Die zweite Erkenntnis

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•Boulevard of broken Dreams - Green Day•

Ich ging in den DM, der kleiner war. Da gingen nicht so viele Jugendliche hin und die Gefahr, dass mich jemand sehen würde, war geringer.
Ich kaufte eine Packung von den Schlaftabletten mit dem Mann und der Ziege auf der Verpackung. Ich wusste, dass die nicht stark waren, aber hoffte, dass die Dosis, zusammen mit anderen Tabletten, reichen würde.
Mein Entschluss stand fest. Ich wollte mich umbringen, dieses mal würde es klappen, dieses mal musste es klappen.
Es würde der vierte Versuch werden. Und hoffentlich auch der Letzte.
Zuhause war ich alleine, es war perfekt. Ich war mir sicher, dass es so sein musste, dass es das Schicksal so wollte. Genau so und nicht anders.
Ich wusste, vom letzten mal, dass acht Tabletten nicht ausreichen würden.
Also machte ich mich auf die Suche nach den Schmerztabletten meiner Mutter. Sie hatte starke Tabletten, das wusste ich.
Ich hatte drei verschiedene Arten von Tabletten.
Ein letztes mal lief ich durch die Wohnung, versuchte mir jedes einzelne Detail ein zu prägen.
Ich weiß nicht warum.
Vielleicht dachte ich, ich würde irgendwo auf der anderen Seite wieder aufstehen und wollte mich erinnern.
Als ich wieder in meinem Zimmer war, setzte ich mich auf mein Bett. Ich sah mir alles haargenau an. Auf meinem unaufgeräumten Schreibtisch stand ein Bilderrahmen mit einem Foto von meinen Eltern und mir drinnen. Ich war drei Jahre alt. Meine Mutter lächelte, sah glücklich aus, neben ihr stand mein Vater, er sah stolz aus. In ihren Armen saß ich.
Ich sah sorgenfrei aus.
Ich wusste, dass ich nie wieder so aussehen würde. Dass ich nie wieder sorgenfrei sein werden würde.

Das war meine zweite Erkenntnis, bevor ich mich auf mein Bett legte, die Tabletten schluckte, weinend auf die Dunkelheit wartete und mit Tränen in den Augen einschlief.

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