Ich saß in meinem winzigen Büro und durchforstete den Stapel Akten nach etwas brauchbarem. Ich benötigte dringend eine bestimmte Rechnung, um einen Kunden zu bedienen. Seit fünf Stunden wälzte ich nun schon Akten, Bücher und Ordner, aber ich fand diese bescheuerte Quittung einfach nicht. Wieso musste eigentlich immer ich die Kunden mit komplizierten Anliegen abkriegen? Ach ja, weil ich erst seit zwei Monaten hier arbeitete und so ziemlich der einzige mit ordentlicher Ausbildung war - mal abgesehen von den "höheren Tieren" im Unternehmen.
Normalerweise machte ich immer um vier Schluss, jedoch war es an diesem Freitag schon nach 17 Uhr. Das einzig Gute an dieser beschissenen Arbeit war, dass ich wirklich gut verdiente für meine niedrige Position. Überstunden brachten mir sogar den doppelten Lohn ein. Zu Hause wartete sowieso niemand auf mich, also konnte ich meine Zeit genauso gut mit arbeiten verbringen.Seufzend rieb ich mir die Schläfen. Ich sollte vielleicht doch endlich Feierabend machen und mich in meine single Einzimmerwohnung begeben. Natürlich lebte ich allein. Mit knapp einundzwanzig meiner Meinung nach auch nicht allzu verwunderlich. Klar wäre es schön jemanden zu haben, aber wie sollte ich bitte jemanden finden? Schwul, schüchtern, unerfahren. Zugegeben, man konnte mich nicht als hässlich bezeichnen. Meine dunkelblonden Haare fielen mir bis knapp in den Nacken und betonten meine hellbraunen Augen. Ich war sehr schlank, aber hatte keinen Gramm Muskeln an meinem Körper. Ich hasste nämlich Sport. Andererseits war ich Vegetarier und achtete sehr auf meine Ernährung, denn dick wollte ich keinesfalls werden. Es mochte verrückt klingen, aber ich kam damit zurecht.
Nach einem Schluck aus meiner Wasserflasche, heftete ich den Blick wieder auf die Papiere. Ein halbes Stündchen würde ich schon noch schaffen.Aus einer halben Stunde wurden zwei. Und gefunden hatte ich trotzdem nichts. Gerade als ich kurz davor stand, den vor mir liegenden Ordner aus Frust in die Ecke zu schleudern, klopfte jemand an der Tür. Wer mochte das um diese Uhrzeit sein?
Verwundert rief ich: "Herein!"
"Guten Abend Herr Bernhof, ich habe gesehen, dass das Licht in ihrem Büro noch brennt. Ich wollte soeben gehen. Nicht, dass ich sie hier noch einschließe. Was machen sie an einem Freitag so spät noch hier?" In der Tür war mein Vorgesetzter erschienen.
"Ah, guten Abend Herr Lorenz. Ich habe heute einen kniffligen Fall hereinbekommen. Ich suche eine Quittung, leider wurde der Teil Möbel ja noch nicht vollständig in die neue Software gespeichert, daher durchforste ich die Akten seit Stunden danach. Ich werde jedoch nicht fündig.", meinte ich höflich, aber sehr leise.
Ich war etwas aus dem Konzept gebracht, nicht nur durch sein unerwartetes Auftauchen, sondern auch von seinem Aussehen. Ich hatte ihn noch nicht oft zu Gesicht bekommen, meist nur von Weitem. Aber ich musste zugeben, dass dieser Mann extrem attraktiv war. Dunkelbraune Haare und dunkelblaue Augen, die ein wenig geheimnisvoll wirkten. Er war groß und muskulös, wie man unter seinem schicken Anzug gut erahnen konnte. Er war auf elegante und gleichzeitig geheimnisvolle Art und Weise hinreißend.
'Hör auf, sonst sabberst du noch!', tadelte mich meine innere Stimme.
"Oha. Kann ich ihnen vielleicht behilflich sein? Ich könnte einige Akten durchsehen.", bot er mir nach kurzem Überlegen überraschenderweise an. Ich war ganz verblüfft, hatte ich doch immer angenommen, er wäre ein arroganter Schnösel, wie sein Vater, der diese Firma leitete. Scheinbar hatte ich mich geirrt.
Ich war um jede Hilfe froh. So langsam wollte ich doch nach Hause - in mein schönes warmes Bett. Und ich hatte keine Lust am Montag noch einmal alles auszurollen und noch mehr Zeit mit der Suche zu vergeuden. Daher nickte ich.
Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein kleines Lächeln ab.
'Ich glaube, ich schmelze gleich wie Butter in der Sonne.'Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann kam er zu meinem Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber.
"Dann geben sie mir mal ein paar Ordner." Ich schob ihm einen kleinen Stapel zu. Sofort schlug er den ersten Hefter auf, doch dann sah er zu mir und fragte: "Was ist das für eine Quittung?"
'Stimmt, ich muss ihm ja sagen, nach was er überhaupt suchen muss. Ich bin manchmal ein echter Dummkopf.', tadelte ich mich im Stillen.
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The Tie // #wattys2017
RomanceThomas ist mit 21 schon ziemlich erfolgreich. Er hat einen guten Job und eine eigene Wohnung. Er kennt sich selbst genau. Make-up, sexy Klamotten und gutes Styling sind Standard. Sein Leben ist gut, nur die Einsamkeit plagt ihn. Er ist schwul, nur i...