Trauer

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Der Abend eilte schnell herbei nach dem Gespräch zwischen Mahad und Atima. Zu Atimas Pech, wurde sie immer noch von den Wachen verfolgt, wenn sie irgendwo hinging, aber sie musste sich wohl oder übel damit abgeben. Den Pharao hatte sie am Abend nur noch kurz aus der Ferne gesehen. Er schien sehr beschäftigt zu sein und konnte sie somit nicht nochmals treffen. Etwas betrübt, ging Atima somit recht früh in ihr Zimmer zurück und verbrachte den Abend alleine. Die drei Zofen, die ihr am Morgen geholfen hatten, waren zwar nur ein paar Zimmer weiter entfernt, falls sie gebraucht worden, aber Atima wollte diese nicht stören. Für sie waren die Frauen Unbekannte und sie mochte den Gendanken nicht, dass sie in diesem Sinne, persönliche Diener hatte. Atima verbrachte den Abend damit einige Rollen Pergament durchzulesen. Diese waren schön säuberlich auf einer Arbeitsfläche gelegen und schienen wichtige Dokumente zu sein. Einige waren Anleitungen für Zaubersprüche, sicher vom Unterricht, an dem sie heute teilgenommen hatte, andere schienen politische Dokumente zu sein. Atima verstand zwar welche Worte darin geschrieben worden waren, aber den genauen Inhalt, konnte sie nicht gänzlich verstehen. Ihr fehlte viel Wissen über die eigentliche Lage des Landes.

Die Zeit verging wie im Flug als sie die Rollen las. Erst als sie sah, wie die Zofen begannen einige grosse Kerzen und Öllampen anzuzünden, bemerkte sie, wieviel Zeit vergangen war. Sie stellte die Schriftrollen wieder auf die Arbeitsfläche zurück und wollte sich gerade umziehen, als die Zofen sie bemerkten.
„Warten Sie, wir werden Ihnen helfen!" die drei Frauen überfielen Atima beinahe und halfen ihr aus ihrem Outfit, ohne dass sie sich gross wehren konnte. Sie tauschten ihr prunktvolles Kleid gegen ein schlichtes, weisses Kleid aus Seiden. Es war gross geschnitten, somit sehr bequem zu tragen und der Saum reichte ihr bis zu den Knöcheln. Sahurah schob sie etwas unsanft auf den gleichen Schemmel wie schon am Morgen und begann ihre Haare mit einer Bürste zu kurchkämmen. Die anderen zwei waren gerade dabei, Atimas Bett für die Nacht vorzubereiten. Sie wusste zwar wirklich nicht was überhaupt vorbereitet werden musste, aber Atima hielt ihre Kommentare für sich und liess die ganze Prozedur über sich ergehen.
„Ich hoffe Sie hatten heute wieder einen guten Tag." Atima sah hoch, als Sahirah, die ihre Haare machte, sie nach ihrem Tag fragte.
„Es war... interessant." Antwortete Atima. Sie überlegte ob sie noch weitererzählen sollte und entschied sich dafür. Es schien als hätte sie mit den Zofen eine recht offene Beziehung. „Ich... ich hatte heute wohl keinen so guten Tag. Im Unterricht habe ich die meisten der Übungen nicht hingekriegt." Die junge Dame zuckte etwas mit den Schultern.
„Jeder hat einmal einen schlechten Tag. Ihre Kräfte sind ja mit Ihren Emotionen verbunden, gibt es momentan etwas, dass ihnen im Kopf rumschwirrt?"
„Merkt man das wirklich so sehr...?" Atima sah gedankenverloren aus dem Fenster. Natürlich war im Moment viel in ihrem Kopf los. Diese ungeplante Reise in die Vergangenheit war nur eines davon. Sie war in einer Zeitperiode, mit dem sie sich nur etwas auskannte und heute war ihr vieles einfach entgegengeworfen worden. Zudem kommt noch der Abend gestern wo Bakura aufgetaucht war. Seine Ka-Bestie liess es sie schaudern und sie hatte immer noch ein mulmiges Gefühl bei dem Ganzen. Sie würde sich vermutlich erst wieder beruhigen, wenn sie wusste, er würde hinter Gitter sein. Atima seufzte und spielte mit einem goldenen Schlangenring, die auf dem Tisch vor ihr gelegen hatte. Sie war auf einmal sehr müde geworden und gähnte vor sich hin. Die junge Zofe war zum Glück schnell darauf mit ihrer Arbeit fertig und Atima konnte endlich selbst ins Bett gehen, nachdem sich die Zofen verabschiedet hatten. Atima machte es sich im Bett gemütlich und schloss die Augen. Einer der Zofen hatte eine kleine Öllampe angezündet und der Duft von Baldrian half sie schnell in einen tiefen Schlaf zu fallen.

Mitten in der Nacht schreckte Atima aus dem Schlaf raus. Sie wischte sich etwas Schweiss aus dem Gesicht und versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen. Irgendwas war nicht in Ordnung. In der Dunkelheit spitzte sie ihre Ohren und horchte hin. Ganz in der Nähe, konnte sie ein Rascheln von Stoff vernehmen. Es kam aus der Richtung des Zimmers vom Pharao. Geschwind sprang sie aus dem Bett und eilte rüber in sein Zimmer. Er war gerade dabei seinen langen, violetten Umhang anzuziehen als sie reinplatzte. Er sah sie etwas erstaunt an.
„Du bist wach?" Atima nickte ihm zu.
„Ich bin plötzlich aus dem Schlaf aufgeschreckt. Ist etwas passiert?"
„Dann hast du vermutlich das gleiche wie ich gespürt. Ich wurde gerade informiert, dass Mahad Bakura eine Falle stellt. Ich habe das ungute Gefühl irgendetwas ist dabei schief gelaufen. Deswegen wurde auch ich aus dem Schlaf gerissen."
„Ich will mitkommen."
„Nein, du bleibst hier. Es dauert zu lange bis du bereit bist. Für mich ist alles schon vorbereitet, ich werde gleich losreiten." Der Pharao ging an Atima vorbei und lief den Gang hinunter. Seine Schwester folgte ihm aber und wollte unbedingt mit. Sie liess nicht locker und redete immer weiter auf ihn ein.
„Meinst du echt ich geh jetzt einfach wieder schlafen? Mahad ist auch für mich hier eine wichtige Person, er ist ein Freund." Der Pharao blieb stehen und sah seine Schwester an. Sie hatten in der Zwischenzeit den Innenhof erreicht wo ein Pferd für ihn bereitstand. Neben den Stalljungen war auch noch Isis anwesend, die den kleinen Streit etwas verfolgt hatte.
„Ich nehm dich immer noch nicht mit Atima."
„Wieso denn nicht!?" Atima wollte gerade noch weiterreden als der Pharao die Hand hob und sie unterbrach.
„Ich will dich nicht unnötig in Gefahr bringen. Wenn Bakura dort auftaucht, muss ich dich beschützen können. Bleib hier, wenn du willst bleib auch so lange wach und warte bis ich zurückkomme. Isis" er wendete sich an die Priesterin.
„Bleib bitte bei ihr so lange ich weg bin."
„Natürlich eure Hoheit." Isis legte eine Hand auf Atimas Schulter. Diese sah dem Pharao nach als er sich auf sein Pferd schwang und davonritt.
„Prinzessin, kommt mit. Wir werden in den Thronsaal gehen und dort auf den König warten." Atima schüttelte Isis von sich ab.
„Nein ich werde hier auf ihn warten." Trotzig setzte sie sich auf eine Treppenstufe und blickte auf das nun geschlossene Tor der Palastmauer. Isis seufzte und rief einige Bedienstete zu sich, um ihnen einige Aufträge zu geben. Wenig später waren diese zurück und hatten einige Gegenstände bei sich. Isis nahm zwei Decken zu sich und ging zu Atima rüber, während die Diener einige Kerzen anzündeten.
„Prinzessin, die Nächte können sehr kalt werden. Wenn sie schon hier draussen warten, dann bitte decken Sie sich etwas zu." Dankend nahm Atima eine Decke entgegen und wickelte sich damit ein. Isis setzte sich neben ihr während die Diener einige Lichtquellen aufstellten.
Nach einer Weile Stille sprach Atima die Priesterin direkt an.
„Isis ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache." Die Priesterin sah Atima an.
„Macht euch keine Sorge um euren Bruder. Er weiss schon was er tut und er kann sich selbst wehren. Das haben wir letzten Abend bereits gesehen." Atima schüttelte den Kopf.
„Es ist nicht nur das, auch die ganze Sache mit Bakura... Ich habe so eine dunkle Vorahnung."
„Verzeiht mir meine Ehrlichkeit Prinzessin", unterbrach Isis sie mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht. „aber eure Fähigkeiten als Hellseherin sind doch eher...bescheiden. Ich habe vollstes Vertrauen in den König, dass alles gut gehen wird." Atima schwieg nach dieser Antwort vor sich hin. Sie wusste selbst, sie konnte nicht in die Zukunft sehen. Aber irgendwas sagte ihr, etwas schreckliches würde auf sie alle zukommen. Das würde auch zu der Story passen, die Ishizu und Marik ihnen nach Battle City erzählt hatte. Gemäss alten Schriften hatte der Pharao eine Dunkle Kraft davon abgehalten, die Welt zu zerstören. Atima schauderte etwas bei dem Gedanken, sich einer solchen Kraft zu stellen. Momentan konnte sie aber nichts weiter machen als auf die Rückkehr ihres Bruders zu warten.

Die Sonne war schon seit einiger Zeit aufgegangen, als das schwere Steintor aufschwang. Atima zuckte zusammen. Sie war nach den Stunden des Wartens langsam am Einnicken gewesen. Nun stand sie aber auf und blickte auf die Gruppe die in den Hof hinein kamen. Der Pharao wurde von einer Gruppe von Soldaten begleitet, die eine grosse Steintafel hinter sich herzerrten. Zu ihrem Überraschen, bemerkte Atima dass auch Mana in der Gruppe dabei war. Sie war hinter dem Pharao auf seinem Pferd und hielt sich fest. Als Mana Atima bemerkte, sprang sie vom Tier runter und rannte zu Atima hin. Das Mädchen warf die Arme um Atima und fing an zu schluchzen.
„Er ist weg. Mahad ist weg."
„Wie?" Atima sah zu ihrem Bruder während Mana weiterhin auf ihrer Schulter weinte. Dieser sah selbst etwas mitgenommen aus und begann zu erklären was er wusste.
„Mahad hatte Bakura eine Falle in einer Grabstätte gestellt. Leider ging dieser nach hinten los. Mahad wurde besiegt und hatte seine Seele mit dem seines Ka-Monsters verschmolzen." Er zeigte zu der Steintafel. Atima sah zu dem eingravierten Bild. Erstaunlicherweise kam es ihr sehr vertraut vor.
"Bakura ist in der Grabstätte eingeschlossen. Darauf war Mahad eigentlich aus. Dass er nicht aus dem Kampf entkommen konnte..." Atima sah von der Steintafel auf den staubigen Boden. Sie wusste nicht wie sie reagieren sollte. Der Pharao kam auf die zwei Mädchen zu und legte eine Hand auf Manas Schulter, diese sah immer noch weinend zu ihm auf.
"Mana geh nach Hause für jetzt. Die Priester kümmern sich darum, dass Mahad eine angemessene Grabstötte bekommt. Ich muss mich jetzt um meine Schwester kümmern." Mana sah Atima an und sah was er meinte. Sie nickte stumm und entfernte sich von den beiden. Isis ging auf sie zu und begleitete Mana zu ihrer Wohnung. Der Pharao schubste Atima in den Palast rein bis hin zu ihrem Zimmer. Er ordnete an, niemand solle sie für den Moment stören. Als er wusste niemand würde reinkommen, sprach er Atima endlich an.
"Atima, beruhige dich doch." Sie sah ihn etwas verwirrt an.
"Ich... ich bin doch ruhig." Sie wusste aber sofort, dass sie doch nicht ruhig war, als sie ihre Stimme hörte.
"Atima du weinst. Seit du die Steintafel gesehen hast. Hast du das nicht bemerkt?"
"Nein habe ich nicht.Aber ich kenne Mahad auch kaum..." sie wischte sich die Tränen von den Wangen weg. Aber die Tränen hörten nicht auf zu fliessen.
"Könnte sein dass es nur wegen deines Vergangenen-Ichs ist." Atima sah den Pharao an und schüttelte den Kopf.
"Es ist aber nicht nur das. Die Steintafel... ich habe das Monster erkannt."
"Ist es einer der Duellgeister die du normalerweise siehst?" Der Pharao wusste über Atimas kräfte bescheid und es war ihm bekannt, dass sie mit einigen der Geister sogar regelmässig redete. Für sie waren es Freunde die sie über die Zeit lieb gewonnen hatte. Atima nickte.
"Welcher ist es?"
"Es ist der Dunkle Magier." Atima schwieg. Sie war selbst noch etwas verwirrt aber es erklärte, warum dieser Geist so anhänglich an ihr war. Diese Karte war für Atima und auch für den Pharao ein wichtiger Teil ihres Decks und hatte den beiden schon aus mehreren Situationen gerettet. Der Pharao seuftzte. Atima war immer noch am weinen obwohl sie kaum noch einen Ton von sich gab. Sie hatte sich irgendwann auf den Rand des Bettes gesetzt. Sie schien erschöpft zu sein nach der langen Nacht und dem Weinen. Er setzte sich neben ihr und legte einen Arm um ihr. Er sagte nichts und liess sie einfach ihre Tränen fliessen. Zurzeit war er nicht nur ein guter Freund für sie, momentan war er ein Bruder der für seine Schwester da sein musste.

Eine Reise in die Erinnerungen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt