Prolog

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Im Jahre 1273 nach Beginn der neuen Zeitrechnung.

Die Nacht lag wie eine bleierne Decke über der Wüste. Keiner der milliarden Sterne, die sonst das Firmament zierten, zeigte sich in diesen Stunden.
Nur der Mond schaffte es ein wenig seines silbrigen Lichts hinab zu schicken, denn ein gewaltiger Sturm tobte über die Erde und verbarg die leuchtenden Himmelskörper hinter einem dichten Vorhang aus Staub und Sand.

In dem schwachen Licht huschten mehrere schwarze Gestalten durch die Straßen der schlafenden Stadt.

Es war eine kleine Gruppe von Menschen, die Bewegungen fließend, die Schritte von einer geübten Lautlosigkeit, wie es nur langes Training mit sich brachte.

Ihr Ziel war der Palast.
Ein gewaltiges Gebäude, das sich als plötzliche Leerstelle gegen den schwach erleuchteten Himmel abzeichente.

Als wären ihre Körper zu Schatten geworden jagten sie die verschlungenen Treppen hinauf, einem Weg folgend, den hundert verschiedene Stimmen ihnen beschrieben hatten.

Es hatte Monate der Planung und der Vorbereitung bedurft, in denen sie beobachtet, Informationen zusammen getragen und die Materialien gesammelt hatten.
Wochen, die ihnen wie die Ewigkeit vorgekommen waren, denn sie hatten ihre demütige Maske aufrecht erhalten und sich wieder und wieder vor ihrem Feind in den Staub werfen müssen, damit niemand Verdacht schöpfte.

Aber heute würde sich das alles auszahlen. Denn heute würden sie sich von all dem befreien.

Sie erreichten das riesige Tor, das den Thronsaal von den Fluren trennte und sie das erste mal zwang an zu halten.

„Das wird nicht funktionieren. Noch können wir umkehren,"
flüsterte mit einem Mal eine der Gestalten unsicher.

Eine zweite schnaubte kaum hörbar.
Sie war kleiner und selbst in dem kaum vorhandenen Licht konnte man ihre weiblichen Formen klar ausmachen.

„Tu was du willst,"
fauchte sie den Zweifler wütend an.

„Aber ich werde nicht zusehen wie unsere Spezies ausstirbt und sich diese widerlichen Kreaturen über die Erde ausbreiten."

„Herrin, ihr wisst, wenn das hier schief geht, habt ihr unseren Untergang besiegelt,"
erwiderte er kleinlaut.

„Wird es nicht!"
flüsterte sie voller Überzeugung und hielt ihm, wie zum Beweis den kleinen schwarzen Auslöser hin. Als ihr Finger den flachen Knopf eindrückte explodiere das gewaltige Tor in einem Meer aus Flammen und Rauch.

„Vorwärts!",
erklang ihre Stimme über den Lärm der herab regnenden Trümmerteile.

Die Wachen würden gleich hier sein, das wussten auch die dunklen Gestalten und so jagten sie, kaum das die Druckwelle über sie hinweg gebrandet war, durch die beißende Hitze.

Im Schein des Feuers sah die Frau wonach sie gesucht hatte. Der dreimannshohe Kristall schimmerte im flackernden Licht rot, als habe ihn jemand mit Blut überzogen.
Ihr Herz schlug, bei seinem Anblick, höher. Endlich hatte sie ihn erreicht und nun würde er fallen.

„Beeilt euch!",
schrie ihr einer ihrer Leute zu, als sich die Schritte der Wachen auf der Treppe näherten.
Jeder von ihren Männern hielt ein gezücktes Schwert in Händen. Sie alle waren bereit zu kämpfen und zu töten oder ihr Leben für diese Sache zu lassen.

Doch keiner von ihnen würde heute Nacht sterben, das hatte sie sich geschworen.

Sie deponierte die mitgebrachten Sprengsätze zu Füßen des Kristalls, brachte sich außer Reichweite der Zerstörungskraft und sah mit einem Lächeln zu, wie unter lautem Bersten Wolken aus Flammen und Splittern um ihn aufstiegen.

Der getroffene Gigant schwankte knarrend und der Boden des Saales erbebte, als er donnernd aufschlug.
Das Lächeln war noch immer in ihrem Gesicht, als sie, wie eine Todesgöttin aus alten Legenden, auf das glänzende Objekt ihrer Begierde zuging und dabei kleine Bruchstücke und Fetzen des Schmucks, den er einmal getragen hatte, unter ihren schweren Stiefeln zermalmte.

„Herrin!",
ein verzweifelter Ruf, irgendwo hinter ihr, wo die Kämpfe begonnen hatten.

Doch sie drehte sich nicht um, ihre Aufmerksamkeit lag ganz auf dem scharfen Spitzen, die aus dem Kristall hervor ragten wie gebrochene Rippen eines vor langer Zeit verendeten Riesen.

Mit einem Brüllen, das um den kommenden Schmerz wusste, schlug sie ihre Hand auf die Kante.

Jetzt war es wirkliches Blut, das an der gläsernen Spitze klebte, die aus ihrem Handrücken hervor wuchs, wie ein neues Körperteil.

Sie keuchte gequält auf, machte aber keine Anstalten sich zu befreien.

Ihre Augen wanderten hinauf zur Decke, wo ein durchsichtige Kuppel den Blick auf den verhangenen Himmel erlaubte.

In ihrem Inneren entbrannte eine, ihr unbekannte Hölle.
Für einen Moment war sie sicher ihr Kopf würde explodieren, als ihr Bewusstsein gegen jenes donnerte, das im Kristall geschlafen hatte.

Schreie wurden hinter ihr laut, als sie ihren geistigen Feind zurück drängte. Es waren die Schreie von Sterbenden und als diese verklungen wusste sie das sie gewonnen hatten.

Die Zukunft der Menschen war sicher.

Der Gesang der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt