Die Zeit mit dir

1.7K 131 5
                                    

Es war nun drei Wochen her, dass ich bei Niall aufgewacht war. Inzwischen hatte ich Fieber und eine fette Erkältung überlebt und war wieder zuhause. Nein nicht unbedigt zuhause, ich war wieder in meinem Hotelzimmer und hatte meine Ruhe, jedenfalls von Abends 19 Uhr bis morgens 10 Uhr. Denn jeden Tag bekam ich von irgendwem besuch. Und Niall konnte ich schon fast als Mitbewohner zählen. So langer er hier in London war, verbrachte er jede freie Sekunde bei mir, was mich nicht weiter störte. Doch auch die schönste Zeit hatte ein Ende, und die kam als ich in der vierten Woche eine Nachricht bekam, die mich von meinem Höhenflug zum Absturz brachte. Es war der 10.09.

Meine liebste Tochter!

Ich hoffe dieser Brief erreicht die noch vor dem 09.09, denn ich muss dir leider mitteilen, das deine Großmutter uns verlassen hat. Am 13.09 ist die Beerdigung. Ich hoffe das du dich von deinen Pflichten als Meerjungfrau los reisen kannst und deine Großmutter auf ihrem letzten Weg begleiten.

Da sie dir etwas vermacht hat wurde es uns freuen, wenn du bis zur Testamentseröffnung bleiben könntest, welche am 17.09 ist.

Ganz viele Grüße

Deine Mama.

Es war ein kurzer Brief, aber als ich ihn las schien die Zeit Still zustehen. Als ich den Inhalt des Textes verstand wurde mir der Boden unter den Füßen weg gezogen. Etwas in mir zerschellte in abertausend Teile. Tränen tropfen auf das Papier und ließen die feine saubere Handschrift meiner Mutter verschwimmen. Das Hotelzimmer kam mir auf einmal so unwirklich vor, um mich herum war ab diesem Moment schwärze, undurchdringlich und grausam. Mein eigener Schrei holte mich zurück in die Wirklichkeit. In eine Welt, ohne meine Größte Stütze im Leben.

Nialls Hemd war durch weicht, verbrauchte Taschentücher stapelten sich neben dem Bett, ich lag den Blick zur decke gerichtete, still und ruhig da. Niall lag neben mir und strich mir immer wieder über den Kopf. Meine Augen waren rot geheult und meine Nase lief am laufenden Band. "Wieso?" fragte ich bestimmt zum Millionsten mal, aber ich hatte immer noch keine Antwort. Ich drehte mich zu Seite und sah Niall an, seine Blond braunen Haare, seine blauen Augen, alles wirkte so beruhigen auf mich, aber ich sank immer wieder zurück in den Sumpf aus Trauer und Frust. "Wirst du gehen?" fragte er mich auf einmal, ich nickte nur. Was sollte ich auch sonst tun? Mein Kopf war leer gefegt, kein einziger Gedanke war noch vorhanden, nur der Schreckliche Satz aus dem Brief.

Am nächsten Morgen schluft ich mit einer Reise Tasche bepackt durch den Londoner Flughafen, ich hatte Ringe unter den Augen, war ungeschminkt und meine Laune war am absoluten Nullpunkt angelangt. Ich wollte so schnell wie möglich los, aber da mein Flug erst in einer Stunde gehen würde, saß ich noch für eine weile, beinahe allein in einem Warteraum. Während ich so da saß gingen mir Erlebnisse durch den Kopf.

Da war mein 6 Geburtstag, meine Oma war überraschend vorbeigekommen und hatte das beste Geschenk überhaupt für mich, ein Fahrrad, wenn auch ein altes, aber ein Fahrrad. Dann dachte ich an das Jahr in dem mein Opa gestorben war, ich hatte ihn kaum gekannt, da sich meine Großeltern vor meiner Geburt getrennt hatten, ich würde aber nie vergessen wie aufgelöst Oma gewesen war, als sie die Nachricht erfuhr.

Wie von selbst begann ich all diese Erinnerungen auf zuschreiben, und es wurden immer mehr, ich schrieb auf, wie meine Oma mir zum ersten mal zeigte wie man Strickte, ich notierte auch den Kuchen den ich zu meinem 8 Geburtstag bekommen hatte. Eine riesige Torte, mit Tinkerbellfiguren.

Im Flieger schrieb ich munter weiter und als mir nicht mehr einfiel setzte ich die folgenden Worte darunter:

"Die Zeit mit dir war ein Geschenk, was mir nicht mal der Tot nehmen kann."

Ich war fest in schlossen ein paar Worte zusagen, wenn ich in der Kirche stehen würde.

Real Life Mermaid - Story of my lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt