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Und still. Ich hörte nur mein leises Atmen und das vorsichtige Auftreten meiner Stiefel. Eine, der vielen Uhren teilte mir mit, dass es vier Uhr nachts war. Schlafen erschien mir unsinnig. Die Minuten zogen sich endlos bis ich schließlich vor einer Tür mit der Beschriftung Bibliothek stehen blieb. Ich öffnete sie in dem Versuch leise zu bleiben. Ich gelang mir nicht. Es knarrte fürchterlich und sobald der Spalt breit genug war, schlüpfte ich hindurch und schloss sie nicht weniger leise. Ich drehte mich um und erstarrte. Wow. Wow.

Ich sah nicht unbedingt viel bei dieser Helligkeit, aber genug um die Größe auszumachen. Er war mindestens so groß wie der Versammlungssaal, aber um einiges schöner. Ich musste mich daran erinnern, dass ich nach draußen wollte, machte mir aber eine mentale Notiz, dass ich später noch einmal hierher kommen musste. Bei Tag. Der Notausgang war leicht zu erkennen. Gerade aus. Ich zwang mich, nicht bei jedem Bücherregal anzuhalten. Als ich nur noch wenige Schritte vor der Tür ohne Alarmanlage entfernt war, hörte ich ein Geräusch. Ein bekanntes. Das Knarren des Bibliothekeingangs. Ich hielt die Luft an. Schnell versteckte ich mich hinter eines der Regale und versuchte panisch zu realisieren, was passierte.

"Ich weiß, dass jemand hier ist. Es ist mitten in der Nacht, wenn Sie sich freiwillig zeigen, können wir es auf die einfache Tour machen. Ihre Entscheidung. Ich werde Sie so oder so finden."

Es war Silvans Stimme. Verdammt, hatte er denn immer Nachtdienst? Ein spontaner Impuls drängte mich zum Notausgang. Ich stieß die Tür auf und lief orientierungslos in die Dunkelheit. Immer nach rechts, da war die Sporthalle. Ich konnte die Schemen ausmachen, als ich zu ihr gelangte. Ich versteckte mich hinter der Hall und lauschte. Aber ich war zu naiv. Silvan war ein ausgebildeter Wächter, der nicht einmal eine Sekunde später vor mir stand. Ich sprang zurück und wollte schon erneut wegrennen, als ich mich selbst stoppte.

Ich musste zwar schnell handeln, aber nicht unüberlegt. Er würde mich wieder einholen. Er wollte mich am Arm greifen, aber ich stieß ihn weg. Wenn ich ihn überraschend schlagen konnte, hätte ich genug Vorsprung für eine Flucht? Nicht, dass ich wirklich ein Wahl hatte. Also trat ich ihn in den Bauch. Zumindest versuchte ich es. Er wich geschickt aus und griff diesmal wirklich meinen Arm. Beide um genau zu sein, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Ich bekam Panik.

Es war nicht die Angst vor einer Strafe, nicht vor einer Missbilligung, nicht einmal vor einer Verweisung von den Akademie. Es war die Angst vor der Hilflosigkeit. Was war, wenn er dachte ich wäre ein Eindringling und würde mich verletzten. In gewisserweise hatte ich Angst vor ihm. Aus Reflex und auch aus Panik schrie ich. Nicht, dass mich jemand hätte hören können. Augenblicklich ließ er einen Arm von mir los und drehte mich um.

"Ms. Janovska?" Als ich schwieg, seufzte er, packte meinen Arm fester und zerrte mich vorwärts. Sicher wollte er mich zu Ms. Zyrea bringen, weswegen ich mich weigerte. Er seuzte wieder.

"Himmel, wir gehen nur in die Sporthalle" Ich ging mit ihm. Wie er es in dieser Dunkelheit schaffte, die Tür aufzuschließen, blieb mir ein Rätsel. Er fand den Lichtschalter und das strahlend weiße Licht brannte in meinen Augen. Als ich genug wie eine Verrückte geblinzelt hatte, sah mich Silvan gespannt an. Als ich nichts sagte, schaute er kurz auf die Uhr, die bereits halb fünf zeigte. Es war ein langes Schweigen, bis er entnervt eine Augenbraue hob. Es sah unglaublich cool aus. Und ein Lächeln umspielte meine Lippen. Ich kniff sie zusammen. Überrascht sah er mich an, hatte es natürlich bemerkt und fing dann anzusprechen:

"Sie wollen mir nicht verraten, was Sie mitten in der Nacht nach draußen führt? Mal wieder." Die letzten zwei Wörter betonte er besonders. Jetzt wurde es ernst. Ich schluckte und antwortete mit der halben Wahrheit: "Nun, ich brauchte halt Luft"

"Das brauchen wir alle, allerding war ich mir sicher, in Ihrem Zimmer gäbe es genug."

"Ich brauchte frische Luft"

"Es gab bestimmt auch kein Fenster in Ihrem Zimmer"

"Es ist zu klein"

"Und Sie konnten selbstverständlich nicht näher zum Fenster hingehen"

"Ich hätte so lange stehen müssen, um genug Luft zu haben"

"Natürlich, ein Spaziergang durch die halbe Akademie ist wesentlich weniger anstrengend"

"Allerdings"

"Das war dann auch der Grund für Ihren letzten nächtlichen Spaziergang?"

"Absolut"

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, weswegen er sich in einer auffällig unauffälligen Geste die Hand vor den Mund hielt und ein Husten vortäuschte. Auch meine Mundwinkel zuckten. Vielleicht wurde es doch nicht so ernst. Er kratzte sich am Kopf und fuhr dann fort: "Nun, wenn das natürlich so ist-" Oh nein. Er musste mir eine Strafe geben. Letztes Mal hatte er mir eine klare Verwarnung gegeben.

"Ich werde Sie nicht bestrafen", beruhigte er mich, als er irgendetwas in meinem Gesicht sah, überhaupt die Feststellung, dass Silvan etwas aus meinem Gesicht lesen konnte, überraschte mich, "Sie müssen einen Grund haben und ich hoffe Sie werden es irgendwann jemandem erzählen. Da ich aber auch nicht nichts machen kann: Fangen wir jetzt mit dem Training an"

"Auf keinen Fall, ich hatte weder Kaffee, noch habe ich meine Sportkleidung an!"

"Sie mit Ihrem Kaffee. Okay, Sie ziehen sich um und wir treffen uns in fünfzehn Minuten bei der Kantine." Ich nickte und eilte davon. Ich rannte förmlich durch die Akademie und musste zweimal erklären wieso ich eine Erlaubnis hatte. Ich zog mich schnell um, kippte ein Kaffee runter und lief zur Kantine. Silvan stand dort und schien leicht beeindruckt von meiner Schnelligkeit. Er wendete sich zum Gehen.

"Könnten Sie einen kleinen Moment warten?"

"Warum?"

Ich deutete in die Kantine und meinte nur: "Kaffee" Dabei klang ich wie ein verhungerndes Tier, welches sehnsüchtig Essen brauchte. Er seufzte und fogte mir überraschenderweise.

Während die Kaffeemaschine mir einen Cappuccino zubereitete, murmelte Silvan: "Was haben Sie nur mit Ihrem Kaffee?"

Meine Stimmung kippte, als ich antwortete: "Ich sollte wach sein, meinen Sie nicht auch?"

"Natürlich, aber mit genügend Schlaf ist das kein Problem."

"Schlaf." Ich lachte verbittert.

Anscheinend spürte er, dass meine undurchdringlichen Schutzmauern wieder aufgestellt wurden waren. Ich hatte nicht einmal bemerkt, sie heruntergefahren zu haben. Jedenfalls ließ er es dabei und wir gingen schweigend zur Sporthalle. Es war etwas heller geworden, zwar nicht genug, um den Lichtschalter ungetätigt zu lassen, aber ich konnte wesentlich mehr sehen. Als die Tür geschlossen war, klatschte er in die Hände. Es hallte durch den großen Raum, den ich jetzt erst in Betracht nahm. Matten auf dem Boden, paar Sportgeräte und zwei Türen. Sie führten wahrscheinlich zu noch weiteren Geräten. Trotzdem fühlte ich mich sofort wohl, was selten und merkwürdig war.

"Also Ms. Janovska. Fangen wir an!"

Er zog seinen Mantel aus. Darunter trug er nur noch eine schwarze Jogginghose und ein weißes lockeres Tank Top.

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SILVAN! #inlove

BRXXKENGIRL

F O R E S T      A C A D E M YWo Geschichten leben. Entdecke jetzt