Kapitel 3

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Es war etwa gegen Sonnenaufgang, als sich der Tross in Bewegung setzte.
Vahidin hatte von Richard da Ferrum, der Kommtur der Reitkünste, einen grauen Hengst namens Birion bekommen. Anfangs hatte er starke Probleme sein Pferd unter Kontrolle zu halten. Der frische Wind wehte ihnen von Osten entgegen, während sich die meisten angeregt über die Vorfälle der letzten Tage unterhielten. Cyril machte ein ziemlich ernstes Gesicht und wechselte nur wenige Worte mit seinem Stellvertreter Ulrich da Angram. Nach sechs Tagen stieß Rolf am Nachmittag zu ihnen, ein Lächeln auf den Lippen und erstattete Cyril Bericht. Danach wandte er sich grinsend an Vahidin und sprach: "Wie mir scheint hast du mein Angebot angenommen. Wie gefällt es dir denn als Knappe des Silberordens?"
Vahidin wusste garnicht so recht, was er sagen sollte.
"Nun, es ist einfach fabelhaft! Ich habe in den letzten Tagen eine Menge über das Ritterdasein gelernt, allerdings habe ich nicht die nötige Körpermasse für eine Plattenrüstung. Ich werde wohl vorerst darauf verzichten müssen."
Es folgte eine kleine Schweigeminute. Dann meinte Rolf etwas nachdenklich: "Hast du schon mit Falk darüber gesprochen?"
"Nein."
"Warum nicht?"
Das wusste Vahidin auch nicht so recht. Vielleicht war es ihm einfach nur zu peinlich.
"Du erinnerst mich an einen ehmaligen Kameraden von mir, Septimus war sein Name. Ein gutherziger Mann, aber nicht der Stärkste unter den Knappen. Er war auch so groß wie du, allerdings legte er bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr ein gutes Stück an Größe zu. Es sollte dir nicht peinlich sein."
Vahidin wurde rot. Wie konnte Rolf nur wissen, was gerade durch seinen Kopf ging?
"Danke, dass du mich aufzumuntern versuchst. Ich werde sobald wir da sind Falk um Unterricht bitten."
Rolf pustete los: "Unterricht? Von mir aus nenn' es so, uns hat es jedenfalls auch nicht geschadet."
Etwas verwirrt wollte Vahidin nochmal nachfragen, was es damit auf sich hat, aber Rolf ritt schon vor zu Falk und gab Vahidin zu verstehen, dass er ihm folgen sollte. Falk war groß. Das war auch schon das Einzige, was man über ihn sagen konnte, abgesehen von seinem Legionschnitt und den eiskalten grauen Augen, welche Vahidin und Rolf aufmerksam musterten.
Dann realisierte er wer da gerade auf ihn zukam und begrüßte sie verdutzt: "Rolf, verdammt ich dachte du wärst erst in einer Woche bei uns! Du schuldest mir noch eine Runde, aber das kann warten. Und wer ist der Junge neben dir?"
Vahidin wollte den Mund öffnen, aber Rolf bedeutete ihm zu schweigen.
"Der Junge ist Vahidin da Lorzam, mein Ziehsohn. Er würde gerne von dir unterrichtet werden, wie du es einst bei mir und Septimus getan hast."
Falk musterte Vahidin von oben bis unten und meinte dann: "Keine einfachen Startvorraussetzungen, allerdings besser als damals bei dir Rolf."
Rolf stieß ihm in die Rippen, stellte aber fluchend fest, dass Falk mit seinen fünfzig Jahren nichts an Reaktionsgeschwindigkeit eingebüßt hatte. Als Rolf fast vom Pferd kippte, konnte Falk ihn gerade noch halten und hievte ihn wieder auf den Sattel. Die gesamte Kolonne lachte über das kleine Schauspiel der beiden Freunde. Falk reichte Vahidin die Hand und sprach: "Willkommen im Silberorden, Knappe. Wenn du es willst werde ich dich gerne 'unterrichten'. Wir sollten bald deine neue Heimat, Burg Löwenstein erreichen."
Und Falk sollte Recht behalten. Burg Löwenstein wirkte weniger wie eine traditionelle Ritterburg, mehr wie eine kleine Festungsstadt.
Sie ist während der Zeit des xitarischen Imperiums erbaut worden, um die Bevölkerung des Silberorden- Gebiets vor den Invasoren zu schützen.
Die Burg besaß aufgrund ihrer niedrigen Lage vier Mauerringe und wurde auf der Rückseite von einem großen Fluss geschützt. Der für ihn relevanteste Teil war allerdings der zweite Ring, in welchem sich die Trainingsgelände und Unterkünfte der Ritterschule befanden. Der erste Ring war eigentlich garkein richtiger Mauerteil, er gehörte vielmehr zum Innenhof der eigentlichen Kernburg und war Sitz des Großmeister des Silberordens. Vahidin fragte an Rolf gewandt: "Ich weiß ja, das man auf Pferden sehr schnell unterwegs ist, aber wie können wir in zwei Wochen einen Großteil des Kontinents hinter uns gelassen haben?"
Rolf nickte und gab verständnisvoll zu: "Eine Fähigkeit der Straßen, welche die Könige und hohen Fürsten erbaut haben ist es denen, die sie benutzen, ein beinahe unerschöpfliches Reservoir an Energie zu geben und strecken durch Magie schneller hintersich zu bringen. Sehr nützlich im Falle einer Verteidigung, wurde aber häufig genug von unseren Feinden ausgenutzt."
Das gab Vahidin erstmal genug zum Nachdenken.
Es war etwa gegen Abend und die Sonne stand schon tief, als sie endlich die Tore der Burg passierten. Sie wurden unter dem Jubel der Besatzungsmanschaften empfangen und bezogen nach einem opulenten Festessen endlich ihre Quartiere. Vahidins Kammer war im Gegensatz zu seinem Zimmer in Blaubach mit Eänden aus Steinziegeln und einem Holzboden gebaut worden. Er hatte ein großes Federbett und Waffenständer in seinem Zimmer stehen, sowie Schränke für Kleidung und allerlei anderen Kram. Als er sich gerade schlafen legen wollte, klopfte nochmal Rolf an und fragte ihn ob es an irgendetwas fehlte.
"Naja, eigentlich bräuchte ich ein paar Wechselklamotten, ansonsten ist aber alles ausgezeichnet", meinte Vahidin nach kurzem nachdenken. Rolf meinte lachend: "Ja, Cyril hatte noch nie halbe Sachen gemacht, selbst beim Burgbau hatte er an alles gedacht."

Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht ging es für Vahidin zum Morgengrauen auf den Hof, wo bereits Falk auf ihn wartete. Etwas verschlafen kam Vahidin auf ihn zugelaufen und Falk sagte knapp: "Frühaufsteher bist du wohl nicht, sonst würdest du nicht so aussehen. Komm mit!"
Falk stellte ihn seinen anderen Schülern vor, welche allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, nicht sehr erfreut über den neuen Mitschüler waren. Als erstes ließ Falk sie über den Turnierplatz hetzen, wo sich die Jungen nach zehn Runden schweißgebadet und noch immer vollkommen außer Atem aufreihten. Danach liefen sie zu einem Übungsfeld auf dem sie ihre Geschicklichkeit im Hindernislauf unter Beweis stellen sollten.
Neben Vahidin waren nur zwei kleine Knappen, welche ihrer Statur und Hautfarbe nach aus den nördlichen Regionen von Andranov kommen mussten. Danach folgten Kraftübungen wie Speerwurf, Steine schleppen und weitere Ausdauerübungen welche sie Muskelkater in Muskeln leiden ließen, deren Existenz ihnen vorher garnicht bewusst war.

So ging es zwei Monate weiter, in denen Vahidin ein gutes Stück wuchs und bald weniger von den Übungen beansprucht wurde, sodass er nichtmehr abends in sein Bett kippte und sofort einschlief. Während all der Zeit gab es unter Falks Aufsicht immer häufiger Schwertübungen und Übungen mit anderen Waffen, welche all das durch die anderen Übungen entstandene Körpergeschick erforderten, welches sich die Jungen nur abverlangen konnten. Bald sollte ihm eine Plattenrüstung passen, was besonders seinem Stiefvater Rolf gefiel.Dieser hoffte nähmlich Vahidin nächstes Jahr mit auf einen seiner Ausflüge nach Lorzam mitnehmen zu können.
Momentan hatten sie dort aber auch mit weiteren Einfällen der Blutdämonen zu kämpfen, der erste Fürst wurde allerdings bereits darüber informiert.
Leider, so meinte Cyril, werden seine Kräfte noch andernorts benötigt und seine Legionen sind durch einen sich auftürmenden Bürgerkrieg gegen zwei aufstrebende Fürsten gebunden.
Aber das soll nicht meine Sorge sein, dachte sich Vahidin.
Vorerst.

Ignius Band 1- Ritter und DämonenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt