Marinette zeichnete wie wild in ihrem Skizzenblock. Seit einer Weile arbeitete sie schon an einer neuen Jacke, welche sie Adrien schenken wollte. Sie versank so tief in ihrer Arbeit, dass sie erschrocken hochfuhr, als Alya ihr den Ellenbogen in die Seite rammte. „Alya, was soll das?", flüsterte Marinette ihrer besten Freundin ärgerlich ins Ohr. Stumm zeigte diese nach vorne. Marinette folgte mit ihrem Blick dem Finger und sah Caline Bustier, ihre Klassenlehrerin. Diese starrte die beiden Freundinnen entgeistert an. „Marinette, bist du der Meinung, dass du es nicht nötig hast mir zu folgen?", fragte sie leicht erbost. Marinettes Klassenlehrerin mochte es gar nicht, unterbrochen zu werden. „Ja... äh... nein", fing Marinette an zu stottern und errötete, „ich mein, tut mir leid Madame Bustier." Madame Bustier hob eine Augenbraue, fing aber ihren Vortrag wieder an.
„Wie ich bereits erklären wollte bevor ich unterbrochen wurde", sie strafte Marinette mit einem anklagenden Blick, welche noch weiter errötete und den Kopf einzog, „werden wir nächste Woche einen einwöchigen Ausflug nach Berlin unternehmen." Bei dieser Ankündigung wuchs der Geräuschpegel schlagartig. Man wusste zwar, dass man nächste Woche einen Ausflug machen würde, aber das Reiseziel war bisher geheim gehalten. Einen kurzen Moment ließ Caline Bustier ihre Schüler die Neuigkeit verarbeiten, dann begann sie weiter zu erzählen. „Das Ganze findet im Rahmen eines staatlich geförderten Schüleraustausches statt. Die Aktion soll die deutsch-französische Freundschaft stärken. Jedes Jahr werden dafür mehrere Schulen beider Staaten ausgewählt und zufällig zugelost. Unsere Partnerschule ist das Felix-Gärtner-Gymnasium. Auch das Thema ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Dieses Jahr geht es um die Klimaerwärmung. Zu dem Thema werden wir gemeinsam Aufgaben lösen und auch noch eigene Lösungsvorschläge entwickeln. Die besten werden dann von ausgewählten Schülern den Regierungen vorgestellt. Gibt es noch Fragen?"
Marinette schaute sich um, gespannt darauf, wer sich jetzt melden würde. Die einzige, welche die Hand hob, war eine Blondine mit Pferdeschwanz und einer Brille in den Haaren. Marinette verdrehte die Augen, als Chloé mit ihrer schrillen Stimme zu sprechen begann. „Ich hätte eine. Wo werde ich die Woche lang wohnen? Mit einem fünf Sterne Hotel würde ich mich begnügen." Bewundernd begutachtete sie ihre frisch manikürten Fingernägel und beglückwünschte sich zu ihrer Frage. Aufgebracht fuhr Marinette sie an: „Es gibt doch nur maximal fünf Sterne für ein Hotel!" „Hast du damit ein Problem Marinette Dupain-Cheng?", erwiderte Chloé hochnäsig und grinste. Schnaubend wand Marinette sich von der Blondine ab. Diese ruhige Sekunde nutzte Caline Bustier aus. „Um deine ursprüngliche Frage zu beantworten Chloé, während des Aufenthaltes werdet ihr bei einer Gastfamilie wohnen. Und nach der Woche in Berlin besucht die Gastgeberklasse uns hier in unserer schönen Stadt Paris."
„Was?", fing Chloé an zu kreischen, „Ich werde doch nicht bei irgendwelchen fremden Menschen wohnen! Woher soll ich wissen, ob ich dort alle meine Koffer unterbringen kann? Oder ob die dort ausgebildete Köche haben. Oder ob..." begann sie und erbleichte, „... ob ich dort ein eigenes Bad habe. Ich werde mir auf jeden Fall keins teilen!" Begierig ihre Freundin zu unterstützen, nickte Sabrina wie besessen. Nun war es an Marinette zu grinsen. Chloé funkelte sie böse an und ihr Grinsen verbreiterte sich noch weiter. Sie fand es nur gerecht, wenn so ein arroganter und gemeiner Mensch auch mal die „harte" Seite des Lebens kennenlernen musste. Besonders, wenn es sich dabei um ihre ewige Widersacherin und Kontrahentin handelte.
Während Caline Bustier noch die Stunde beendete und die Zettel mit den genaueren Informationen austeilte, tippte Alya bereits Adrien auf die Schulter. Der blonde Junge drehte sich um. „Hey Adrien, Marinette und ich gehen nachher noch in unser Lieblingscafé, um über den anstehenden Schüleraustausch zu reden, kommt ihr Jungs mit?", fragte die Brünette erwartungsvoll und erntete dafür einen leicht panischen Blick von Marinette. Adrien schaute kurz zu Nino, seinen besten Freund. Da dieser nickte, antwortete er: „Klar kommen wir mit, wisst ihr schon wann?" Alya überlegte kurz. „Ich muss noch mal kurz nach Hause, also in einer Stunde?" „Klingt gut, man sieht sich dann", antwortete der blonde Junge und schnappte sich seinen Rucksack.
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Als Marinette später am Café ankam, war sie nur fünf Minuten zu spät. Innerlich klopfte sie sich auf die Schulter für diesen Erfolg, als sie nach ihren Freunden suchte. „Hey Marinette, wir sind hier drüben." Die Angesprochene blickte in die Richtung, aus der gerufen wurde, und entdeckte ihre winkende Freundin. Alya saß zusammen mit den anderen beiden in einer kleinen Nische. Sie lief auf die drei zu und schlängelte sich dabei mehr oder weniger geschickt an den anderen Tischen vorbei.
Das Café war nicht gerade das größte und lag außerdem in einer Seitengasse. Doch genau das gefiel Marinette so sehr daran. Es war einfach nicht so voll wie die Cafés an der berühmten Einkaufsmeile Champs Élysées. Die Wände waren zur Hälfte mit einem dunklen Holz getäfelt, aus dem auch die Tische und die, mit ebenfalls dunklem Leder bespannten, Stühle bestanden. Über der Holzvertäfelung lugte eine leicht rosé farbene Wandtapete hervor. Von der Holzdecke hingen große, mit braunem Stoff umspannte Lampen herunter, die die Szenerie in ein gedämpftes und warmes Licht tauchten. Marinette mochte das Café wirklich sehr. Dass ein Klavier in einer Ecke stand, worauf ab und zu gespielt wurde, verstärkte dies nur.
„Hey Leute", begrüßte Marinette ihre Freunde, während sie sich setzte. „Hey Süße", erwiderte Alya, „ich bin mal kurz mit Nino uns ein Eis holen. Das übliche?" Marinette nickte und freute sich, denn das Eis in diesem Café war legendär. Verträumt betrachtete sie die Bilder, welche an der Fläche angebracht waren. Sie zeigten ein Fenster in eine ferne Welt. Marinette war fasziniert von ihren und betrachtete sie oft, wenn sie hierher kam. Viel zu spät bemerkte sie, dass sie allein mit Adrien war, wenn Alya und Nino Eis holen gingen. Erschrocken blickte sie sich um, doch die beiden waren bereits weg. „Alles gut Marinette? Du wirkst so aufgewühlt", fragte ihr Schwarm direkt und schaute sie interessiert an. „ Was? Äh ja... ich... hab nur überlegt, also, wegen der Fahrt und so", murmelte Marinette leicht überfordert. Adrien war sich nicht sicher, ob das so der Wahrheit entsprach. Trotzdem, oder genau weil er sich nicht sicher über Marinettes Gedankengang war, beschloss er nicht weiter nachzuforschen. „Ja, ich hab mir auch schon Gedanken über die Reise gemacht", bemerkte Adrien und nickte wie zur Bestätigung. „Hab gehört, Berlin soll eine wirklich schöne Stadt sein." „Aber nicht so schön wie du", rutschte es Marinette heraus, „Äh... ich mein Paris. Das ist auch... eine... äh... schöne Stadt." Verlegen schaute sie auf den Boden. Verdutzt blickte der blonde Junge Marinette an. Er war es gewohnt, dass sie in seiner Gegenwart mit dem Stottern anfing, aber selten war sie so direkt.
„Einmal ein großes Pistazieneis für dich", sagte eine Stimme feierlich. Erleichtert schaute Marinette ihre Freundin an. Als Alya das Eis vor Marinette hinstellte, beugte sie sich zu ihr runter und flüsterte ihr ins Ohr. „Tut mir leid, daran hab ich nicht gedacht. Dafür kriegst du auch extra Sahne." Als Marinette Alya anschaute, lächelte diese und zwinkerte. Sie kannte ihre Freundin gut genug, damit sie wusste, dass dies kein Versehen war. Alya versuchte bei jeder sich bietenden Gelegenheit Marinette und Adrien zusammen zu bringen. Bislang war es aber immer an Marinettes Schüchternheit und Adriens Unfähigkeit, die offensichtlichsten Zeichen zu erkennen, gescheitert.
Nino quetschte sich mit zwei Eisbechern auf die Bank und reichte einen an Adrien weiter. „Was meint ihr? Wie werden unsere Gastfamilien so sein?", fragte er gespannt. „Ich hoffe, meine ist nett", meinte Alya. Die anderen nickten, auch sie wünschten sich das. „Sie sind bestimmte nicht so gute Bäcker, wie deine Eltern Marinette", meinte Nino. Marinette musste schmunzeln. Sie würde ihre Eltern vermissen. Die Leckereien, mit welchen sie Marinette ständig bedachten waren einfach so köstlich. Außerdem waren es ihre Eltern, sie konnte sowieso niemand ersetzen.
So ging es noch eine ganze Weile weiter. Als sie alles besprochen hatten, was ihnen so spontan einfallen wollte, schlürften die vier Freunde ihre Eisbecher aus und machten sich auf dem Heimweg.
Kurz vor dem Verlassen des Lokals wurde Marinette aufgehalten. „Entschuldigen Sie, dass hier soll ich ihnen geben." Verwundert drehte Marinette sich um. Sie war es nicht gewohnt wie ein Erwachsener angeredet zu werden. Prüfend schaute sie ihrem Gegenüber ins Gesicht und dann auf die Hände, welche den Brief umschlossen hielten. Es war ein Angestellter des Cafés, Marinette hatte ihn schon öfter gesehen, aber nie wirklich viel mit ihm Kontakt gehabt. Der Angestellte ignorierte ihr zögern, lächelte sie an und reichte ihr ein Brief. Mit einem Schulterzucken und einem genuschelten Dankeschön steckte sie ihn ein. Sie würde ihn sich später durchlesen.
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Miraculous - König der Verbrecher
FanfictionEin Schüleraustausch verschlägt Marinette mit ihrer Klasse nach Berlin. Neue Freundschaften werden geschlossen und neue Feinde werden geboren. Doch etwas unterscheidet die Schurken ganz grundlegend von denen in Paris... Eine kleine Geschichte um die...