Kapitel 2

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Rhaenys konnte nicht sagen, wann genau sie den Überblick verlor. Tristan führte sie durch unzählige Gänge, einige hell erleuchtet, andere ohne jegliche Lampen und somit dunkel wie die Nacht. Sie musste ihm vertrauen, ihre Hand lag sicher in seiner während sie durch die Gänge liefen. Je weiter sie kamen, desto lauter wurden entfernte Stimmen hörbar. Waren in der Küche noch Angestellte? Hier würde heute Abend niemand mehr speisen.

Je näher Rhaenys und Tristan der Küche kamen, desto heller wurden die Gänge, bis sie zu einem breiteren, hell erleuchteten Gang kamen. Die Stimmen kamen aus den Räumen links und rechts des Ganges. Beinahe lief sie in Tristan hinein, als er plötzlich abrupt zum Stehen kam und Rhaenys bedeutete zu schweigen. Warum hielt er an? Sie mussten das Personal warnen und mit ihnen den Weg aus dem Schloss rechtzeitig hinter sich bringen ehe die Geächteten nach dem Königspaar suchen wurden. ,,Tristan…er sollte das Schloss längst verlassen haben. Wenn sie ihn finden ehe er in Sicherheit ist, noch dazu unbewaffnet..“ Rhaenys Gedanken rasten in ihrem Kopf durcheinander, sodass sie zunächst keinen klaren Gedanken fassen konnte. Erst ein Blick auf Tristans Gesicht, der vollkommen konzentriert dastand und den Stimmen zuhörte, ließ sie sich wieder beruhigen. Überrascht konnte sie den Stimmen nur Männern zuordnen, das war etwas seltsam. Sie sprachen laut, lachten über einen zotigen Witz und schienen dabei das ein oder andere auf den Boden fallen lassen. ,,Nein, das kann nicht sein…wie konnten einige Geächtete so schnell in das Schloss eindringen?“ ihre Stimme war ein kaum vernehmbares Flüstern, doch Tristan hatte sie verstanden. Er schien genauso überrascht wie Rhaenys selbst, das es einige von ihnen so schnell in das Schloss geschafft hatten. Anders als durch Spione konnte es sich die junge Frau nicht erklären. Doch diese Frage war nicht das eigentliche Problem, das die beiden geraden hatten. Irgendwie mussten Rhaenys und Tristan an den Geächteten vorbei um überhaupt eine Möglichkeit zu haben aus dem Schloss zu entkommen.

Tristan nahm erneut ihre Hand, diesmal sahen sie seine Augen sicher und aufmunternd an. Stumm nickte Rhaenys als Antwort. Der Gang war schmal, sie liefen hintereinander und so leise sie irgend konnten, um nicht gehört zu werden. Es erwies sich als überaus schwierig, man konnte nicht genau hören in welchen Räumen sich die Männer befanden, außerdem standen immer wieder Vasen mit Blumenschmuck auf dem steinernen Boden. Nur ein falscher Schritt, und Rhaenys würde mit ihrem Kleid eine der Vasen umwerfen. Beider Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

Das Ende des Ganges schien so nah, nur noch wenige Meter und sie wären nicht mehr weit vom Ausgang aus dem Schloss entfernt…als es passierte. Zwischen einem schmalen Gang aus Blumengestecken hakte sich Rhaenys Kleid in eine der Pflanzen ein und riss sie mit sich. Panisch drehte sie sich um, sah, wie die Vase wackelte, fiel, und in tausenden Scherben zersprang.

,,Lauf Rhaenys!“ Dies waren die einzigen Worte, die Tristan zu ihr sagte, bevor er ihre Hand losließ und vor ihr bis zum Ende des Ganges rannte und nach links abbog. Unter Tränen der Angst versuchte sie, das Kleid aus den Pflanzen zu entfernen, doch ihre Finger zitterten so sehr…wieder tauchten die Bilder vor ihrem Innern auf. ,,mein Liebling, pass immer auf dich auf…ich werde auf dich aufpassen, dich von oben herab beschützen…Rhaenys…“ Dies waren ihre letzten Worte gewesen. Die Männer in den Räumen waren von dem Klirren der zerbrochenen Scherben aufmerksam geworden und auf den Gang getreten. Als sie diesen hinabblicken, sahen die Männer nur noch den Saum eines Kleides hinter der linken Ecke verschwinden.

Rhaenys lief, wie sie noch nie gelaufen war. Sie war doch noch so jung, so schön…und viel zu jung um hier, an diesem Abend zu sterben. Dabei wollte sie doch garnicht auf diesen Ball! Andererseits...wer hätte ahnen können dass er so endet? Tristan war schon vorausgeeilt, sie konnte ihn nicht sehen, denn hier wurden die Gänge wieder dunkler. ,,Sie sind hinter dir, Rhaenys!“ ,dachte sie panisch und lief noch ein wenig schneller. Was würden sie mit ihr machen? Gäbe es ein kurzes Ende oder würde sie leiden müssen? So schlimme Nachrichten hatte man bereits von den Opfern der Geächteten gehört. Sie seien skrupellos, unberechenbar und vor allem gefährlich. Ihre Anführer waren einst Männer von hohem Range am Hof des Königs gewesen. Wohlhabende Leute, die dem König als Berater, Minister und Befürworter dienten. Bis zu dem Tag, an dem sie versucht hatten den Machthaber zu stürzen und durch ihre Intrigen selbst noch mehr Macht zu erlangen.  ,,Wer Macht hat, kann ihr irgendwann nicht mehr widerstehen und möchte immer mehr von ihr, sie denken die Macht mache sie stärker. Und jemand der eine gewisse Macht hat, wird sie nicht so ohne weiteres wieder abgeben wollen.“ Vom König als vogelfrei erklärt, streiften sie mit neu dazugewonnenen Anhängern durch das Land und rächten sich an denjenigen, die sie zu dem gemacht hatten was sie heute waren. Die Rache an ihrem Vater hatte darin bestanden, dass die Geächteten die Mutter von Rhaenys und Stephan kaltblütig umgebracht hatten. Deswegen hatte sie so panische Angst vor diesen Männern, vor ihren Waffen, ihren Händen an denen das Blut so vieler unschuldiger Menschen klebte.

Die Geächteten holten auf. Ohne die Hilfe Tristans konnte Rhaenys nur blindlings durch die Gänge rennen und hoffen, irgendwann ein Ende dessen zu sehen. Es musste doch in diesen Gängen jemanden geben, der auf ihrer Seite war, der die junge Frau vor den Waffen der Geächteten beschützen konnte….oder etwa nicht?

Etwas zischte an ihr vorbei, nur ganz knapp verpasste es ihr Ohr. Es war ein Pfeil.

Der nächste Pfeil wurde eingelegt. Er traf. Rhaenys sank vor Schmerz, der sich von ihrem Arm aus in ihrem ganzen Körper auszubreiten schien, auf dem marmornen Boden zusammen.

Ihr letzter Gedanke, ehe sie ohnmächtig vor Schmerz wurde?

 

,,Hoffentlich konnte Tristan entkommen.“

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Hier das versprochene 2. Kapitel von ,,I´ll hold you“! Wie fandet ihr es? Über Meinungen in den Kommentaren würde ich mich wahnsinnig freuen.:)

XO, FlowersInOur_Hair

 

I'll hold youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt