10||||||||||Krähen, so verräterisch wie die Schlange im Paradies

12 3 0
                                    

Meine nackten Füße, mein zerrissenes Kleid und meine vertränten Augen sind der Grund, warum ich nicht so schnell vorankomme. Ich husche durch die dunkeln Gänge, kenne den Ausgang aber nicht. Keuchend bleibe ich stehen und wische mir die Tränen weg. Ich fühle mich leer und erschöpft; kann mein Gefühl im Bauch nicht beschreiben. Plötzlich fliegt ein Schwarm an Krähen an mir vorbei. Der Luftzug und die Federn, die mich streifen, lassen mich aufschreien und mich zu Boden werfen. Ihr Geruch hängt mir in der Nase. Fäulnis. Schluchzend stehe ich wieder auf und verkneife mir ein immer wieder auftretendes Aufkeuchen. Ich kenne mich hier nicht aus. Bin im fremden Gebiet. Fremder, als ich mir selbst sein kann. Deshalb folge ich den Krähen. Ich weiß nicht, was mich dazu veranlasste, stolpernd und zitternd den Krähen hinterherzulaufen, vor denen ich mich die ganzen Tagen, vielleicht auch Wochen versteckend im Kerker auf der anderen Seiten zurückzog. Vielleicht liegt es auch einfach an der Tatsache, dass sie heute vor mir flogen, vor mir und nicht über mich. Still und angsteinflößend. Die Krähen flattern heftig vor mir weg und ich laufe hinterher. Meine nackten Füße sammeln Staub und Ruß auf, meine Hände fast fehlend zu den Krähen ausgestreckt, in der Hoffnung, dass sie mich anpacken und mit mir wegfliegen.  Mein Feind ein Freund. Immer wieder schaue ich hinter mir zurück, meine Flucht hat man nicht bemerkt und trotzdem  fange ich an, noch schneller zu laufen. Nach paar Abbiegungen und leeren Gängen landen die Krähen auf den Boden. Sicherheitshalber stehe ich mehrere Meter von Ihnen entfernt, beobachte, wie sie ihre Hälse recken und ihre Flügel strecken. Schweigend folge ich Ihnen, als sie in ein Raum einbiegen. Als ich vor den Raum stehe, sehe ich leuchtende Kerben die Wand verschimmeln. Sie stammen nicht von mir, sondern von ihnen. Und dann falle ich auf die Knie, stützte meinen Kopf auf meine Hände und weine.Nicht vor Angst, sondern vor Trauer, vor Wut, vor deren Verrat. Und merke mir: Aus einem Feind wird niemals ein Freund. Niemals. Doch manchmal lernen wir einfach zu spät. Viel zu spät.

Das versteckte GedankengutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt