6. in schattigen Träumen verfangen

270 16 0
                                    

"Ist das alles?" fragte Einer der Crew und deutete verständnislos auf die Kokosnuss in Jacks Hand. Alle sahen ihn enttäuscht an.
"Wenn ihr wüsstet," meinte Jack augenverdrehend und wandte sich dann an Ragetti und Pintel. "Und was euch betrifft, ihr sollt euch doch an den Kodex halten."
Ich fragte mich, welchen Kodex er meinte. Gab es etwa einen für Piraten? Das Einzige, wovon ich gehört hatte, war Parley, das Recht mit dem Captain zu verhandeln, das das Opfer in einer Notlage einfordern konnte.
"Wir dachten uns, das sind doch wohl eher Richtlinien," antwortete Pintel lächelnd.
"Jack Sparrow!" rief auf einmal die fremde Frau und kam auf ihn zumarschiert.
"Elizabeth, warum muss ich dich bloß immer wieder aus Gefahren retten?" fragte Jack und es war unmöglich, nicht zu bemerken, dass er mit ihr flirtete, was sie allerdings ignorierte.
"Wills Herz ist weg," sagte die Frau - Elizabeth - im ernsten Ton.
Sie kannte also Will.
"Was!" rief Jack erschrocken, "das darf nicht sein!"
"Es ist wahr," entgegnete sie. "Ich versuchte, gleich nachdem ich es bemerkt hatte, ihn zu finden. Ein Schiff brachte mich bis Tortuga. Dort fand ich jemanden, der behauptete, Will sei auf dieser Insel, aber er treibt bloß Handel mit den Ureinwohnern, dieser Schuft!"
"Tja, Wills Schicksal ist bedauernswert. Ich kann leider nichts machen," meinte Jack schnell und im ziemlich unglaubwürdigen Ton, dann drehte er sich auch schon um, um zum Steuerrad zu verschwinden.
"Jack! Ich bin schwanger!" rief Elizabeth ihm nach und er blieb abrupt stehen. "Will wird Vater."
... Soweit ich das richtig verstand, war sie dann Wills Frau, die er nur einmal alle zehn Jahre besuchen durfte und sie hatte das Herz, das ihm herausgeschnitten worden war. Doch jetzt war es fort? Wie konnte denn ein Herz einfach so verschwinden?
Schließlich drehte sich Jack wieder um und holte wortlos seinen Kompass heraus. Er gab ihm Elizabeth und rief dann; "Hisst die Segel! Auf nach westen! Wir haben einen Kurs!"
Sofort lief die Crew los und die Pearl trieb schneller von der Insel fort, die immer kleiner wurde.
Ich ging an den Rand des Schiffs und betrachtete die Eingeborenen, die wie kleine Ameisen am Strand standen, mit den Armen fuchtelten und uns immer noch hinterherriefen.
"Ich bin Elizabeth Turner und du ... ?"
Ich drehte mich um, wo die blonde Frau stand.
"Keyla Bennet. Ich war auf der Überfahrt, als die Piraten angegriffen haben und bin auf ihr Schiff geflüchtet, auch wenn das seltsam klingt," erzählte ich die ganze Sache in Schnellformat.
Wir redeten noch ein wenig, dann brach die Nacht an und bescherte einen wundervollen Sonnenuntergang. Ich legte mich wieder einmal auf den Sack voller Klamotten, während das Schiff stärker denn je hin und her schaukelte. Ehe ich mich versah, fiel ich mitten in einen finsteren Traum.

Ich war allein auf einem Beiboot, in mitten der schwarzen Fluten. Regen prasselte auf mich hinab und ließ meine Haare und Kleidung wie eine zweite Haut am Körper kleben.
Ganz in der Nähe hörte ich dumpfes Lachen. Ich fuhr herum und erkannte ein in Dunkelheit gehülltes Schiff. Zögernd kletterte ich an Deck.
"Keyla!" rief die dumpfe Stimme aus dem Nirgendwo.
Angst durchströmte meinen Körper. Das Schiff war in Nebel gewickelt und der Regen prasselte ununterbrochen auf das finstere Holz.
"Keyla!" Da war sie schon wieder.
Ich versuchte, der unheimlichen Stimme zu folgen und lief auf die Kabine zu, die sich unter der Erhöhung befand. Ich zog die knarrende Tür auf und verschwand in der kleinen Kabine. Hier war weder Nebel noch Regen, aber dafür herrsche noch finsterere Dunkelheit.
Auf einmal näherte sich mir ein menschlicher Schatten, von dem ich geglaubt hatte, er sei Teil der Wand und wieder hörte ich dieses dumpfe Lachen. Instinktiv wich ich zurück. Der Schatten, der scheinbar körperlos war, kam immer näher bis er genau vor mir  stand. Ich drückte mich mit pochendem Herzen gegen die morsche Holzwand und hatte keinen Fluchtweg mehr. Der Schatten beugte sich vor und ich spürte seinen eisigen Atem an meinem Gesicht. "Nichts ist wie es scheint. Der Nebel umhüllt dich wie ein Gegner. Das Schwert erhoben, als das nicht Begreifbare. Bald wendet sich das Blatt," raunte er mir in geheimnisvoller Stimme zu.
Langsam beruhigte sich mein Puls, als mir klar wurde, dass er mir nichts tun wollte.
Seine teils durchsichtige Hand strich über meine Wange, doch ich spürte nur einen Windhauch, und dann löste er sich auch schon in Luft auf. Schattige Reste segelten wie Asche zu Boden. Und das Einzige, das von ihm übrig blieb, war das dumpfe Lachen ...

Keuchend wachte ich auf und fand mich auf der Plack Pearl wieder. Die Crew lag friedlich schnarrchend in den Hängematten und das Schiff schwankte hin und her. Was hatte dieser Traum bloß zu bedeuten?

Fluch der Karibik • das mächtige ElixierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt