14.Kapitel:Süß wie Rachegedanken

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Das erste was Ryu wahrnahm, als sein Bewusstsein aus dem Nichts auftauchte war der Schmerz. Er explodierte im regelmäßigen Takt seiner Herzschläge in seinem Schädel. Gleißend suchte er sich seinen Weg durch Arterien und Muskeln, bis er Ryus gesamten Körper ausfüllte.

Das zweite was er spürte, war Wut.
Wie eine giftige Masse brodelte sie in seinem Inneren und begann den Schmerz zu verdrängen.
Sie jagte durch seine Glieder und gegen ihre lodernde Gewalt, verblasste jede andere Empfindung.

Seine Finger zuckten und kratzten über den erstarten Sand. Unbeholfen zog er die Beine an, um sich hoch zu stämmen. Seine Kniehe rutschten auf dem ungewohnt glatten Boden ab und er landete unsanft auf dem Bauch.

Der Zorn in ihm loderte auf und mit einem Wutschrei schleuderte er sich noch vorne. Seine Hände, mit denen er sich auffangen wollte, knickten unter ihm weg. Er überschlug sich, spürte Sand in seinem Gesicht und blieb schließlich reglos liegen.

Der Untergrund unter ihm war weich. Es war Sand. Normaler Sand. Keiner der sich um seine Knöchel schlang und ihn fest hielt. Nur normaler Sand.

Langsam richtete er sich auf. Jeder seiner Muskeln schrie bei dieser Anstrengung, aber er ignoriert es.

Seine Hand fuhr durch die Luft und fand den Halt den sie suchte schließlich an der Wand des Saals.
Er schwankte noch immer, aber er stand.

Schwer atmend rief er sich die Letzten Geschehnisse ins Gedächtnis.

Kajatan hatte ihn nieder geschlagen.
Der Mann mit dem er seit drei Jahren in dieser verfluchten Ruine wache schob, hatte ihn nieder geschlagen.
Und warum?
Um dieses Golem Ding zu beschützen.

Vor Wut biss er die Zähne auf einander, schmeckte Blut und spuckte aus.

Dann hob er die freie Hand und betastet vorsichtig die Wunde an seinem Kopf. Seine Finger stießen auf Stoff.
Verwundert tastete er weiter.
Dann begriff er. 

Kajatan hatte ihn verbunden.
Er hatte ihn vor dem Verbluten bewahren wollen.

Diese kleine Missgeburt.
Wenn er ihn schon nieder schlug sollte er doch auch Manns genug sein ihn sterben zu lassen. Aber nein, er musste ihn ja verbinden.
Dabei wusste er genau was ihn, Ryu erwartete wenn man sein versagen entdeckte.

Die zornigen Flammen in seinem Inneren erloschen schlag artig. Ryus Blick wurde kalt.
Auch sein Innerstes schien auf einmal von einer Eiseskälte erfüllt zu sein, die er nie vorher gespürt hatte.

In ihm breitete sich kalte Entschlossenheit aus.

Sie war scharf wie ein Messer und brachte ihn dazu seinen Verstand zu gebrauchen.
Er schnupperte und fand tatsächlich den Geruch der beiden. Aber er war schal. Kajatan und das Golem Ding mussten vor Stunden von hier aufgebrochen sein.

Ein knurren stieg aus seiner Kehle, das sich in ein dunkles Lachen verwandelte. Es wurde immer lauter und steigerte sich zu dem Gelächter eines wahnsinnigen, das von den Wänden wiederhalte und die Luft füllte.

Wenn Kajatan wirklich dachte er könnte ihm entkommen...

Das Lachen erstarb, aber es schien in seinem Gesicht zu einem Grinsen erstarrt zu sein.

Ein Geräusch von draußen riss ihn aus seinen Rache Gedanken.
Es war das Geräusch von einem Rumpf, der über Sand schliff.

Humpelnt und zitternd schleppte er sich zur Tür um in den Innenhof zu blicken.

Das Grinsen wurde breiter und ließ seine spitzen Zähne aufblitzen, als er sah wie sich seine Vermutung bestätigte.

Aus dem Sand farbenen Sturm schälte sich eine Silhouette, ein hohes Dreieck, das sich schnell näherte.
Das Windschiff, das ihnen die Vorräte für diesen Monat bringen  wollte.
Es war zu früh, aber das kam Ryu gerade recht.

Es war das übliche kleine Modell, das von einem einzelnen Golem gesteuert wurde, der in diesem Moment das Segel räffte. Im Inneren saß eine einzelne Person. Der Mann war ihm bekannt, auch wenn sie in all den Jahren nicht mehr als zehn Worte gewechselt hatten. Sie kannten nicht einmal des anderen Namen.

Ruys Grinsen wurde noch ein Stück breiter.

Das war gott noch mal perfekt.

Er tastete an seinem Gürtel nach dem Schwert, aber er fand nur eine lehre Schlaufe.
Ein Fluch löste sich von seinen Lippen.
Erst da merkte er das seine Maske fehlte.
Wenn der Mann das sah würde er sofort misstrauisch werden.
Er würde eh Fragen stellen, wenn Ryu alleine auftauchte, aber so würde er vielleicht nicht einmal aussteigen.

Das Schiff passierte das riesige Eingangstor, wendete elegand um Neunzig Grad und kam schließlich schlitternt im tiefen Sand zum stehen.

Der Golem, der seine Aufgabe erfüllt hatte verharrte regungslos. 

Ryu beobachtete ihn genau. Seine Augen waren tief schwarz, so wie es sich gehörte. Er zeigte auch keinerlei Regung, wie das Mädchen es getan hatte.

Warum nicht?

Diese Frage kreiste durch seinen Verstand wie ein nerviges Insekt, wurde aber jäh zurück gedrängt als sich die Kabine des kleinen Windschiffes öffnete.
Der Mann streckte den Kopf heraus und sog gierig die frische Luft ein, als wäre er kurz vor dem Ersticken.

Das Grinsen kehrte aus Ryus Gesicht zurück.
Oh ja. Heute war das Glück wahrlich auf seiner Seite.
Der Wunsch nach frischer Luft würde dem Mann zum Verhängnis werden. Würde seinen Tod besiegeln und ihm die Möglichkeit zur Rache verschaffen.

Er betrat vorsichtig die Treppe. Seine Schritte waren noch immer  unsicher, aber mit jedem Meter gewann sein Körper etwas von seiner alten Kraft und leichtigkeit zurück.
Er hielt den Kopf gesenkt, so das der Mann in der Sand getränkten Luft sein Gesicht nicht sah.

Die Kälte die sich seiner bemächtigt hatte würde von nun an jede seiner Handlungen bestimmen. Er würde Kajatan finden und wenn er ihm bis ans ende der Welt folgen musste.

Er sah es schon vor sich. Kajatans dunkles Blut, das roter Gischt gleich aus seinem Körper sprühte und dabei wie tausend winzige Robiene funkelte. Es würde an seinen Händen kleben, von seinen Krallen herab tropfen und seine Kleidung tränken.
Er konnte schon fast riechen. Es würde süß riechen.

Seine Zunge kam hervor und glitt über die Dünnen Lippen.

Der Mann bemerkte ihn erst als es bereits zu spät war.

Das letzte war er sah waren eiskalte gelbe Augen und ein weit aufgerissenes Maul voll mit spitzen Reißzähnen.

Der Gesang der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt