Das Wochenende verging schnell. Ich verbrachte meine Tage mit schlafen, lesen und fernsehen. Als ich mich am Montag in mein Auto setzte war ich fit und ausgeruht, aber meine Laune war trotzdem im Keller. Herr Lorenz war mir die letzten Tage nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Er und seine wunderschönen Augen hatten sich in meinem Hirn festgesetzt und erinnerten mich immer wieder an die Situation im Aufzug. Die Tatsache, dass er diese Woche höchstwahrscheinlich mit mir zusammen arbeiten würde, machte es nicht besser. Ich hoffte inständig, ihm war Freitag unangenehm genug gewesen, um mich nun, so weit es ging, zu meiden.Leider war meine Hoffnung vergebens, denn als ich in mein Büro trat, sah ich mich dem dunkelhaarigen gegenüber. Er schien soeben erst gekommen zu sein und stellte seine Tasche ab.
"Ah, guten morgen, Herr Bernhof.", begrüßte er mich. Er lächelte freundlich.
"Morgen.", erwiderte ich kurz, schloss die Tür hinter mir und begab mich auf meinen Platz.
"Ist alles ok bei ihnen?", er klang beinahe besorgt. Beinahe.
"Alles bestens." Ich blickte nicht einmal auf, als er sich mir gegenüber setzte.
"Wie ist der Plan für die nächsten Tage?", wollte er wissen. Er hatte wohl meinen Unmut bemerkt und entschlossen mich nicht weiter nach dem Grund für meine schlechte Laune auszufragen.
"Ich begebe mich ins Archiv, sie müssen nicht mitkommen. Sie haben gewiss besseres zu tun.", murrte ich und versuchte, nicht allzu unhöflich zu sein, schließlich war er trotz allem mein Vorgesetzter. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, er solle verschwinden, aber derartige Respektlosigkeit würde mich meinen Job kosten und das konnte ich nicht riskieren.
"Ich habe ihnen meine Hilfe angeboten, ich breche keine Versprechen. Ich werde mit ihnen gehen." Entschlossenheit klang in seiner Stimme. Ich seufzte und blickte ihn letztendlich doch an.
"Na schön.", gab ich nach. Er lächelte. Ich spürte etwas in meinem Bauch, das ich nicht spüren wollte: angenehmes Kribbeln. Ich steigerte mich einfach zu sehr in diese Sache hinein. Das Beste würde sein, alles zu vergessen und weiter zu machen wie zuvor.Ein paar Stunden später kurz vor Dienstschluss waren wir wieder in meinem Büro. Die Akten stapelten sich bergeweise und gefunden hatten wir immer noch nichts.
"Ob wir hier jemals noch diese Rechnung finden?", dachte ich laut und seufzte.
"Das hoffe ich sehr, der Mann ist einer unserer Stammkunden und dieses Geschäft könnte uns entweder ein Vermögen einbringen oder andernfalls kosten.", antwortete Herr Lorenz. Er ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und meinte nach kurzem schweigen: "Für heute sollten wir Schluss machen. Es ist schon sechs Uhr."
Ich riss die Augen auf. "So spät?"
Er nickte. Schon wieder eine Überstunde. Da fiel mir etwas ein. "Verdammt.", murmelte ich und begann eifrig meine Sachen zusammen zu packen. Heute war Montag und halb sieben hatte ich wie immer einen Termin bei der Massage, wegen meinen häufigen Rückenschmerzen.
"Wozu die plötzliche Eile?", fragte mein Vorgesetzter. Ich sah ihn nicht an und warf ihm nur das Wort "Termin" an den Kopf.Fluchtartig verließ ich den Raum - natürlich nicht ohne mich höflich zu verabschieden und einen schönen Abend zu wünschen - und das nicht nur, damit ich meinen Termin nicht verpasste, sondern auch um endlich von diesem Schmierlappen von Typ wegzukommen.
Bei der Massage verquatschte ich mich wie so häufig mit meiner Physiotherapeutin Mandy. Diese war ein kleines Klatschmaul und konnte den Mund nicht stillhalten. Sie war eine gute Freundin von mir und deshalb tranken wir nach meiner Massage meist zusammen einen Kaffee oder gingen essen.
So auch heute.
"Sag mal, was ist heute los mit dir?", fragte sie und nippte an ihrer Tasse.
"Was soll sein?"
"Du bist so nachdenklich."
Ich zuckte die Schultern. Das lag wohl daran, dass mein heißer Chef mich vor einigen Tagen angemacht hatte und nun an mir hing, wie eine Klette.
"Wer ist es?", erriet sie sofort meine Gedanken. Sie hatte ein Näschen für so etwas.
"Niemand.", log ich und rührte in meinem Getränk.
"Aha, also ist er heiß?!", grinste sie.
Ich verdrehte nur die Augen.
"Nun sag schon, wer is' es?", bohrte sie weiter nach. Ich antwortete nicht.
"Komm bitte Tommy!"
"Gut! Aber du darfst es keiner Menschenseele verraten, verstanden?"
"Meine Lippen sind versiegelt.", sie tat, als schließe sie ihren Mund mit einem Schlüssel ab und lächelte mir auffordern zu. Ich seufzte und erzählte ihr dann von meinem Erlebnis mit Herrn Lorenz.
Als ich fertig war, stand ihr Mund so weit offen, dass er fast den Boden berührte.
"Ach du scheiße!", rief sie aus. "Das ist ja wie in einem Roman oder Liebesfilm! Der heißeste Typ der Welt steht auf dich und küsst dich im Fahrstuhl?" Mandy quiekte kurz entzückt auf. Ich ließ meinen Kopf in meine Hände fallen und stöhnte:
"Das ist nicht schön! Die Aktion war verdammt unheimlich und unangebracht. Außerdem ist er mein Vorgesetzter!"
"Das macht das Ganze nur spannender! Freu dich doch! Weißt du, was ich dafür geben würde, dass mich so ein Mann mag?"
"Ach hör auf...", murmelte ich leicht verzweifelt. Ich hätte ihr das nicht erzählen dürfen. Mir hätte klar sein sollen, wie sie reagiert.
"Du bist ein Blödmann! Ihr ward ganz allein, weißt du, was ich da gemacht hätte?"
"Stop!", unterbrach ich sie, doch das störte meine Freundin herzlich wenig. Sie redete einfach weiter.
"Ich hätte mit ihm rumgemacht und mich gegebenenfalls zu mehr überreden lassen." Sie wackelte mit den Augenbrauen, überschlug die Beine und nippte an ihrem Kaffee. An einem anderen Tag und wenn es um einen anderen Mann gegangen wäre, über den sie so sprach, hätte ich gelacht und ihr sogar zugestimmt, aber bei meinem Chef war das etwas komplett anderes!
"Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, hätte ich die Gelegenheit am Schopf gepackt und mich mal richtig rannehmen lassen.", fuhr sie fort. Ihr Gesichtsausdruck wurde träumerisch. Ich konnte mir gut - leider zu gut - vorstellen, an was sie nun dachte. Das Bild in meinem Kopf wollte ich nun wirklich nicht haben!"Mandy!", mahnte ich in scharfem Ton und sah sie durchdringend an. Sie erwachte aus ihren Tagträumen über Sex und grinste mich an.
"Sei mal nicht so spießig, Süßer. Ich weiß doch, dass es dir genau so geht! Ich will ja nichts sagen, aber wir sind, glaube ich, beide einfach untervögelt."
Das schlimmste an dieser Aussage war, dass es stimmte. Ich konnte ihr nicht widersprechen. Ich war nicht nur untervögelt, ich litt an chronischem Sexmangel. Mit einundzwanzig hatte ich ganze zweimal Sex gehabt und mein letztes Mal war zwei Jahre her. Das erklärte vermutlich alles.
"Okay, das kann ich nicht abstreiten, aber deswegen würde mir niemals in den Sinn kommen, mit meinem Chef zu schlafen!", protestierte ich. Mandy schüttelte den Kopf.
"Schnucki, das glaube ich dir nicht. Ich kenne dich seit zehn Jahren und weiß, wann du lügst."
"Ich lüge nicht!"
"Ja ja, betrüge dich ruhig selbst."
Ich gab keine Antwort, sondern trank lieber meinen Kaffee.Meine Freundin schien endlich gemerkt zu haben, dass ich nicht über Herrn Lorenz sprechen wollte, also wechselte sie das Thema.
"Sag mal, hast du am Wochenende Zeit?"
"Ja. Warum?"
"Ich würde gerne in einen Club gehen und wollte fragen, ob du mitkommst.", sie lächelte unschuldig. Ich stöhnte.
"Ernsthaft?"
"Ja!"
Eigentlich hatte ich absolut keine Lust, aber dann überlegte ich es mir anders. Nach all der Arbeit der letzten Wochen brauchte ich mal ein ordentliches Party Wochenende mit viel Alkohol.
"Gut, einverstanden. Ich komme mit.", sagte ich also.
"Prima, dann gehen wir Samstag- oder und Freitagabend feiern.", meinte sie und grinste. Da kam mir eine Idee.
"Ok, aber nur, wenn wir in meinen Lieblingsclub gehen."
"Der Schwulenclub?", fragte sie ungläubig.
"Schwulen und Lesben, genau.", grinste ich.
"Und was soll ich da? Ich bin nicht lesbisch!", protestierte sie.
"Da sind auch bisexuelle! Wenn du unbedingt abgeschleppt werden willst, finden wir schon jemanden!", versicherte ich ihr mit einem übertriebenen Augenrollen.
"Weißt du was? So machen wir das! Ich wollte eh immer mal in so einen Club.", gab Mandy schließlich nach.
"Perfekt." Ich grinste triumphierend.______________________
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The Tie // #wattys2017
RomanceThomas ist mit 21 schon ziemlich erfolgreich. Er hat einen guten Job und eine eigene Wohnung. Er kennt sich selbst genau. Make-up, sexy Klamotten und gutes Styling sind Standard. Sein Leben ist gut, nur die Einsamkeit plagt ihn. Er ist schwul, nur i...