Der Kampf

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 ALEXIS

Ich hörte wieder diese seltsame, nervtötendes Piepsen.  Wegen diesem konnte ich kein anderes Geräusch erkennen. Ich hatte Kopfschmerzen. Es war ein schmerzhaftes Pulsieren und Pochen in meinem Kopf. Plötzlich sah ich eine Frau neben meinem Bett. Sie fragte etwas, doch ich konnte sie nicht hören. Sie verschwand ebenso schnell wieder, wie sie erschienen war. Ich wollte ihr hinterher rufen, doch mein Mund war so trocken, dass meine Zunge an meinem Gaumen festklebte und ich kein Wort hervorbringen konnte. Ich fühlte mich so schwach und so und hilflos. Plötzlich sah ich wieder zwei Menschen, die sich mit besorgten Gesichtern zu mir rüber beugten. Einer von denen war mein behandelnder Arzt. Die Krankenschwester war die zweite Person und beugte sich zu einem Gerät, machte etwas und schon war nerviges Piepsen weg. Ich seufzte erleichtert, jetzt konnte ich wieder klarer denken, obwohl alles  keinen Sinn hatte. Ich hatte sowieso keinen Gedanken und fast keine einzige Erinnerung im Kopf. Nur Fragen und ein Gefühlschaos.

>>Wie fühlen sie sich heute ?<<, fragte mich die Krankenschwester. >>Sie hatten heute früh schon Besuch von ihrer Freundin. Haben Sie nichts gehört oder mitbekommen?<<, ergänzte die Krankenschwester ihre Frage.

Tausende Gedanken strömten mir durch den Kopf. Freundin ? Besuch ? Gehört ?

Ich öffnete meinen Mund und schloss diesen wieder. Die Frau gab mir ein Glas Wasser und ließ mich einen Schluck zu machen. Dann nahm sie das Glas weg, ich gab sofort ein protestierendes Gemurmel von mir. Ich wollte noch mehr trinken. Doch sie schüttelte mit dem Kopf und lächelte mich an.

>>Sie dürfen noch nicht so viel trinken!<<
, sagte der Arzt der mich immer noch Beobachtete.

Da ich immer noch nicht sprechen konnte, nickte ich einfach und schloss meine Augen wieder.

Etwas später als ich wieder aufwachte, fühlte mich ein bisschen besser. Die Kopfschmerzen waren immer noch sehr stark, dieser merkwürdige, metallische Geschmack im Mund war verschwunden. Ich konnte mich auch schon ein bisschen besser bewegen. Ich fühlte mich immer noch sehr schwach und extrem müde, obwohl ich aus einem Schlaf aufwachte. Jetzt konnte ich mich auch ein bisschen an etwas erinnern.

Ich wusste, dass mein Name Alexis war. Vor dem langen Schlafen waren zwei Frauen in meinen Zimmer, die mich kannten. Sie kannten mich sogar sehr gut. Aber ich wusste nicht, wer sie waren. Der Arzt erzählte mir was von einer Partnerin, was mich total durcheinander brachte. Ich konnte mich immer noch an vielen Sachen aus meinem alten Leben nicht erinnern. Da mein ganzer Körper so sehr schmerzte und unglaublich wehtat, wusste ich, dass ich einen Unfall hatte. Vielleicht stand ich unter starkem Schock oder hatte Gehirnerschütterungen, dadurch dieser komplette Verlust des Gedächtnisses.

Aber noch so viele Fragen schwirrten in meinem Kopf. Wo hatte ich diesen Unfall? War noch jemand verletzt? Oder sogar durch diesen Unfall ums Leben gekommen? War ich schuldig? Wo ist meine Familie? Wie lange bin ich hier? Hatte ich eine Beziehung?

Ich konnte nicht antworten, weil ich plötzlich fühlte, dass ich nicht mehr allein im Zimmer war. Ich hatte nicht bekommen das jemand das Zimmer betreten hatte. Ich sah einen Mann, der ziemlich attraktiv und groß war. Ich erkannte ihn nicht, aber es wunderte mich nicht. Vor ein paar Stunden konnte ich mich sogar an mich selbst nicht richtig erinnern.

>> Oh mein Gott, du bist ja wirklich aufgewacht<<
, sagte der Fremde froh und erleichtert, als er merkte, dass ich wach war. Er kam zu mir, nahm meine Hand in seine und drückte sie. Ich konnte ihn vielleicht nicht erkennen, aber ich erinnerte mich plötzlich an diese Stimme. Früher hatte sie mir immer ein Gefühl der Sicherheit gegeben.

Ich lächelte leicht.

>>Der Doktor sagte, du kannst dich an gar nichts erinnern !<<, sagte er mit einer sanften Stimme.

Ich nickte nur.

>>Dann muss ich mich also wieder vorstellen wie früher!<<, erklärte er.

>>Wie früher?<<

Er sagte mit einem Lächeln, >>Ich heiße Franz von Seeberg, arbeite bei einer Bank und lebe mit dir in Hamburg. Seit zwei Jahren bin ich dein Verlobter<<,erklärte er mir.

Meine Augen weiteten sich mit jedem gesagten Wort. Ich sah ihn ungläubig und überrascht an. Er war mein Verlobter?

Wieso fühlte ich mich dann ein bisschen enttäuscht?

Wer aber waren dann die Frauen von Gestern? Tausende Informationen und Fragen strömten auf mich ein. Musste ich mich freuen, dass ich einen Verlobten hatte, der ziemlich nett war und sich wirklich Sorge um mich machte. Konnte ich dieser Person vertrauen?

Ich musste schlafen. Dann würde ich mich wieder gut fühlen und diesen Mann über alles ausfragen. Wenn nicht er, wer sonst konnte
mir alles über mich erzählen? Wir waren doch seit einigen Jahren
zusammen.

Deswegen drückte ich leicht seine Hand und sagte, dass
ich schlafen wollte. Ich hörte nicht, was er darauf antwortete,
ich war schon wieder eingeschlafen.


KATRIN


Es war ein guter Tag gewesen. Die Sonne schien  und ich war richtig motiviert gewesen und hatte auf Arbeit viel Erledigen können. Nun war ich wieder auf den Weg zu Alexis in die Klinik. Meine Gedanken kreisten sich um das Musikstück, was ich ihr am morgen vorgespielt hatte. Sie musste etwas erkannt haben, da sie den Namen Andy mehrmals erwähnte.

Ich klopfte an die Tür und betrat das Zimmer.

Meine Augen weiteten sich und ich blieb einfach mit dem offenen Mund dort stehen. Was ich da sah schockierte mich total. Ich hatte das Gefühl einen Albtraum zu erleben.

Franz saß am Bettende und hielt Alexis Hand in seiner.
>>Franz!<<, sagte ich kalt.

>>Katrin<<, grüßte er mich genauso kalt und feindselig.

>>Alexis, wie geht es dir? Wie fühlst du dich?<<, ich konnte mit Fragen einfach nicht aufhören. Ich wollte alles wissen. Auch wollte ich wissen, was Franz hier machte. Aber diese Frage konnte warten. Alexis, Wohl und Gesundheit waren mir am wichtigsten. Obwohl ich zugeben musste, mir war es einfach sehr unangenehm, diesen Typen hier zu sehen. Besonders gefiel mir nicht, wie er mit meiner Alexis Händchen haltend am Bett saß.

Dann kam, aber eine Frage, die mir wieder mitten ins Herz traf. >>Franz, wer ist das?<<, fragte Alexis verwirrt und nickte in meiner Richtung.

Die Tatsache, dass sie sich an mich nicht mehr erinnern konnte, tat schon unglaublich weh. Das brach mir schon das Herz. Ich hatte alles erwartet und mich auf vieles vorbereitet. Aber, dass sie mich nicht erkennen würde und nur an Franz sich erinnerte, damit hatte ich nicht gerechnet.

Woher kam der Typ so plötzlich. Was war das? Eine Ironie des Schicksals? Hatte Alexis eine besondere wählerische Amnesie? Hatte sie mich etwa aus ihrem Gedächtnis einfach gestrichen? Hat sie unsere gemeinsame Zeit vergraben, fort- oder sogar weggewischt? Ich war so verletzt, so verwirrt und so unsicher. Ich hatte keine Zweifel, dass Franz unbedingt versuchen würde aus dieser Situation einen Vorteil zu ziehen.

Ich war mir sicher, dass er nichts Gutes über mich erzählen würde. Er hasste mich, das war klar. Er wollte Rache nehmen und er würde sich an mich richtig rächen wollen. Mit dieser Situation im Zimmer fing die ganze Sache schon an.

Alle diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich meine Augen immer noch geschlossen hielt. Das waren nur wenige Sekunden, die mir aber wie eine halbe Ewigkeit vorkamen. Eine Träne bahnte sich den Weg über mein Gesicht und lief langsam an meiner Wange herunter. Ich wischte sie sofort weg.

Ich öffnete wieder meine Augen. Die Zeit schien still zu stehen. Kein Geräusch existierte nun mehr, es schien, als würde nichts mehr eine Bedeutung haben, außer dieser Blickkontakt mit Alexis in diesem Moment. Sie konnte sich vielleicht an mich nicht mehr erinnern, aber sie konnte mich fühlen. Sie konnte auch diese Magie, diese Zauberei und diese Harmonie zwischen uns spüren. Ich wusste es und ich hoffte es. Ich hatte wieder die Hoffnung. Hoffnung weiter mit Alexis zusammen zu sein, sie zu lieben, sie zu umarmen und einfach Teil ihres Lebens zu sein. Sogar den triumphierenden Basiliskenblick von Franz konnte diese Hoffnung mir nicht nehmen.

>>Schatz, das ist eine Freundin, mit der du zusammenarbeitest!<<
, erklärte Franz Alexis auf die Frage, wer ich sei.

Ich war einfach von seiner Fähigkeit zu lügen verblüfft aber nicht verwundert. Er brachte seine Lüge so überzeugend, dass sogar ich an Alexis stelle ohne Überlegen daran glauben würde. Ich wusste, dass ich diese Schlacht  verloren hatte, aber nicht den Krieg. Er wollte Krieg?

Den wird er bekommen. Wir werde den Krieg gewinnen! Koste es, was es wolle. Jetzt ergab es kein Sinn mit Franz zu streiten. Alexis war sehr schwach um die ganze Wahrheit zu erfahren. Ich musste abwarten, egal, wie schwer es mir fallen würde. Ich wollte nicht im ungünstigen Licht stehen. Ich musste geduldig und vorsichtig sein.

Franz war sehr clever. Er schien immer noch zu kämpfen und er hatte nichts mehr zu verlieren. Er war noch gefährlicher und gewaltbereiter als zuvor. Für den Sieg gegen mich war ihm nichts zu schade. Ich wusste, dass er mich liebend gern in der Luft zerreißen würde, statt mit mir Süßholz zu raspeln. Aber er wollte auch Alexis Vertrauen gewinnen.


Danke fürs Lesen und Voten

Familienleben -Zwischen Liebe und VerzweiflungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt