Kapitel 12.

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"Ich kann es nicht fassen, dass das Jahr schon fast wieder vorbei ist!", sagte Izzy, als wir auf dem Dach des Instituts saßen, "es ist so viel passiert! Sowohl Gutes als auch Schlechtes."
Stumm nickte ich und beobachtete ein paar kleine Schneeflocken, die sich verirrt hatten. Es war Ende November und erstaunlich kalt.
Wieso wir eigentlich hier oben waren hatte ich schon wieder vergessen. Izzy hatte irgendwas von toller Aussicht und gutem Aussichtspunkt erzählt, als sie mich hinter sich her geschleift hatte.
Jetzt saßen wir schon seit einer Stunde hier oben und ich fror. Noch immer wusste ich nicht, was los war und was es hier zu sehen gab.
"Izzy!", jammerte ich und wippte genervt und zitternd herum, "was ist jetzt hier los? Ich will rein! Mir ist kalt. Hier ist nichts..."
Plötzlich wurde mir eine dicke Jacke über die Schultern gelegt und dann reichte Jace seiner Schwester und mir einen Becher voll mit dampfender Schokolade. Ich legte sofort meine Hände um den Becher und genoss die Wärme.
"Hab ich schon was verpasst?", fragte Jace, legte einen Arm um mich und zog mich ans Geländer, "sind die beiden schon aufgetaucht?"
"Du hast verpasst, dass ich überhaupt nicht weiß, was hier los ist," sagte ich und verzog das Gesicht, "jetzt sagt schon, was mich erwartet!"
Die beiden wechselten ein breites Grinsen und deuteten auf eine Straßenecke, wo Magnus und Alec erschienen. Die beiden schlenderten nebeneinander her und sprachen lachend miteinander.
Neugierig lehnte ich mich vor und beobachtete die beiden. Magnus hatte Alec's Hand ergriffen und schaute seinen Begleiter immer wieder lange an. Mein Bruder mochte diesem Shadowhunter wirklich gerne. Es sah sogar aus, dass er wirklich verliebt in ihn war. Und das freute mich sehr für ihn.
Lächelnd trank ich ein wenig der Schokolade und meinte zu Jace und Izzy: "Woher wusstet ihr, wann sie hier langgehen würden?"
Dass die beiden heute auf einem Date sein würden, hatte ich gewusst. Doch dass sie dort unten langgehen würden hätte ich nie wissen können.
"Schau einfach zu," grinste meine neue beste Freundin und zwinkerte mir vielsagend zu, als sie bemerkte, dass Jace einen Arm um mich gelegt hatte und seine Hand an meiner Hüfte ruhte.
Ich verdrehte die Augen und schaute wieder hinab zu den beiden Männern.
Sie waren stehen geblieben und standen sich nun gegenüber. Alec schaute nervös auf seine Füße und schien nicht zu wissen, was er tun  sollte. Und Magnus tat ebenfalls nichts. Er war entweder nervös oder wollte Alec den ersten Schritt überlassen.
Zähneknirschend zog ich die Augenbrauen zusammen und kaute auf meiner Lippe herum. Einer der beiden sollte sich jetzt einfach mal trauen und den nächsten Schritt wagen!
Am liebsten würde ich mit einem Zauber nachhelfen, aber ich hatte Magnus versprochen, mich nicht derartig einzumischen. Also musste ich Ruhe bewahren und abwarten...
Die anderen beiden neben mir wurden langsam auch ungeduldig und fingen an, zu zappeln. Izzy lief von einer Stelle zur anderen und suchte sich einen bessere Stelle zum Beobachten. Jace' Hand wanderte von meiner Hüfte, zu meiner Taille, strich dann über meinen Rücken und wandere dann wieder zurück.
Und dann endlich passierte etwas! Alec trat näher an Magnus heran und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Dann beugte er sich vor und presste die Lippen einfach auf die meines Bruders. Dieser zog Alec näher heran und erwiderte den Kuss.
Grinsend lehnte ich den Kopf gegen Jace' Schulter und seufzte. Endlich war Magnus über Camille hinweg. Das hatte lange genug gedauert.
Mein Handy begann zu vibrieren und ich löste mich von Jace. Dann ging ich ein Stück weg und ging ran.
"Hallo?", meldete ich mich und trank noch einen Schluck heiße Schokolade.
"Felisa," hörte ich Camille säuseln und seufzte. Wenn man an den Teufel dachte, kam er vorbei.
"Du hast dir deine Belohnung für den letzten Auftrag noch gar nicht abgeholt," fügte sie hinzu und ich sah sie praktisch hinterhältig Lächeln. Wenn ich jetzt hingehen würde, würde ich nur wieder einen neuen Auftrag bekommen. Und eigentlich hatte ich keine Lust darauf.
"Jetzt?", fragte ich seufzend und warf meinen Freunden einen Blick zu. Sie beobachteten noch immer gespannt das Pärchen auf der Straße. Ich legte Jace' Jacke ab und stellte den Becher daneben. Dann machte ich mich auf den Weg nach unten, um mich umzuziehen.
"Wann sonst?", erwiderte die Vampirin am anderen Ende der Leitung, "kommst du ins Hotel? Wir können auch gerne woanders hin..."
"Hotel ist okay," sagte ich eilig und zog meine Winterjacke an, "gib mir zehn Minuten."
Damit legte ich auf, steckte mein Handy in die Tasche und verließ das Institut auf meinem Motorrad. Als ich an Magnus und Alec vorbeifuhr - so schnell, dass sie mich nicht erkannten - sah ich, dass sie nur noch da standen und Stirn an Stirn gelehnt hatten uns sich tief in die Augen schauten. Schon süß.

Ich betrat Camilles Salon und ließ mich auf einer Couch nieder. Einer der Lakaien, der mich hereingeführt hatte, brachte mir ein Getränk. Natürlich Whisky.
Seufzend schlug ich die Beine übereinander und wartete. Keine zwei Minuten später kam Camille herein und lächelte mich an. Ihr Lächeln war so falsch wie ihre aufgeklebten Nägel, doch ich sagte nichts und trank einfach etwas.
"Schön, dass du da bist!", meinte sie begeistert und ließ sich mir gegenüber nieder, "hier ist deine Belohnung. Wie wäre es mit einem weiteren Job?"
Einer ihrer Lakaien brachte mir ein uraltes Buch. Erstaunt blickte ich es an und strich über den alten, ledernen Einband. Das war ein uraltes Zauberbuch! Und so, wie es aussah, kannte ich es nicht. Und das musste was heißen.
"Danke," sagte ich verwundert und lächelte sie an, "ich weiß dennoch nicht, wieso ich noch etwas für dich tun sollte."
Ihr Lächeln wurde raubtierhaft und sofort erkannte ich, dass sie noch mehr hatte, dass mir nützen könnte.
Zähneknirschend trank ich mein Glas aus und hob eine Augenbraue. "Was hast du noch für mich?", fragte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
"Informationen über deinen Vater und wie du ihn loswerden kannst."
Wieso wusste sie so etwas? Und woher wusste sie überhaupt von Ramsey? Und wieso verdammt nochmal wusste sie mehr über ihn als ich, wie es mir schien?
Ich schluckte und schaute sie stumm an. Keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte. Es könnte schließlich auch eine Lüge sein und in Wahrheit wusste sie rein gar nichts. Aber immerhin hatte sie ein so seltenes, altes Zauberbuch gehabt und mir jetzt überlassen. Und mir gegenüber hätte sie noch nie wirklich gelogen. Wieso sollte sie es also jetzt tun?
"Und was ist der Job?"
Ihr Lächeln verriet mir, dass es nichts Gutes war. Etwas, wo sich alles in mir dagegen sträuben würde, es zu tun... aber es ging um etwas verdämmtes wichtiges! Was sollte ich also tun?!

Halfblood - Liebe auf der GrenzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt