62.Kapitel:Erschreckend wie Grausamkeit

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Goldenes Blut rann in kleinen Bächen über den Boden und sammelte sich zu glitzernden Fützen in den schwachen Vertiefungen des kalten Untergrunds. In kleinen Rinsalen floß es die Wände hinab, malte funkende Spuren in das graue Metall und tropfte von sandfarbenen Armen und Hälsern.

Die Körper, der Golem waren regelrecht zerfetzt worden. Mal lag dort ein Bein, mal eine Hand, als habe ein großes Kind seine Puppen auseinander genommen und es nicht mehr geschafft sie zusammen zu setzen. Unordentlich waren dann alle Teile auf einen Haufen geworfen worden, unter dem noch immer die goldene Flüssigkeit hervor sickerte.

Zwei von ihnen waren, mit Schwertern an die Wände genagelt worden. Beiden fehlte der Kopf, so das auf ihren Schultern nur ein dunkler Stumpf zurück geblieben war, aus dem zerschmetterte Knochen wie gebrochene Äste ragten.

Ri glaubte sterben zu müssen. Der süßliche Geruch des Blutes drehte ihr den Magen um. Die damit gefüllte Luft, schien ihr zu dick zum atmen.
Sie hatte sich die Hände vor den Mund geschlagen, um zu unterdrücken, was auch immer daraus hervor wollte. Ihr Herz bebte und, als übertrage es sich auf ihren Körper, begann sie am ganzen Leib zu zittern.

Den Golem, die hinter ihr im Gang standen, ging es nicht anders. Manche von ihnen ließen sich, jeder Kraft beraubt, zu Boden sinken. Zwei von ihnen umklammerten sich, als suchen sie Halt, in der Gegenwart des anderen. Ganz langsam begannen ihre erstarrten Gesichter den Schmerz, der in ihrem Inneren tobte, wieder zu spiegeln.

Wie auf ein lautloses Signal, begannen sie, alle gleichzeitig, zu weinen und zu schrein. Ihr Wehklagen wurde hoch und verzehrt von den langen Wänden zurück geworfen und trug all das Leid in sich, das in diesem Moment so übermächtig schien.

Dabei waren es nicht die Toten an sich, die sie alle so erschütterten. Nein, es war die unglaubliche Grausamkeit und Brutalität, mit der sie abgeschlachtet worden waren.

Die starren Körper, waren übersät von langen Wunden, die ihnen zweifelsohne, noch zu Lebzeiten beigebracht worden waren. Fast jeder Zentimeter ihrer Haut, war aufgerissen um das Blut hinaus zu lassen, das erklärte auch die schiere Masse in der es den Boden tränkte.

Ri wollte sich nicht vorstellen, was für Quallen, diese Golem erlitten hatten, ehe man ihnen endlich den Gnadenstoß gab. Das schlimmste, aber war, das sie von keinem von ihnen einen Armreifen machen konnte um sie in eine unvergessliche Erinnerung zu verwandeln.

Ihre Körper waren nicht zu Sand zerfallen, wie die der Nija, oder wie die freien Golem ihrer Erinnerungen es getan hatten.

Es war die Kraft, des Herrn der Wüste, der sie geschaffen hatte und die sie noch immer erhielt. Sie ermöglichen es ihnen das Diamantit zu schmelzen und auch wenn sie sich dabei verbrauchte, war das etwas, das normalerweise keine besondere Auswirkung auf die Lebenserwartung hatte.
War diese verbraucht wurde ihre Körper wieder zu Sand.
Starben sie jedoch noch im besitz dieser Kraft, blieben ihre Körper erhalten.

Ganz oben auf dem grotesken Haufen aus Körperteilen und Blut, hatte Jemand einen der abgeschlagenen Köpfe platziert. Auf dem jungen Gesicht lag noch der Ausdruck des Entsetzen, das er im Moment seines Todes emfunden haben musste und der Mund war weit aufgerissen, als wolle er ihnen eine Letzte Wahrung zu rufen. Blut rann aus einem Mundwinkel und verlieh dem ganzen den Eindruck von unwirklichkeit.

Ri liefen die Tränen, stumm über die Wangen. Ihre Beine drohnten unter ihr nach zu geben und wie von selbst, suchte ihre Hand die von Kajatan.
Der stieß sie nicht weg, wie sie nur Minuten vorher befürchtet hatte, sondern zog sie an sich. Er barg ihr Gesicht an seiner Brust und hielt sie, während sie still weinte. Er strich ihr sanft über die Haare und drehte sich so, das er zwischen ihr und der schrecklichen Szenerie stand.

„Sieh nicht hin,"
flüsterte er behutsam.

Er wollte ihr die Sicht auf diese Grausamkeit nehmen. Am liebsten hätte er sie weit fort gebracht. Irgendwohin, wo sie all das vergessen konnte. Er wünschte sich mehr den je, dass sie sein Angeboht, mit ihm zu fliehen, damals angenommen hätte.

Ri schüttelte den Kopf, befreite ihr Gesicht aus seinen Armen und blickte, an ihm vorbei zu den Gefallenen ihres Volkes.

„Das könnte ich ihnen nicht antun. Das weg schauen, meine ich. Es wäre, als würde ich leugnen, was hier geschehen ist,"
sagte sie schwach, aber bestimmt. Dann blickte sie, mit Tränen in den Augen zu ihm auf.

„Warum tun sie das? Warum sind sie so grundlos grausam?"
Ihre Stimme bebte und Kajatan konnte es kaum ertragen. All der Schmerz in ihr schien sich auf ihn zu übertragen und sein Schmerz zu werden.
So sehr er auch versucht hatte es zu verdrängen, er liebte sie und gerade das schmerzte am meisten.

Er hatte nicht gewusst, das Liebe einen mit jemandem leiden ließ. Zu erst hatte er geglaubt, sie wäre immer dieses warme Hochgefühl, das er in ihrer nähe empfand. Dann hatte er den kalten Stachel der Eifersucht kennen gelernt, den sie mit sich bringen konnte und nun zeigte sie sich ihm erneut auf eine Art, die ihm völlig fremd war und ihn auf gewisse Weise überforderte.

„Um genau das zu erreichen,"
sagte er schließlich traurig und deutete auf die Gruppe ihrer Begleiter, die noch immer Weinten und Klagten. Wie selbstvergessen wiegten sie sich hin und her, nichts mehr wahr nehmend als ihr Leid und die Verzweiflung.

„Ein gebrochener Krieger kämpft nicht und wenn sich, das was hier geschehen ist, herum spricht, werden viele Angst bekommen und vielleicht aufgeben."

„Deshalb?"
Ihre Stimme war ein heiseres Krächtze, doch der Griff, mit dem sie sich an sein Hemd klammerte wurde plötzlich fest.

„Deshalb hat er ihnen das an getan?"
Kajatan merkte wie, das Zittern ihres Körpers, erstarb und stattdessen einer plötzlichen Spannung Platz machte.

Der Blick, mit dem sie nach vorne sah, war mit einem mal von einer Härte, die er an ihr nicht kannte. Doch ihre Augen schienen die toten Golem nicht zu sehen, sondern auf etwas, oder auf Jemanden, weit in der Ferne zu liegen.

„..ihn um,"
flüsterte sie, so leise, das nicht mal Kajatan der direkt neben ihr stand, die Worte verstand.

„Was?"

Ruckartig wand sie sich ihm wieder zu. Das Gold ihrer Augen schien zu brennen. Es pulsierte mit einer, ihm unbekannten Kraft und entschlossen sah sie ihn an.
Dann öffnete sie den Mund und der Hass, der aus ihrer Stimme sprach ließ diese wie die einer Fremden klingen.

„Ich bringe ihn um. Diesen verfluchten Bastard von einem Kommandanten.
Ich bringe ihn um!"

Der Gesang der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt