Vahidin lief an einem warmen Sommertag, des Nachmittags vom Wald, in Richtung Zuhause, genauergesagt nach Blaubach. Blaubach war ein kleines Bauerndorf, welches am Gyfrildin lag. Der Gyfrildin war der längste Fluss in ganz Ignius und teilte den Kontinent in West- und Ost- Ignius. Im Westen lagen Neu- und Alt- Xitar sowie die Kalifate und einzelne Königreiche, welche einst zum xitarischen Imperium gehörten, dem ehemals größten Reich seit dem Himmelsfall. Im Osten allerdings befand sich das Ignia Imperia und die Wälder der Elfen und der Handelsbund. Weit im Norden auf der großen Halbinsel des Kontinents lagen die Gebirge der Zwerge und Drachen, welche sie sich, zu ihrer Unzufriedenheit, auch mit Orks teilen mussten.
Morgen sollte Vahidins großer Tag sein. Er würde endlich sechzehn sein und dürfte sich sein eigenes Geld verdienen. Dies würde ihn seinem Ziel, der Ausbildung zum Ritter und dem Beitritt zum Silberorden ein großes Stück näher bringen.
Während all der Schwärmerei vergaß er jedoch auf den Weg zu achten und stolperte über eine Schlingwurzel.
Mit dem Kopf voraus landete Vahidin in einer Pfütze, was seinen Enthusiasmus aber nicht schmälerte. Er würde es schaffen, daran glaubte er fest. Vahidin war ein recht kleiner Junge und schmaler als die meisten seiner Altersgenossen.
Dafür war er von allen mit Abstand der Schläuste.
Vahidin war außerdem seitdem er dreizehn geworden ist sehr viel beliebter unter den Mädchen als mach anderer von sich behaupten konnte. Seine durchdringenden meerblauen Augen wirkten geradezu magnetisch auf das weibliche Geschlecht. Allerdings war sein Interesse an diesem nicht sonderlich groß, was ihm schon den ein oder anderen bösen Blick eingehandelt hat. Nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, fuhr er sich durch das Haar um die letzten Reste an Staub aus dem Haar zu kämmen und lief die letzten Meter gut gelaunt weiter.
Er öffnete die Haustür möglichst leise, wurde aber bereits schallend von seiner Mutter begrüßt.
"Vahi, wo hast du dich schon wieder herumgetrieben? Der Schulvorsteher hat dich gegen Mittag in den Wald laufen sehen!"
Vahidin lief in die warme Küche und fand Tana beim Kartoffeln kochen vor. Sein Vater, Erich, saß auf einem der Stühle am Tisch und zog sich gerade wieder die Jagdweste an.
Er war Pelzjäger und versorgte ganz nebenbei seine Familie mit Fleisch und warmer Kleidung. Tana und Erich konnte man bereits mit wenigen Worten beschreiben. Warmherzig, klug, stolz.
Sie haben ihm beigebracht sich niemals hinter Ausreden zu verstecken und mit Stolz und Optimismus durchs Leben zu gehen. Leider funktionierte das nicht immer und Vahidin musste die ein oder anderen Schläge von den anderen Dorfjungen einstecken.
Doch das würde sich ändern.
Denn morgen würde er zu den Erwachsenen gehören.
Er könnte endlich eine eigene Existenz begründen, ein Haus bauen, eine Braut suchen, all die Dinge halt, die das Erwachsensein so mit sich bringt.
"Ich wollte nur nochmal- Ich wollte eine Figur für meine Sammlung schnitzen," gab Vahidin kurzgebunden von sich.
"Schon wieder einer deiner Ritter? Ach, ich habe dir doch schon so oft gesagt, das dein Traum niemals in Erfüllung gehen kann..."
"Ach lass ihm doch seine Träume!", schaltete Erich sich nun ein.
Vahidin war ihm sehr dankbar für diese Worte, entfernte sich aber so schnell es ging und stieg die Treppe hoch in sein Zimmer.
Dort blieb er dann auch für ein paar Stunden und schnitzte an seinem Holzritter, kam dann aber zum Essen wieder runter. Erich war leider noch nicht wieder Zuhause, weshalb Vahidin und Tana alleine essen mussten.
Schweigend aßen sie ihren Eintopf, als plötzlich ein Jagdhorn ertönte. Und noch eins. Erich kam ins Haus gestürmt und rief:
"Tana, Vahi, ihr müsst hier weg!" Ängstlich und vollkommen überrascht fragte Vahidin:
"Warum denn?"
Tana nahm ihn an der Hand sprach ihm beruhigend zu:
"Es ist alles gut, es sind nur ein paar Räuber, die die Jäger vor kurzem in den Wäldern entdeckt haben. Wir werden aber aus dem Dorf rausmüssen."
Kaum schlossen sie die Tür hinter sich hörten sie bereits die ersten Schreie.
Ein kleines Mädchen, etwa in Vahidins Alter lief mit seiner Mutter die Straße entlang. Da kam ein vermummter Reiter, in der Linken sein Schwert, in der Rechten einen großen, langgezogenen Schild und überrannte die Beiden mit seinem Pferd.
Lachend hackte er noch zweimal auf die Mutter ein und wendete sich dann zu ihnen.
Vahidin gefror das Blut in den Adern. So schnell ihn seine Füße tragen konnten rannte er hinter ihr Haus in Richtung Wald und hörte hinter sich einen Schrei und das Wiehern eines aufgeregten Pferdes. Noch ein dumpfer Schlag auf den Boden und es war für Vahidin nichts mehr außer dem Knistern der brennenden Häuser zu hören. Vahidin hielt nichts mehr, er fing an zu weinen.
Er heulte heiße Tränen, während er einen anderen Reiter auf sich zukommen sah.
Dieser trampelte ihn allerdings nicht nieder.
Etwa zehn Schritt vor ihm hielt er an, stieg vom Pferd ab und zog ganz beiläufig sein Schwert. Vahidin wollte laufen, hinter ihm hatte sich aber ein weiterer Räuber breitbeinig positioniert und drückte ihn an den Schultern runter.
Der Vermummte vor ihm kommt näher und holt zum Schlag auf Vahidins Nacken aus, welcher vom anderen Räuber heruntergedrückt wird. Dann packt ihn eine Eiseskälte, sein Verstand wird glasklar und er lässt sich fallen. Vahidin rollt unter den Beinen des Vermummten hindurch, zieht sein Messer und stürzt sich auf ihn.
Daraufhin trifft ihn etwas Hartes am Kopf und er fällt in Ohnmacht.Vahidin verspürt ein Brennen an seiner Schläfe als er wieder erwacht. Wie er feststellen musste hatte er nicht in seinem Zimmer geschlafen, sondern auf einer Liege in einem Zelt. "Kopfwunden sind die beschissensten Wunden", sagte ein Mann auf einem Hocker an seinem Fußende, "sie können noch so klein sein und Schmerzen trotzdem mehr als ein gebrochener Arm."
Der Mann war hochgewachsen und hatte schütteres, blondes Haar. Seine Augen wiesen ihn als jemanden aus, der bereits sehr viel rumgekommen sein musste.
"Ich heiße Rolf. Dein Dorf ist leider nicht mehr. Wir haben keine Überlebenden vorfinden können. Sie haben alles zerstört. Dürfte ich dich fragen wie du heißt?"
"Vahidin, i- ich heiße Vahidin", sagte Vahidin geschockt. Er hatte gehofft das zumindest die Meisten gerettet werden konnten.
"Woran kannst du dich denn noch von den letzten Tagen erinnern?", fragte Rolf sanft. Vahidin erzählte ihm alles was in den letzten Tagen passiert ist.
Es tat gut sich einfach mal alles von der Seele zu reden.
Bei seinen Erzählungen ließ er auch nicht seinen Geburtstag und seine Pläne für die Zukunft aus.
"Aber das werde ich nun wohl niemals erreichen", beendete er seine Erzählungen.
"Nun", begann Rolf,"Ich kann dir nur sagen, dass du deinen Träumen wohl näher bist als du dir erträumen könntest. Ich werde heute beim Großmeister ein gutes Wort für dich einlegen."
Dem Jungen fiel ein Stein vom Herzen.
"Bis später und Alles Gute zum Geburtstag Kleiner!"
Rolf verließ das Zelt.
Es war kaum ein Moment verstrichen, als Vahidin plötzlich das Verlangen verspürte sich zu übergeben.
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Ignius Band 1- Ritter und Dämonen
FantasyIgnius Band 1- Ritter und Dämonen / Auf dem Kontinent Ignius lebt der kleine Bauernjunge Vahidin, welcher sich einer harten Zukunft entgegensieht. Sein Heimatdorf wurde nach einem Angriff der Blutdämonen, den Lakaien des Imperators von Xitar zerstör...