Kapitel 5

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  Ungeduldig und nervös lief Lydia in ihrem Büro auf und ab. Sie machte sich Sorgen um Alec. Sie verstand einfach nicht, wie er so leichtsinnig sein konnte, dass er unbedingt alleine gegen die Dämonen kämpfen wollte. Was war nur los mit ihm? Seit sie wieder in der Stadt waren, verhielt er sich äußerst seltsam und sie wusste einfach nicht warum. Als sie ihn vor einigen Jahren kennen gelernt hatte, war er verantwortungs- und pflichtbewusst und er hielt sich an die Regeln. Zudem konnte sie da und auch in Idris immer mit ihm reden, wenn sie unterschiedlicher Meinung waren und am Ende hatten sie immer einen Kompromiss gefunden. Doch jetzt brach er einfach ständig Regeln und schien ihr immer mehr aus dem Weg zu gehen und wenn sie doch mal miteinander sprachen, war er genervt und hielt das Gespräch so kurz wie möglich. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz, dass er sich so geändert hatte, und er sich immer mehr von ihr entfernte. Sie wusste, dass er sie nicht geheiratet hatte, weil er sie liebte, doch die ganze Zeit hatte sie gehofft, dass er doch irgendwann noch Gefühle für sie entwickeln würde, aber diese Hoffnung hatte sich nicht erfüllt. Scheinbar hing er noch immer an dem Hexenmeister, obwohl er ihn - dank Clarys Rune - vergessen hatte. Lydia presste ihre Kiefer aufeinander und ballte eine Hand zur Faust. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass Alec in den letzten Tagen immer wieder Magnus' Nähe suchte. Es war vermutlich ganz allein dessen Schuld, dass ihr Mann nun so eine Dummheit begangen hatte. Immerhin war er am Vormittag bei ihm gewesen. Sie hasste Magnus und sie war froh, dass dieser den New Yorker Schattenjägern seine Dienste nicht mehr zur Verfügung stellte. So kam sie nicht in die Situation, ihm gegenübertreten zu müssen. Schließlich gab es auch noch genug andere Hexenmeister, die sie kontaktieren konnten, falls sie mal magische Unterstützung brauchten. Am liebsten wäre ihr, wenn Alec ebenfalls keinen Kontakt mehr zu ihm haben würde, doch da er ihr immer mehr entglitt, glaubte sie nicht daran, und diese Erkenntnis schmerzte sie.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Lydia wandte ihren Blick in die Richtung der Person, die sie gerade aus ihren Gedanken geholt hatte. Es war Chelsea, die schwer atmete, als sei sie gerannt. In ihren Augen stand tiefe Sorge.
"Hunter ist wieder da. Er hat Alec mitgebracht."
Chelseas Stimme war nicht besonders laut, doch Lydia verstand sie dennoch. Ihr war sofort klar, dass etwas schief gegangen war.
"Was ist mit Alec?"
Angst machte sich in ihr breit, als sie daran dachte, dass ihm etwas passiert war.
"Er wurde schwer verletzt."
Es dauerte einen Moment bis Lydia die Worte vollständig verarbeitet hatte, doch dann rissen sie ihr beinah den Boden unter den Füßen weg. Das konnte nicht sein. Sie hatte Hunter zwar für den Notfall gebeten, Alec zu folgen und sich im Hintergrund zu halten, doch sie hatte gehofft, dass es nicht nötig sein würde, dass er eingriff. Nun musste sie aber einsehen, dass auch diese Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzte. Nachdem sie sich wieder etwas gefasst hatte, verließ sie ihr Büro und rannte beinah zusammen mit ihrer Assistentin zur Krankenstation. Dort angekommen, drängte sie sich durch die vielen Schattenjäger, die sich eingefunden hatten, um zu sehen, was passiert war. Als sie es bis zu ihm ans Bett geschafft hatte, stockte ihr der Atem und ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Seine linke Flanke war aufgerissen und blutig. Auf dem Kissen entdeckte sie ebenfalls Blut, das darauf schließen ließ, dass er sich auch am Kopf verletzt hatte. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, scheuchte sie alle aus dem Raum, die nicht gebraucht wurden.
"Alle, bis auf Hunter und Chelsea, gehen bitte raus. Ich brauche Ruhe."
Sie bemerkte, dass die Schattenjäger ihrem Befehl folge leisteten und sie war erleichtert, als sie endlich nicht mehr eingeengt wurde.
"Was genau ist passiert?"
Während sie auf eine Antwort des hünenhaften Schattenjägers wartete, holte sie ihre Stele aus der Hosentasche, um Alec eine Heilrune aufzutragen.
"Alec hat sich gut geschlagen. Er hat die Höllenhunde einen nach dem anderen erledigt. Ich dachte schon, er schafft das alleine, aber als nur noch einer übrig war, schien er plötzlich Schmerzen zu haben und der Dämon hat ihn erwischt. Als ich merkte, dass er es alleine nicht schafft, bin ich dazwischen gegangen."
Lydia spürte einen Stich im Herzen, als sie hörte, was vorgefallen war. Gleichzeitig stieg aber auch Wut in ihr auf, weil Alec dieses Risiko überhaupt eingegangen war. Wäre er nicht so leichtsinnig gewesen und hätte sich nicht dagegen gewehrt, jemanden mitzunehmen, wäre das alles wahrscheinlich nicht passiert. In ihr kämpfte der Drang, ihm eine zu knallen mit der Sorge, dass er hoffentlich überlebte. Doch auch nach einer Minute zeigte die Iratze keine Wirkung. Sie versuchte es noch einmal, doch auch das half nicht. Beinahe verzweifelnd wandte sie sich an Chelsea.
"Wir brauchen einen Hexenmeister. Kontaktiere einen, der uns helfen kann."

Die Brünette bewegte sich nicht vom Fleck und biss sich auf die Unterlippe, bevor sie ihr eine Antwort gab.
"Ich habe bereits, nachdem Alec losgegangen war, für den Notfall alle kontaktiert, die sich in der Nähe befinden, aber keiner von ihnen hat Zeit. Somit könnte uns nur Magnus Bane helfen."
Nun war es an Lydia auf ihrer Unterlippe herum zu kauen. Sie wollte nicht, dass dieser Mann Alec zu nahe kam, oder dass sie ihm etwas schuldig war, sollte er tatsächlich helfen.
"Magnus hat uns bereits vor Jahren seine Dienste versagt. Es muss doch noch einen anderen geben, den wir fragen können."
Verzweiflung machte sich in ihr breit, als sie Chelseas traurigen Blick und ihr leichtes Kopfschütteln sah.
"Es gibt niemanden, aber ich bin mir sicher, dass er uns in diesem Fall helfen wird."
Lydia sah auf den Boden und ballte eine Hand zur Faust. Sie hatte die Befürchtung, dass Chelsea recht hatte und Magnus in diesem Fall tatsächlich eine Ausnahme machen würde. Sie wusste nicht, ob wirklich kein anderer Hexenmeister Zeit hatte, und das herauszufinden würde viel zu lange dauern. Sie musste ihrer Assistentin also vertrauen. Egal wie sehr es ihr widerstrebte Magnus um Hilfe zu bitten - sie hatten keine andere Wahl. Alec brauchte Hilfe und das dringend. Ergeben seufzte sie und blickte dann wieder zu Chelsea.
"Okay, hol ihn her."
Die junge Frau nickte und machte sich dann sofort auf den Weg zur Wohnung des Hexenmeisters.

Magnus stand am Fenster und beobachtete die Menschen, die eilig die Straße entlang liefen. In der Hand hielt er ein Glas, dessen Inhalt er noch nicht angerührt hatte. Eigentlich hatte er gerade keine Lust auf Rotwein, doch aus Gewohnheit hatte er ihn in das Glas gefüllt. In Gedanken war er bei dem Treffen vom Vormittag. Das Gespräch mit Alec nahm ihn noch immer mit. Es hatte ihm erneut deutlich gezeigt, dass der Schattenjäger alles vergessen hatte, was zwischen ihnen war. Und wenn er an die Entschuldigung dachte, schnürte sich sein Herz zusammen. Er wusste nicht, was er damit anfangen sollte, dass er sich entschuldigt hatte. Immerhin machten ein paar Worte nichts von alldem wieder ungeschehen, was er die letzten Jahre erlitten hatte. Außerdem hatten diese Worte kein Gewicht, solange Alec sich nicht erinnern konnte. Erst, wenn seine Erinnerungen vielleicht irgendwann wieder kamen, hätten sie eine Bedeutung. Doch er wusste nicht, ob das jemals der Fall sein würde und er hatte auch keine Ahnung, ob er ihm das überhaupt verzeihen konnte. Sein Herz schlug schneller, als er an die Zeit zurück dachte, wo zwischen ihnen noch alles in Ordnung gewesen war. Niemals hätte er gedacht, dass ihm mal jemand so sehr das Herz brach, dass es selbst nach mehreren Jahren noch schmerzte. Natürlich wurde er melancholisch und traurig, wenn er an die anderen zurück dachte, in die er mal verliebt gewesen war, aber nie hatte ihn einer von ihnen dermaßen verletzt.

Gedankenverloren starrte Magnus vor sich hin, ohne wirklich etwas zu sehen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Er löste seinen Blick von der Straße und lief zur Tür. Auf dem Weg dorthin stellte er sein Glas auf einen Tisch. An der Tür angekommen seufzte er kurz. Wer wohl jetzt schon wieder etwas von ihm wollte? Er hoffte, dass es sich nicht um Alec handelte, denn ein zweites Gespräch könnte er vermutlich nicht verkraften. Langsam hob er die Hand und drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. Er hatte keine Lust, Magie zu verschwenden, um herauszufinden, wer ihn störte.
"Wer ist da?"
Seine Stimme klang etwas genervt, aber die Antwort kam prompt.
"Hallo, ich heiße Chelsea Shadowhawk. Ich brauche Ihre Hilfe."
Magnus zog die Augenbrauen zusammen. Shadowhawk. Das klang nach einem Schattenjägernamen. Er wollte der Frau bereits sagen, dass er seine Dienste den hiesigen Schattenjägern nicht mehr zur Verfügung stellte, aber seine innere Stimme sagte ihm, dass er sich zumindest anhören sollte, was sie zu sagen hatte. Während er noch darüber nachdachte, ob er tatsächlich auf sein Unterbewusstsein hören sollte, erklang erneut Chelseas Stimme.
"Bitte lassen Sie mich rein. Es ist wirklich sehr wichtig."
Ihre Stimme klang beinahe flehend und genau dieser Tonfall brachte Magnus dazu den Knopf für den Türöffner zu drücken und die Schattenjägerin ins Haus zu lassen. Kurz darauf öffnete er seine Wohnungstür und sah, wie die junge Frau völlig außer Atem die letzte Treppe hoch lief. Als sie vor ihm stehen blieb, musterte sie ihn mit einem überraschten Blick. Er konnte sich denken, warum sie ihn so ansah. Wenn man an den obersten Hexenmeister von Brooklyn dachte, hatten die wenigsten jemanden vor Augen, der seine Haare zu Stacheln nach oben gelte, auffällige und glitzernde Sachen trug und auf den ersten Blick nicht sehr furchteinflößend wirkte. Doch er hatte sich damit abgefunden und es hatte auch durchaus seine Vorteile, wenn man nicht gefährlich aussah. So hatte man das Überraschungsmoment auf seiner Seite.

Magnus trat beiseite, damit Chelsea eintreten konnte, und lief wieder zu seinem Weinglas, nachdem er die Tür geschlossen hatte. Er hatte ein ungutes Gefühl bei dem Besuch und brauchte unbedingt einen Schluck Alkohol, denn eigentlich wussten die Schattenjäger ganz genau, dass er nicht mehr für sie arbeitete. Dass sich eine von ihnen nun doch zu ihm getraut hatte, um ihn um Hilfe zu bitten, sollte somit schon etwas heißen. Es musste tatsächlich wichtig sein und sie musste sich sicher sein, dass er seine Meinung ändern würde, wenn er erfuhr, um was es sich bei dem Auftrag handelte.
"Also, was wollen Sie von mir? Sie sollten wissen, dass ich..."
"Ja, ich weiß, eigentlich helfen Sie uns nicht mehr, aber ich bin mir sicher, dass es diesmal anders sein wird."
Dass sie ihm ins Wort gefallen war, überging er einfach, denn ihre Worte machten ihn neugierig. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, dass sie fortfahren sollte. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie ihm erzählte, worum es ging.
"Es geht um Alec. Er wurde von einem Dämon schwer verletzt und unsere Runen helfen ihm nicht. Nur ein Hexenmeister kann ihn noch retten."
Magnus brauchte einen Moment, bis er vollends begriff, was ihm Chelsea gerade gesagt hatte, doch dann zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. In seinem Kopf kreisten die Gedanken. Er fragte sich, was passiert war, dass Alec so schwer verletzt wurde, dass ihm nur Magie half. Nach außen hin versuchte er sich allerdings nichts anmerken zu lassen.
"Es gibt doch sicherlich auch noch andere Hexenmeister, die das übernehmen können."
Chelsea biss sich auf die Unterlippe. Wie sollte sie erklären, warum sie ausgerechnet Magnus ausgewählt hatte? Sie hatte Lydia angelogen, doch sie verspürte kein schlechtes Gewissen dabei.
"Ja, das stimmt schon, aber ich dachte, es liegt Ihnen vielleicht etwas daran, dass Alec am Leben bleibt. Und außerdem sind Sie der Beste."
Ein anderer hätte sich bei Chelseas letzten Worten vielleicht ein wenig geschmeichelt gefühlt, doch er war darüber schon lange hinaus. Etwas anderes weckte viel mehr seine Neugier. Wie kam diese junge Schattenjägerin zu der Annahme, dass ihm wichtig wäre, dass Alec lebt? Es entsprach der Wahrheit, denn egal, was zwischen ihnen vorgefallen war, er wünschte niemandem den Tod. Und schon gar nicht einen qualvollen durch eine Dämonenverletzung.
Fast unmerklich schüttelte er den Kopf, um diese Gedanken los zu werden. Darüber konnte er auch später noch grübeln. Als erstes war es wichtig, Alec zu helfen. Hektisch lief er zu einem großen Schrank. Als er davor stehen blieb, drehte er sich kurz zu Chelsea.
"Was war es für ein Dämon?"
Er konnte ihre Erleichterung darüber, dass er tatsächlich helfen würde, deutlich sehen.
"Es war ein Höllenhund."
Mit diesem Wissen wandte er sich dem Inhalt des Schrankes zu, in dem er alle Materialien für die verschiedensten Tränke aufbewahrte. Nachdem er Alec das letzte Mal das Leben gerettet hatte, brauchte er noch einige Sachen. Diesmal konnte ihm das nicht passieren. Bei der Erinnerung an das erste Mal, spürte er einen Stich in seinem Herz, doch er versuchte sich davon nicht ablenken zu lassen. Er musste Alec helfen und hatte keine Zeit, sich Erinnerungen und Gefühlen hinzugeben. Nachdem er alles zusammen gesucht hatte, das er brauchte, schloss er die Türen des Schrankes wieder und lief zu Chelsea. Einige der Sachen gab er ihr, da er eine Hand brauchte, um ein Portal öffnen zu können. Als dieses offen war, hielt er der Schattenjägerin eine Hand hin. Sie ergriff diese und gemeinsam schritten sie durch das Portal - mit der Hoffnung, dass sie noch rechtzeitig kamen.  

Can't forget you - A Malec FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt