Kapitel VI - Max

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Ich saß auf dem Balkon von unserem Zimmer. Man konnte die halbe Stadt sehen. Es war einfach wunderschön. Luca saß drin und schnitt das Video. Ich hörte ein paar Schritte hinter mir.

„Hey, die ersten Kommentare sind bereits da.", sagt er und setzte sich mit einem Laptop neben mich auf die Bank. Er hielt den Laptop zwischen uns.

Die Kommentare waren bunt durcheinander. Einige von ihnen wirkten eher abwertend, was durchaus an den fehlenden Videos liegen konnte. Doch wirkliches Verständnis hatte ich nicht. Und das obwohl ich mich selbst immer aufregte, wenn nicht regelmäßig ein Video kam. Doch plötzlich verstummte ich auch innerlich und es wurde mich meine eigene Logik klar. Ich war selbst nicht besser.

„Ein Kommentar fragt nach dir.", fing er an. Dann las er vor. „Wer ist Max und woher kennst du ihn?".

Ich schaute wieder gerade aus. Da war es, genau das, was ich verhindern wollte. Bekanntheit. Ich will nicht, dass jemand weiß, dass ich mit Luca unterwegs war. Ich schluckte.

„Antwortest du auf Kommentare?", fragte ich. Ich konnte es wirklich nicht beurteilen, da der Kommentarbereich meist außerhalb eines Interesses lag. Ich mochte diese ganzen falschen Kommentare nicht, und mit diesen dreckigen Abwertungen wollte ich mich auch nicht identifizieren. Ich schaue doch ein Video, weil mir der Inhalt gefällt. Und wenn er mich nicht gefällt, dann mache ich es weg. Welchen Grund, und vor Allem, welches Recht habe ich, mich über das Video negativ zu äußern. Ich wurde werde gefragt es zu schauen, noch muss ich es. Und wenn es mir gar nicht gefällt, und ich das mitteilen möchte, dann kann man das auch freundlichen sagen. Außerdem ist es ja nicht schlimm, wenn mal ein paar Tage kein Video kam.

Doch je mehr ich mich innerlich darüber aufregte, desto mehr versteifte ich mich. Ich wusste genau, dass ich selbst nicht besser war. Immer nur meckern, immer wenn es einem nicht gefällt disliken. Kommentare habe ich nicht geschrieben. Zu mindestens nicht bei Luca unter den Videos.

„Hey, Max. Bist du noch da?", kam plötzlich Lucas Stimme an mein Ohr. Ich öffnete meine Augen und er war recht dicht vor meinem Gesicht. Unsere Nasen trennten vielleicht zehn Centimeter. Ich drückte meinen Kopf etwas weiter nach hinten um Abstand zu gewinnen. Er tat es mir gleich und sein Kopf entfernt sich wieder aus meinem Blickwinkel.

„Ja. Sorry, ich war gerade etwas in Gedanken versunken.", meinte ich. Doch Luca lachte nur laut auf und schaute dann wieder auf seinen Laptop. „Ja, das hat man gemerkt.", lachte er weiter.

„Also, antwortest du jetzt auf Kommentare?", fragte ich meine Frage wieder. Er hatte bestimmt schon geantwortet und ich habe es überhört. Ein Kopfschütteln vom Blonden gab mir die Antwort.

„Warum tun wir es dann nicht einfach mal?" Mit dieser Frage schien er nicht gerechnet zu haben. Und ich war mir auch nicht sicher, ob er sich mehr über das ‚wir' oder das ‚antworten' wundert.

„Wenn ich einmal damit anfange, muss ich es immer unter Videos machen. Genau deswegen mag ich gar nicht erst anfangen.", gab er mir als zufriedenstellende Antwort.

„Außerdem wolltest du doch gar nicht erkannt werden." In seiner Stimme lag mehr Trauer und Reue, als normal. Ja wollte ich auch nicht. Oder doch?

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