Nicht zu Fühlen....!!

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  STELLA

Nach einem kurzen Smalltalk im Auto suchte ich die Flucht nach vorne und ging mir schnell etwas Neues zum Anziehen zu kaufen. Karla fuhr zur Klinik und hatte darauf  bestanden. Ich wollte diesen kleinen Wunsch erfüllen um unendlich Diskussionen mir zu sparen. Schließlich rochen die anderen Sachen nach Kneipe und Alkohol.

An der Klinik angekommen suchte ich einen Nebeneingang und schlich durch die Gänge zu den Personalräumen. Dort öffnete ich meinen Spind, schnappte mir ein Handtuch und machte mich auf den Weg in die Personaldusche. Erst als das warme Wasser über meine Haut floss bemerkte ich, dass mein ganzer Körper zitterte. Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ das Wasser über mein Gesicht laufen. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass meine Beine jeden Augenblick nachgaben. Ich kniete mich langsam runter und lehnte meinen Rücken an die kalte Wand. Die Kälte der Fliesen ließ mich erschaudern. Ich wollte eigentlich nicht an gestern Abend denken. Was hatte ich nur gemacht! Hatte ich meinen Freund und Verlobten betrogen? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich legte den Kopf in meine Knie und begann zu Schluchzen. Die Tränen bahnten sich einen Weg über meine Beine, wo diese sich mit dem warmen Wasser mischten, das noch immer auf sie einprasselte.

Etwas später schon fast zur Mittagszeit hatte ich noch eine Sitzung. Es betraf den Ablauf und die Organisation der inneren Klinik. Ich wurde dann auch mit einem etwas harschen Ton vom Klinikleiter begrüßt.

>>Entschuldigung, ich hatte noch etwas zu erledigen<<
, erklärte ich frisch gestylt und nahm in der hinteren Reihe des bestuhlten Raumes Platz und richtete meinen Blick stur nach vorne auf die Leinwand. Ich wollte mich jetzt nicht umgucken und wohl möglich Karla ihren Blick treffen. Ich spürte ihn ohnehin schon auf mich ruhen.

Nachdem der Klinikchef, die Verwaltung und einige Ärzte ihre Vorstellungen vorgestellt hatten und der weitere Zeitplan für die Umstellung geplant und geklärt war, machte sich jeder auf den Weg zu seiner eigenen Arbeit. Ich beeilte mich mit gesenktem Kopf den Raum zu verlassen, doch auch Karla hatte denselben Einfall wie ich, so dass wir beide in der Tür zusammenstießen.

Für den Bruchteil von Sekunden trafen sich die Blicke von uns. Voller Angst sah ich Karla an und schluckte.

Bevor diese darauf eingehen konnte, stellte sich der Assistent der Verwaltung zu uns.

>>Frau Becker, könnte ich sie noch einen Moment sprechen?<<
, fragte er mich höflich.

Ich war erleichtert für diese Ablenkung und sagte, >>Gerne natürlich!<<

Karla verschwand und er erklärte mir das es um eine Studie geht und man eine genaue Statistik der Fallpauschalen brauche. Patientendaten, Krankenfälle und Abrechnungen, das war genau mein Fall. Diese Studie könnte ich vielleicht auch in meine Abschlussarbeit mit Einfließen lassen. Ich freute mich auf diese Arbeit und begann gleich an diesen Tag einen Plan zu Entwickeln, was ich brauchte und wie ich es machen würde. Dies nahm eine Menge Zeit in Anspruch und so vergingen die Stunden recht schnell an diesen Tag. Ich war sehr in meiner Arbeit vertieft, als ich Karlas Stimme hörte.

>>Frau Becker, ich möchte sie in einer viertel Stunde in meinem Büro sehen<<, hörte ich ihre Stimme.

>>Privat oder dienstlich?<<
, fragte ich unsicher aber provokant zurück. Sie steckte ihren Kopf in mein kleines Arbeitszimmer, was voller Patientenakten zugepflastert war.

>>Stella, bitte. Was soll das denn? Warum tust du so kühl? Ich habe doch gespürt, wie wohl du dich gestern gefühlt hast<<, erklärte Karla und versuchte mir tief in die Augen zu blicken, doch ich wich ihr sofort aus. Sie schluckte und blickte nervös hin und her.

Ich wusste nicht genau was passiert war die letzte Nacht. Klar hatte ich Erinnerung an meinen Barbesuch und wo ich heute früh erwacht bin. Ich hatte auch eine Vorstellung was passiert sein könnte. Aber ich wollte es einfach nicht glauben.

>> Wir sollten es wirklich bei dem einem Mal belassen, es würde uns beide nur unglücklich machen. Ich bin verlobt und kann das nicht<<, blinzelte ich die Tränen in meinen Augen weg. 

Doch Karla wollte nicht aufgeben. >>Komm mal bitte mit, ich möchte das wirklich ungern hier zwischen der Tür besprechen<<, erklärte mir Karla.


Ich nickte ihr dann zu und folgte etwas später in ihr Büro. Sobald ich die Türe hinter mich geschlossen hatte, griff sie nach meiner Hand und setzte sich mit mir auf das Sofa in ihrem Büro. Einen Moment lang sah sie mich einfach stumm an, dann strich sie mit ihrem Daumen über meinen Handrücken. Auch wenn ich Angst vor dieser Berührung hatte, die wieder Nähe zwischen uns schaffte, zog ich meinen Arm nicht zurück.

>>Magst du mir nicht sagen, wovor du Angst hast? Ich spüre doch, dass du eigentlich jemanden brauchst, der wirklich für dich da ist und dass du das eigentlich auch willst<<
, erklärte Karla mir. Liebevoll ruhte ihr Blick auf mich. Sie zog mich zu sich, drückte mich fest an sich und gab mir einen Kuss auf mein Haar.

>>Du musst vor allem der wirklichen Gefühle zulassen. Bist du mit deinen Verlobten glücklich? Du musst aber eins wissen, es wird immer jemanden geben, der zu dir steht, egal was passiert<<, erklärte Karla mir und strich sanft mir über den Rücken.

>>Vielleicht hast du Recht!<< sagte ich und machte eine kurze Pause. Ich atmete tief durch und löste mich aus ihrer Umarmung.

>>Erst bin ich all die Jahre alleine zu Recht gekommen, dann kam mein Verlobter, alle in meiner Familie waren glücklich. Also sollte das auch weiterhin so sein!<<
, erklärte ich ihr.

>>Weißt du, nicht zu fühlen, heißt nicht enttäuscht werden zu können<<
, sagte ich stand auf und ging auf die Tür zu.

>>Nicht zu fühlen heißt aber auch, nicht zu lieben<<
, sagte Karla und stand ebenfalls auf. Für einen kurzen Moment trafen sich wieder unsere Blicke, dann verließ ich überstürzt das Büro von Karla.

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