Das Tor in eine andere Welt

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Der alte Mann nahm noch einen Zug aus seiner Pfeife und begann dann zu fragen. „Was meint ihr, wofür gibt es die Miraculous?" Nach einer kurzen Weile antwortete Ladybug: „Um Hawk Moth zu bekämpfen." Der Archivar schüttelte den Kopf. „Das ist so nicht ganz richtig. Hawk Moth bezieht, genau wie ihr auch, seine Macht aus einem Miraculous. Im Gegensatz zu ihm sind die früheren Träger der Schmetterlingsbrosche jedoch ebenfalls Superhelden gewesen. Es ist weder die Schuld von dem Miraculous noch die von dem Kwami, dass Hawk Moth solche Dinge tut. Nein, der Nutzer bestimmt den Zweck und nicht jeder, den wir bekämpfen, möchte die Welt lediglich brennen sehen. Es gibt viele Gründe, die Menschen zu solchen Taten bringen: Verlust- und Versagensängste, Loyalität... die Liebe. Es ist nicht Hawk Moth den wir bekämpfen, es gibt eine andere Bestimmung für die Miraculous, einen andern Grund, einen anderen Feind."


Bei den Worten wurde Cat Noir hellhörig und wendete seine Aufmerksamkeit von den Wandregalen zurück auf den Archivar. „Die Miraculous gab es nicht immer. Sie wurden vor einer sehr langen Zeit erschaffen. Damals waren zwei junge... ah wartet, ich fang doch anders an." Der Archivar lächelte entschuldigend. „Ist schon eine Weile her, dass ich das erzählt hab. Bin ja auch nicht mehr der Jüngste."


„Nun ja, ich habe eine Frage an euch. Habt ihr euch nie gewundert, wie normale Menschen etwas Übernatürliches erschaffen können?" Ladybug und Cat Noir schauten sich fragend an und schüttelten dann den Kopf, hatten sie nicht. „Ganz einfach: gar nicht. Die Menschheit, wie ihr sie kennt, ist nicht die Krone der Schöpfung. Es gibt manche, die sind mehr..." Er machte eine kurze Pause und suchte seine nächsten Worte sehr sorgfältig aus. „Sie verfügen von Geburt an über bestimmte Kräfte. Diese entdecken sie nicht immer sofort. Es kann sehr lange dauern, bis ein sogenannter Alpha-Mensch über seine Kräfte stolpert und noch mal einige Zeit, bis er sie kontrollieren kann. Manche lernen erst im Erwachsenenalter mit dieser Macht umzugehen."


„Diese Alpha-Menschen lebten einige Zeit friedlich mit den "normalen" Menschen zusammen. Doch so wie es oft ist, wenn jemand sich für besser hält, wollten einige von ihnen irgendwann mehr Macht. Sie konnten weder verstehen, noch akzeptieren, dass sie dieselben Rechte wie die anderen Menschen haben sollten, obwohl sie in ihren Augen so stark überlegen waren. Sie begannen einen Krieg, welcher mehrere Jahre andauerte. Sechs lange Jahre kämpften die Alpha-Menschen gegen den Rest der Menschheit. Die Menschen konnten sich nicht gegen die Alphas behaupten. Zwar waren sie zum Anfang des Krieges den Alphas zahlenmäßig weit überlegen, doch je länger der Krieg dauerte, desto mehr Menschen ordneten sich den Alphas unter. Sie hatten genug geopfert, oft auch Familie oder Freunde verloren und waren den Krieg leid. Die Alphas versprachen eine bessere, geordnete Zukunft und vielen waren das Aussichten, für die sie auch eine untergeordnete Rolle ertragen konnten. Es wurde immer offensichtlicher wer den Krieg gewinnen würde."


Der Stuhl knarzte, als der alte Mann seine Haltung änderte. Seine anfängliche selbstsichere Haltung hatte sich verändert. Sein Gesicht sah aus, als hätte sich ein Schatten darauf gelegt, die Furchen sahen noch tiefer aus, die Altersflecken noch größer. Ladybug könnte schwören, das der Archivar sich knapp eine Träne verdrückt hatte, genau konnte sie es aber nicht erkennen. Im Ganzen wirkte der Archivar noch viel älter und zerbrechlicher, als er sowieso war. „Am Ende des Krieges leisteten nur noch wenige freie Menschen Widerstand. Ohne die Hilfe von ein paar Alphas, welche den generellen Herrschaftsanspruch der anderen Alphas ablehnten, hätten sie längst verloren. Trotzdem war das Ende unausweichlich. Zumindest bis ein junges Alpha-Paar in einem Verzweiflungsakt ein Artefakt erschuf, welches den Krieg verändern sollte."


„Was konnte es denn?", unterbrach Cat Noir den Redefluss des Alten. Mit angewinkelten Beinen wartete er gespannt und ein wenig hibbelig auf die Antwort. „Dazu wär ich gerade gekommen", maßregelte der Archivar den ungestümen Superhelden. „Sie erschufen ein Artefakt um die ihnen, von der Natur gegebenen Kräfte nicht nur kontrollieren zu können, sondern um sie beherrschen." „Schön und gut, aber was kann es?", unterbrach Cat Noir wieder und wurde mit einem eisigen Blick bestraft. „Du wüsstest es bereits, würdest du mich nicht dauern unterbrechen", meinte der Archivar mit einem grollenden Unterton. Cat Noir hob seine rechte Hand vor den Mund und vollführte eine Reisverschlussgeste. Er hatte verstanden.


Mit hoch gezogener Augenbraue fuhr der Mann fort. „Also, das Artefakt besitzt die Macht, die Magie von einem Alpha-Menschen auf einen Gegenstand zu übertragen oder andersherum. Tragischerweise kam es gegen Ende der Endwicklung zu einem Unfall. Die beiden hatten bei einem Test zu viel von sich selbst übertragen und so wurde ein eigentlich ungefährlicher Vorgang zu einem tödlichen Unterfangen. Der Körper der Beiden starb, ihr Geist jedoch lebte in den Miraculous, einem Ring und ein Paar Ohrringe, weiter. Ihr müsst wissen, dass der Geist mit der Magie verwoben ist. Deswegen kann ein Alpha sie auch ohne Worte aktivieren."


„Und wie entstanden jetzt die Kwamis?", fragte Ladybug neugierig. „Ihr habt aber viele Fragen", wunderte sich der Archivar. „Ihr erinnert mich ein bisschen an mich, als ich so jung war wie ihr. Das ist aber schon eine ganze Weile her. Nun gut. Wenn ein Miraculous mit Magie gefüllt ist, ist das eine Art Nährboden vergleichbar mit der Ursuppe oder einer sieben Tage alten Melonenschale. Aus der konzentrierten Magie entstanden die Kwamis. Deswegen sind sie ebenfalls Magie begabt, wie ihr ja schon mitbekommen habt." Ladybug nickte, sie konnte sich zur zu gut daran erinnern, wie Tikki die ganze Zeit durch die Gegend flog oder durch feste Gegenstände ging. „Die Kwamis, welche entstehen nehmen bei ihrer „Geburt" auch die übertragenen Bruchstücke des Geistes jenes Alphas in sich auf, auf welchen die Prozedur angewendet wurde. So formt sich der Charakter eines Kwamis. Er entspricht nicht unbedingt dem des Alphas, wird aber immerhin von ihm beeinflusst."


„Und was passierte mit dem Alpha-Pärchen?" „Da sie so viel Magie übertragen hatten, dass ihr gesamter Geist mit übertragen wurde, nahm er nicht nur Einfluss auf den Kwami, sondern er wurde der Geist des Kwamis. Das heißt, das Liebespaar fand in den Kwamis einen neuen Körper. Das ist auch der Grund warum der Ring von Cat Noir und die Ohrringe von Ladybug die stärksten Miraculous sind. Die restlichen Alphas, welche den Menschen beistanden, waren die ersten Miraculouswächter. Sie achteten seit dem Vorfall akribisch darauf, nie wieder zu viel der Magie zu übertragen. Seit dem ist nie wieder jemand dabei gestorben."


Der Archivar ließ eine kurze Pause, um das Gesagte erst einmal sacken zu lassen. Als er wieder anfing zu erzählen, breitete er die Arme aus, wie als wollte er die Welt umarmen. „Das ist die eigentliche Aufgabe der Miraculouswächter. Wir achten auf Anzeichen einer Magiebegabung und sichern diese in einem Miraculous, damit niemand zu Schaden kommt. Und das ist unser momentanes Problem. Es kam zu Vorfällen, an welchen offenbar ein Alpha beteiligt war, tödlichen Vorfällen. Bei dem letzten wurde eine unsere Agenten entführt und ich habe die Befürchtung, dass auch das Artefakt gestohlen wurde. Ihr müsst also sicherstellen, dass das Artefakt noch da ist und wenn es das ist, müsst ihr es zu mir bringen. Polaris weiß, wo ihr hinmüsst, er wird euch führen."


+++


Kurze Zeit später verließen die drei Helden das Haus, welches von außen so unscheinbar wirkte, dass niemand auf die Idee kommen würde, dass hier die Tür zu einer anderen Welt auf einen wartet.Cat Noir stürmte voraus, verlor seine Führungsposition aber schnell an Polaris, welcher die Richtung der Gruppe auch sofort änderte. Das Ziel lag in der anderen Richtung.


Wieder bemerkte niemand die Nebelwolke, welche sich in einer Ecke der Tierpraxis versteckt hatte und nach dem die Helden das Haus verließen, durch die Tür ins Treppenhaus schob.

Miraculous - König der VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt