Kapitel 1

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Ich griff nach meinem grauen Cardigan und zog ihn über. Falls es doch noch kälter werden sollte. Es ist zwar Sommer und ich bezweifelte, dass ich erfrieren würde, aber man weiß ja nie. Schnell schlüpfte ich in meine roten und blauen Converse. Nein, sie waren nicht einfarbig. Ja,ich trug zwei verschieden farbige Schuhe. Und nein, ich war nicht Farbenblind. 

Ich griff nach meinem Rucksack und lief die Treppen runter. Na gut, ich stolperte.Unten erwartete mich meine Mutter bereits.

»Beeile dich,Liebes. Du bist spät dran, das macht keinen guten Eindruck.«

»Fährst du mich?«,fragte ich sie.

Sie lächelte mich an und nahm ihre Autoschlüssel.

Ich wartete noch,bis sie den letzten Schluck aus ihrem Kaffee trank und sich anzog.Wir gingen aus dem Haus, zehn Minuten später, als eigentlich geplant war.

Als wir in das Auto eingestiegen sind, fing ich an nervös zu werden. Meine Mum startete den Motor und fuhr los. Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Bist du aufgeregt, Schatz?«

Ich kaute auf meiner Unterlippe. »Ein wenig.«

»Sei einfach du selbst.« Genau davor hatte ich Angst.

Ich hatte das Gefühl, die Ampeln wurden mit Absicht rot, sobald sie uns sahen.Wollte das Schicksal etwa, dass ich an meinem ersten Schultag zu spät komme?

Als wir ankamen,hatte ich das Gefühl, ich würde gleich tot umfallen. Mir war kotzübel, mein Bauch tat weh und ich begann zu schwitzen. Dass die Schule verdammt groß war, machte es nicht besser. Große Schule hieß, viele Schüler. Viele Schüler hieß, mehr Leute, die mich nicht mögen. Mehr Leute, die mich nicht mögen, hieß - »Cass?« Mum wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht. »Alles okay? Du bist auf einmal so blass geworden.«

»Alles okay, Mum.«,log ich sie an.

Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und stieg aus dem Auto. Sie nickte mir ermutigend zu und ich lächelte.

Ich atmete tief ein und dann wieder aus. Okay, Cass. Neue Schule, neues Leben. Bist du bereit?

Jede Zelle meines Körpers schrie Nein, aber ein Hupen ließ mich an Mum denken.Ihr zu Liebe. Als ich mich umdrehte, war Mum immer noch da und lächelte mich an. Ich lächelte zurück und fing an zu laufen. Je näher ich dem Gebäude kam, desto schlechter wurde mir. Vielleicht musste ich gar nicht in die Schule. Ich könnte auch einfach eine Ausbildung als Müllfrau anfangen. Hatte mal gehört, die sollen gar nicht so schlecht verdienen.

Ich lief in das Schulgebäude. Ich wusste, wo ich hin musste, da ich in den Sommerferien schon hier war. Die Direktorin erschien mir damals nett.Jetzt, im Augenblick, hasste ich diese Schule, mit allen Menschen hier drinnen. Ich lief zügig die Treppen hoch, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Innerlich betete ich zum nicht existierenden Gott,dass ich nicht zu spät zum Unterricht kommen würde. Zwei Sekunden später klingelte es.

Scheiße.

Ich rannte durch den Flur, bis an das Ende, zum Raum 113. Mein jetziger Klassenraum.Einen Moment zögerte ich, klopfte dann aber doch an und hörte eine tiefe Stimme »Herein« rufen. Ich öffnete die Tür und lief in den Raum. Alle Blicke lagen auf mir. Konnten die nicht aufhören so zu glotzen, als wäre ich die neuste Attraktion im Zoo?

»Ah, da ist sie ja.Unsere neue Schülerin -« ,er nahm ein Papier in die Hand, richtete seine Brille und las meinen Namen vor, »Cassandra Whitley?« Er sah mich fragend an.

»Nennen Sie mich bitte Cass.« ,sagte ich.

Der alte Mann nickte. »Ich bin Herr Fittig. Willkommen in der 10b. Ich hoffe du lebst dich schnell ein. Falls irgendwelche Probleme auftreten sollten, kannst du selbstverständlich auf mich zukommen.«

CassandraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt