Die Gerüche. Sie kamen Rhaenys so vertraut vor, das sie im ersten Moment glaubte sie sei zu Hause. Es war, als wäre sie wieder acht und würde mit ihrem Bruder im Garten hinter dem Anwesen ihrer Familie spielen. Damals, als alles noch so perfekt und friedlich war. Damals...das war, bevor man ihr die Mutter genommen hatte. Sie war eine gütige und schöne Frau, nichts war ihr wichtiger als das Wohlergehen ihrer Familie. Und letztendlich hatte sie sich für ihre Zwillinge geopfert.
Warum dachte sie jetzt daran? Es mussten die Gerüche der Natur gewesen sein, das weiche Gras unter ihren Händen und die Stimmen der Vögel in den Bäumen. Es schien so idyllisch, das ihr in den Momenten des Erwachens fast die Tränen kamen. So sehr wünschte sie sich, sie wäre wieder acht, so sehr wünschte sie sich diese glückliche Zeit zurück...
Als Rhaenys hörte wie jemand ihren Namen heiser flüsterte, riss sie dies aus ihren Gedanken. Nein, sie war keine acht mehr, ihr Bruder war nicht bei ihr und die geliebte Mutter war ihnen von den Männern genommen wurden, die sie anscheinend...auf dieser Lichtung ausgesetzt hatten.
Ein klarer Kopf. Das war, was sie jetzt brauchte. Als allererstes setzte sie sich langsam auf. Ihr schien außer dem verletzten Arm nichts zu fehlen, doch auch dieser Schmerz schien nur gedämpft von ihr bemerkt zu werden. Sie waren auf einer kleinen Lichtung, am Rande floss ein Bach durch die grüne Waldlandschaft. Sie war sich sicher, noch niemals an diesem Ort gewesen zu sein. Langsam stand Rhaenys auf. Sie hatte noch immer das Ballkleid an. Was würden ihre Tanten nur über den Zustand des Kleides denken...bei dem Gedanken lachte sie fast. Wie konnte sie jetzt nur an ihre strengen Tanten denken? Vermutlich überlegten sie sich schon die Moralpredigt die sie ihr halten konnten, da sie die Tanzaufforderung des Prinzen nicht angenommen hatte...,,falls ich wieder nach Hause finde." Dieser Gedanke bereitete Rhaenys am meisten Angst.
Mit wachsamem Blick lief sie den Rand der Lichtung ab. Sie war sich sicher vorhin ihren Namen gehört zu haben, doch woher kam der leise Ruf nur? Plötzlich erblickte sie ein paar Stiefel, der Rest verschwand hinter dem mächtigen Stamm einer großen Eiche. Zunächst näherte sie sich langsam, dann wurden ihre Füße beim Anblick der Kleider schneller bis sie zu dem halb bewusstlosen Mann am Boden gelangt war. Um ihn nicht zu erschrecken, kniete sie sich langsam neben ihn. ,,Tristan?" Ihre Stimme war nur ein Flüstern, sie musste das Zittern in ihr unterdrücken. Langsam öffnete er seine Augen, seine fiebrig glänzenden Pupillen suchten ihren Blick. ,,Rhaenys...ich glaube wir sahen beide schon einmal besser aus.", ein schiefes Lächeln stahl sich für kurze Zeit auf seine Lippen, doch als er sich versuchte aufzusetzen keuchte er vor Schmerz auf und sank dann zurück in das weiche Bett aus Gras. Er schien starke Schmerzen zu haben, das war Rhaenys in diesem Augenblick sehr bewusst. Sanft legte sie ihre zarte Hand auf seine Stirn, während Tristan die Augen wieder geschlossen hatte. Er glühte förmlich, vielleicht hatten sich die Wunden der Peitsche infiziert, vielleicht war es aber auch etwas anderes...Rhaenys kannte sich nicht allzu gut in der Kunst des Heilens aus. Sie konnte ihm nur mit dem helfen, was sie wusste und was hier zu finden war.
,,Wenigstens sind wir nicht mehr bei in den Kerkern...", sagte Tristan mit einem schwachen Lächeln. ,,Wir sind zu zweit. Wir werden das ...schaffen", das letzte Wort ging in einem heiseren Husten über. In ihrem Blick lag für einen kurzen Augenblick die reine Angst. Schnell wand sie den Blick ab, doch er hatte sie gesehen. Mit dem unverletzten Arm drehte er ihr Gesicht sanft zu sich. ,,Wenn es mir besser geht suchen wir nach einem Haus oder einer Lichtung. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben." Zögernd nickte Rhaenys, und doch spürte sie wie ihr seine Worte neuen Mut machten. ,,Kannst du gehen?" Mit einem Arm stützte er sich auf. ,,Wir können es versuchen."
Sie konnte nicht sagen wie lange es gedauert hatte, doch irgendwann hatte sie es geschafft Tristan so zu stützen, dass sie es bis zur Nähe des kleinen Baches geschafft hatten. Er war ganz blass geworden, und fast hätte sie gedacht er würde beim nächsten Schritt in Ohnmacht fallen, doch sie hatten es geschafft. Das dunkelbraune Haar klebte ihm an der Stirn, und er war danach scheinbar sofort eingeschlafen. Rhaenys wusch in der Zeit eine Stücke Stoff von ihrem Kleid am Bach aus, bis sie ganz sauber waren. Behutsam und sehr sanft bettete sie seinen Kopf auf ihrem Schoß und kühlte seine Stirn mit einem der Tücher. Rhaenys rührte sich die ganze Nacht nicht einmal, während Tristan mit dem Kopf auf ihrem Schoß schlief. Schlaf würde sie hier ohnehin nicht finden. Als die Nacht hereinbrach und nurnoch der Mond die Lichtung erhellte, began die junge Frau leise zu singen. Es war ein Lied, welches ihr ihre Mutter den Zwillingen sehr gerne vorgesungen hatte. Ihre Stimme war so sanft und so beruhigend gewesen, das es die Zwillinge immer sehr schnell in den Schlaf gewiegt hatte. Auch Tristan schlief nun ruhiger.
Es war keineswegs eine absurde oder komische Situation für Rhaenys, den Grund dafür konnte sie sich selbst nicht einmal erklären. Er brauchte sie, und sie war hier, bei ihm, in dieser wolkenlosen, sternenklaren Nacht. Wäre sie an seiner Stelle gewesen, so hätte er mit Sicherheit das gleiche für sie gemacht, denn so war sein Charakter. So hatte sie ihn bisher kennengelernt.
Und doch überschattete dieser reine, stille Moment ein Gedanke in Rhaenys Kopf.
Was, wenn wir nicht mehr nach Hause finden? Was wenn...er stirbt?
Nein. Sie verbot sich diesen Gedanken. Es musste ein Haus, eine Siedlung oder ein kleines Dorf hier geben. Sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben, es war das einzige was ihr blieb. Sanft fuhr sie mit dem kühlen Stoff über Tristans fiebrige Stirn. Er durfte nicht sterben. Er durfte sie hier nicht alleine lassen.
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Es tut mir so leid das ihr so lange auf das nächste Kapitel warten musstet! Ich verspreche, das ich in den nächsten Tagen/Nächten die nächsten Kapitel fertig schreiben werde!:)
Das Kapitel ist leider nicht so lang wie die letzten, ich würd mich trotzdem total über eine Anmerkung oder Kritik dazu freuen!
XO, FlowersInOur_Hair
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I'll hold you
RomanceRhaenys wollte nicht zu diesem Ball, sie war niemand den man in eine Schublade mit den Mädchen ihres Alters stecken konnte. Seit dem Tod ihrer Mutter ist sie voller Angst verlassen zu werden, kann nur sich selbst und ihrem Zwillingsbruder Stephan ve...