend erreichte Rolf Gôln.
Die Stadt war das Herzstück von Alt- Xitar nachdem Xitar, die namensgebende Haupstadt des Imperiums, vollständig untergegangen war.
Er ritt im gestreckten Galopp die Hauptstraße entlang und wurde problemlos durchgelassen. Im Palast des Imperators, seiner ehemaligen Sommerresidenz, angelangt ging es schnellstmöglich zum Thronsaal. Dieser war eine finstere Kammer, welche kreisrund und nur durch wenige Laternen in den Nischen erhellt wurde.
Auf dem Thron in der Mitte des Kreises saß der Imperator, in eine stählerne Rüstung gehüllt, über dem Kopf die Kapuze mit der diamantenen Maske.
Sie sollte seine Züge vor ungewollten Besuchern verbergen und die Traumsicht auf ihn verhindern.
"Gibt es Neuigkeiten, Lord?", dröhnte die Grabesstimme des Imperators durch den Raum.
Rolf ließ sich auf beide Knie fallen und senkte den Blick.
"Mein Herr, der junge Octavian hat die Hauptstadt problemlos erreichen können. Eure Schwester geht jedoch eine Beziehung mit ihm ein. Es scheint beinahe so, als würde er sie durch Magie beeinflussen."
Die Faust des Imperators donnerte auf die eiserne Armlehne seines Throns und der Imperator setzte sich langsam und vorsichtig die Maske ab.
Troz dessen sah man aber sein Gesicht unter der Kapuze nicht.
"Verdammt wieso verstößt du gegen unseren Plan? Wieso verstößt sie gegen unseren Plan? Ich hoffe doch sehr, dass du nichts damit zutun hast?"
Rolf war froh, dem Imperator nicht in die Augen sehen zu müssen und sprach ruhig:
"So etwas würde ich niemals wagen, Herr. Es muss der Junge selbst sein."
Der Imperator stützte sich langsam hoch und fragte:
"Wie steht es um den Krieg? Ich hoffe doch, dass du dich darum weiter kümmern wirst und den Jungen für mich beobachtest."
Rückwärts bewegte sich Rolf vom Imperator fort und lief durch die Räume des einstigen Palastes, der nun eher wie eine Totengruft wirkte.
Er stieg leise die Treppen in die Katakomben hinab und hielt vor einer eisernen, mit Goldgravuren verzierten, Tür inne.
Vorsichtig öffnete er sie und setzte sich auf die Knie ab. Eine verbrannte Hand griff nach der seinen und eine tiefe, sonore Männerstimme fragte: "Ist es soweit?"
Rolf sprach vor Furcht zitternd:
"Mein Gebieter, ihr müsst euch noch etwas gedulden. Euer Sohn..."
Rolfs Stimme versagte, als der Mann seinen Hals zudrückte und ihn langsam zu sich zog.
"Dieses Ding da oben ist nicht länger mein Sohn. Er hat mich in diese vergessenen Kammern verbannt. Ich geistere hier schon seid Jahren herum und du hast es immernoch nicht geschafft ihn zu stürzen!"
Der alte Imperator stieß Rolf von sich und sagte verbittert:
"Wenigstens stehen die anderen Lords hinter dir. Durch sie kannst du das gesamte Militär von Alt- Xitar instrumentalisieren.
Ich gebe dir noch ein Jahr, bevor ICH ihn vernichten werde. Ich bin dieses Versteckspiel langsam leid!"

Ignius Band 1- Ritter und DämonenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt