Ich wache auf. Doch nicht durch meinen Wecker wie sonst. Die Sonne scheint mir mitten ins Gesicht. Ich schaue entgeistert auf meinen Wecker. Es ist 8:30. Verdammt ich habe verschlafen. Ich springe auf und mache mich in Rekordgeschchwindigkeit fertig. Ich ziehe mir meine schwarzen Sachen an, nehme mir ein Brötchen und sprinte aus dem Haus Richtung Schule. Natürlich genau an dem Tag, wo die wichtigste Deutscharbeit des Jahres geschrieben wird, komme ich zu spät. Es ist unsere Abschlussarbeit. Sie bestimmt 1/4 unserer Endnote. Na toll. Ich renne über den Bürgersteig und pralle prompt in eine andere Person. Kurz darauf liegen wir beide am Boden. Ich murmle eine Entschuldigung und renne schon weiter. Es hat schon lange zur Stunde geklingelt als ich endlich ins Schulhaus gestürzt komme und an mein Klassenraum klopfe. "Ahhh, das Fräulein Lux, schön, das sie sich auch aus ihren Bett bequemt haben und uns mit ihrer Anwesenheit bereichern"Autsch, das tat mir jetzt aber weh... "Sie sind ganze 24 Minuten zu spät. Setzten sie sich leise hin, nehmen sich ihre Arbeit und fangen sie an. Ich sammle pünktlich zum Ende der Stunde ein."Verdammt. Naja wenigstens keine 0 Punkte. Ich setzte mich sofort und hohle die Aufgabenstellung zu mir.
"Erörtern sie über den Sinn des Lebens. Wo hätten sie, wenn sie die Chance erhalten würden, etwas zu ändern, dies getan und welche Probleme lassen sich daraus ableiten? "
Ist das deren Ernst? Soll ich jetzt wirklich mein ganzes beschissenes Leben hier vor mir auf das Blatt kotzen? Da schreibe ich jetzt ernsthaft die wichtigste Deutscharbeit über mein Innerstes und über meine Schwester Hope.'OK dann fang ich mal an.
"Wir alle kämpfen mit irgendetwas. Irgendetwas, das uns bewegt. Es kann uns bremsen oder beschleunigen. Es kann uns weiterbringen oder zurückwerfen. Bei jedem ist das anders. Jeder empfindet es anders. Jeder nimmt es auf seine ganz eigene Weise wahr. Doch was tut man, wenn die beschleunigende Kraft die selbe ist, die einen bremst. Was ist, wenn man das Gefühl hat, auf der Stelle zu stehen und nicht voran zu kommen? Was ist wenn man keinen Sinn mehr sieht und trotzdem nicht aufgeben darf. Nicht aufgeben kann? Wenn man gezwungen ist, zu kämpfen, obwohl man nicht einmal weiß, wie kämpfen geht. Wenn man jeden Tag merkt, dass der Gegner viel zu mächtig ist, als dass man ihn je besiegen könnte. Und trotzdem kämpft man weiter.
Ich kämpfe weiter. Jeden Tag gegen den selben Feind. Mich selbst.
An einem Mittwoch vor 5 1/2 Jahren, um genau zu sein, es war der 13.04. , ist meine Halbschwester bei einem Autounfall umgekommen. Sie war mit ihrem Vater, also meinem Stiefvater auf der Autobahn unterwegs, als dieser von der Straße abgekommen ist. Beide starben noch am Unfallort.
Wenn ich eine Sache in meinem Leben rückgängig machen könnte, wäre es der völlig nutzlose Tod meiner Schwester. Ich hätte eigentlich anstatt ihr im Auto sitzen müssen. Und nicht sie. Seit ihrem Tod mache ich mir jeden Tag Vorwürfe, das sie gestorben ist und nicht ich. Ich würde freiwillig mein Leben opfern, damit sie wieder leben könnte. Sie musste sterben, weil ich an dem Tag zu stur war, in sein Auto einzusteigen und zu dieser blöden Holzfäller-Messe in Thüringen zu fahren. Deshalb nahm er meine Schwester mit. Und nicht mich. Ich wünschte, sie würde noch leben. Seit diesem Tag komme ich mit mir nicht mehr klar. Aber ich würde es nicht für mich ändern, nein ich würde es für Hope ändern, da sie etwas besseres verdient hätte als den Tod. Als das pure nichts.
Ein nichts, dass ich mir seit Jahre wünsche, es aber nie erreichen kann. Wenn das Leben zur Qual wird, aber man dennoch nicht gehen darf. Wenn eine Flucht nicht möglich ist, bleibt nur noch das bloße kämpfen. Die frage ist nur, wofür. Wenn man alles verloren hat, das einem wichtig war, wofür kämpft man dann eigentlich?
Mein Kampf, ist ein Kampf gegen mich selber. Verlieren darf ich ihn nicht. Ich darf den Tod von Hope nicht nutzlos werden lassen. Ich werde jeden Morgen wieder aufstehen und nur für sie Leben. Leider kann ich ihren Tod nicht rückgängig machen.
Nichts besiegt den Tod, außer der Tod selbst. "
Scheiße. Das Klingeln riss mich aus meiner Arbeit. Fertig war ich natürlich Tränen in den Augen, muss ich das Blatt an Herrn Sommer übergeben und natürlich weine ich nicht wegen der Zeit. Die ganzen an damals, lassen mich schwach werden und meine Fassade bröckelt für diesen Moment. Die Pause verbringe ich wie immer an meinem Stammplatz ganz alleine. Ich denke immer noch an Hope. Irgendwann, also wenn ich 18 bin,lass ich mir ein Tattoo mit HOPE auf meinen Unterarm stechen. Direkt über die Narben an den Adern. Ich vermisse sie so sehr. Ein Läuten verkündet das Ende der Pause, weshalb ich mich nun in den Chemieunterricht setzte. Chemie ist langweilig! Irgendwelche blöden Atome gehen Verbindungen zu anderen blöden Atomen ein und machen dabei tolle Sachen. Das einzige was mir immer Spaß gemacht hat, waren die Verbrennungen. Nur leider kommen die zur Zeit nicht mehr dran, weshalb ich die Lust an diesem Fach komplett verloren habe. Die Stunde verläuft im Schneckentempo und ich passe gar nicht mehr auf. Als es dann endlich klingelt, bin ich sogar die Letzte, die den Raum verlässt, weil ich fast eingeschlafen wäre. Da die nächste Stunde ausfällt, mache ich mich auf den Weg nach Hause. Beim Dönermann meines Vertrauens, kaufe ich mir einen Döner und esse ihn beim gehen. Die Sonne scheint auf Hochtouren und zum erstem mal diese Woche verfluche ich meine schwarzen Anziehsachen. Mir ist kochend heiß. Aber ausziehen kann und will ich mich nicht. Ich werde mich morgen mal nicht ganz in schwarz kleiden. Ich finde bestimmt auch noch etwas graues bei mir im Schrank. Oder eine Strumpfhose mit Rock... die gibt es ja in schwarz-durchscheinend das ist bestimmt nicht ganz so warm.
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Schwarz wie die Nacht
General FictionMein Ich ist ein bloßer Scherbenhaufen, eine Ansammlung verkrüppelter Einzelteile über einer schwarzen zerstückelten Seele, ein Nichts. Ich trete vor meinen Schrank der überquoll vor farbenfrohen Anziehsachen: Röcke, Hosen, T-Shirts und Jacken. Doch...