•Colors stripped - Halsey•
Ich ging am Montag nicht in die Schule.
Nachdem ich vor der Klasse im Sozialkunde Unterricht geweint hatte, weil ich vor der Klasse nichts vortragen wollte und mich alle komisch angeguckt hatten, wollte ich das Gleiche nicht noch einmal haben.Keiner verstand, wieso ich so reagiert hatte. Aber ich war noch nicht bereit.
Nachdem ich jahrelang gemobbt wurde, konnte ich nicht das Risiko eingehen mich vor meiner neuen Klasse zu blamieren. Ich konnte es nicht. Selbst, wenn ich vorgehen wollen würde, ich konnte nicht. Meine Beine reagierten nicht und sobald ich es geschafft hatte, einen Schritt nach vorne zu setzen, fing meine Lunge an verrückt zu spielen.Keiner von ihnen hatte es verstanden, ich wusste nicht, ob sie es jemals verstehen würden.
Maya am wenigsten. Sie sagte mir, es wäre unfair und sie würde mit unserer Lehrerin reden und ihr sagen, ich hätte eine sechs verdient.
Damals hatte ich Maya gewünscht, ihre eigenen Erfahrungen zu machen, damit sie wusste, wie ich mich gefühlt hatte. Heute weiß ich, dass mein Wunsch in Erfüllung gegangen ist.Mein Vater kam wie immer gegen 21:00 Uhr von der Arbeit. Diesmal kam er aber nicht in mein Zimmer.
Wenige Minuten später, kam mein kleiner Bruder in mein Zimmer und sagte mir, ich solle in das Wohnzimmer.»Wieso?« ,hatte ich gefragt.
Er hatte bloß mit den Schultern gezuckt und ist wieder in sein Zimmer gegangen.
Seufzend ging ich in das Wohnzimmer, wo meine Eltern bereits auf mich warteten.
Ich runzelte die Stirn. »Was ist los?« ,fragte ich.
Mein Vater sagte nichts, er sah mich nur an und meine Mutter konnte mir nicht ein mal in die Augen sehen.
»Könnt ihr mir mal sagen, was ihr wollt?« ,fragte ich aufdringlicher.»Reiß dich zusammen! Wie redest du eigentlich mit uns?«
Ich sah meinen Vater entgeistert an. »Ich mit euch? Wie redet ihr mit mir? Ich habs satt!«
»Deine Mutter hatte Recht. Du bist nicht mehr normal.«Geschockt riss ich die Augen auf. »Klar« ,lachte ich verbittert, »Ich bin nicht normal. Es ist ja auch so normal seine Kinder zu schlagen, die Hilferufe seiner Tochter zu ignorieren, sie runter zu ziehen. Es ist ja so verdammt normal seine eigene Tochter so lange fertig zu machen und ihr nicht zu glauben, bis die scheiß Schule anruft um eine beschissene Konferenz einzurufen! Es ist ja so normal, seine Tochter solange zu hassen, bis sie sich selbst hasst, bis sie das Leben hasst! Ihr seid ja so normal!«
Ich wurde lauter zum Ende, bis ich schrie.
Mein Vater war aufgestanden und stand vor mir.
»Sei froh, dass du uns als Eltern hast! Andere sind viel schlimmer.« ,meinte meine Mutter.Ich hätte spätestens zu dem Zeitpunkt in mein Zimmer gehen müssen. Ich wusste, dass es eskalieren würde.
»Niemand ist schlimmer als ihr!«
»Wir machen immer alles, was du willst und du bist nicht ein mal dankbar. Hätte ich gewusst, dass du so werden würdest, hätte ich deiner Mutter gesagt, sie soll abtreiben.«
»Na dann, sind wir ja schon mal zwei. Ich hasse euch. Nichts habt ihr für mich getan, nichts!«
Meine Mutter schnappte empört nach Luft. »Ohne uns hättest du niemals die Schule wechseln können.«
»Was?« ,schrie ich, »Ohne euch? Willst du mich verarschen? Seit der Siebten will ich wechseln. Ich habe die scheiß Abmeldung alleine geschrieben. Bin zu den Gesprächen mit dem Direktor alleine hingegangen, was redet ihr eigentlich? Ich hasse euch so sehr, ihr glaubt es gar nicht. Wenn es überhaupt möglich ist, hasse ich euch sogar mehr, als mein Leben, ihr-«
Die Wörter wurden von dem Schlag in mein Gesicht verhindert.
Der nächste Schlag brachte mir Tränen.
Der nächste warf mich zu Boden.
Der Tritt in mein Bauch ließ mich nach Luft ringen.
Meine Augen waren offen, doch ich sah nichts.
Ich hörte nichts. Ich lag da, wie betäubt. Wie in Trance ließ ich ihn auf mich einschlagen, ließ die Tränen meine Wangen runter kullern.
Jede Sekunde brauchte Ewigkeiten, bis sie verging.
Jede Minute füllte meine Gedanken.Ich hörte die gedämpfte Stimme meines Bruders.
Der Geschmack von Eisen machte sich in meinem Mund breit.
Meine Welt verlor ihre Farben.
Meine Träume verloren ihre Bedeutung.
Meine Zukunft verlor ihre Sicht.
Ich verlor mich.
Das Leben entfloh mir.
Ich sah keinen Sinn mehr.
Es gab keinen.
Das war die siebte und letzte Erkenntnis, mein Leben hatte keinen Sinn mehr.
DU LIEST GERADE
Oktobertrauer
Short StoryIm Oktober 2015 kam die Welle der Trauer und ich rannte davon. - #134 in kurzgeschichten -30.juli 2017 #406 in depressionen - 1.oktober 2018 #574 in mobbing