2||Krähen, so machtbesessen wie der Egoismus des Einzelnen

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Das Gras ist trocken, als ich mit der Hand durchstreiche. Trocken und hart. Ein erdrückendes Gefühl engt meinen schmalen Brustkorb zusammen. Ich höre meinen Namen rufen, wende mein Gesicht der lieblosen Sonne weg und blicke zur Person, die nicht weit weg steht. Sie signalisiert
mir reinzukommen.

🌑🌑🌑

„Hallo Vater!"

„ Hallo Töchterchen" Er sitzt am Esstisch und liest irgendein altes Buch. Bei meiner Stimme stellt er das Buch zur Seite und zieht die kleine Brille aus.

„ Du hast mich gerufen?"

„ In der Tat. Deine Mutter und ich haben nachgedacht über den Vorschlag des jungen Mannes, dem du grundlos abgelehnt hast." Er legt eine Pause ein und ich horche auf. Nein.

„ Wir haben uns entschieden, dass er der Richtige ist."

"Nein, Vater. Bitte nicht. Ich will ihn nicht. Bitte."

„Mädchen, Entscheidungen zu treffen, liegt nicht in deinem Wesen!"

" Ich weiß, dass er nicht der Richtige ist", bettele ich.

Mutter betritt das Zimmer mit einem dämpfenden Topf in der Hand. 

„Mutter, wieso tust du es mir es an?"   Tränen steigen auf. Senkende Blicke ihrerseits.
Er steht auf und klatscht auf den Tisch.

„ Ich sage, wie es zu laufen hat. Heute wird er noch benachrichtigt, dich kriegen zu dürfen."

„ Ich... Ich werde es nicht tun."
Meine Stimme, zittrig und leise.

„Nein, Vater, VERDAMMT, ICH ENTSCHEIDE. Ich werde es nicht tun!"
Mein Stimme, zischend und laut; leidend, immer das Objekt zu sein; schockiert über meinen Widerspruch.

Seine Blicke durchlöchern mich. Mit einer Ruhe, die ein Mensch doch eigentlich nur im Schlaf erfasst, greift er mit der Hand zu einem dicken, angefertigten Stock. Mein Mund aus Fassungslosigkeit geschlossen. Und dann spüre ich es. Spüre es an Leib und Seele. 

Eins,

Zwei,

Drei, oder waren das doch nicht fünf?

Tränen verbrennen meine Haut und der ausgeübte Druck öffnet meinen Mund nicht für Proteste, sondern nur für hilflose, erstickende Schreie, die die peitschenden Geräusche übertönen.

Und da sehe ich ihn. Ganz kurz fliegt er mit seinem schwarzen Fiedergewand an mir vorbei. Zuerst ist es nur eine, dann noch einer, wieder einer.
Und als ich wieder aufschreie von der entstandenen Schiere an meinem nackten Rücken, werfe ich meinen Kopf in den Nacken und sehe sie. Die Krähen. Sie umkreisen nur mich in der Luft. Nicht Vater oder Mutter. Nur mich und  meine Gedanken. Denn das, was ich denke, will selbst ich nicht näher ergründen. Aber vor allem nicht verstehen.

Das versteckte GedankengutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt