~•~Eine Kurzgeschichte über das Thema "abergläubisch"~•~
Der Tag meines Todes war ein Freitag. Freitag, der 13. Ich denke, das erklärt schon so einiges. Ich war schon immer ein wenig abergläubisch gewesen, und so kam es auch, dass ich an diesem Morgen mit einem mulmigen Gefühl aufstand. Eigentlich hatte ich mir heute Urlaub nehmen wollen, damit ich im Haus bleiben konnte. Nur zur Sicherheit. Aber mein Chef hatte sich spontan dazu entschieden, mich trotzdem in die Firma zu rufen. Daher war ich an diesem Freitagmorgen schon früh auf den Beinen. Es begann schon, als ich versuchte, aufzustehen. Ich war noch so in meine Gedanken über diesen Tag versunken, dass ich versehentlich mit dem linken statt wie sonst üblich mit dem rechten Bein zuerst aufstand. Für die meisten mag das jetzt lächerlich klingen, aber jedes Mal, wenn mir so etwas passierte, fühlte ich den ganzen Tag lang ein Ungleichgewicht in mir. Auch mehrere Versuche, mich zurück ins Bett zu legen und noch einmal aufzustehen, konnten mir da nicht mehr helfen. Also stand ich seufzend auf und tastete in meinem dunklen Zimmer nach dem Lichtschalter. Ich fand ihn, betätigte ihn und... Nichts. Es blieb genauso dunkel und finster wie mein ganzer Tag sein würde. Wahrscheinlich war es nur ein Stromausfall. Nichts Besonderes. Wenigstens redete ich mir das ein, während der restliche Teil von mir an die vielen Statistiken dachte, die beweisen konnten, dass an einem Freitag, dem 13. immer mehr Unfälle passierten als üblicherweise. Aber das hatte sicher nichts zu bedeuten. Ich war nur abergläubisch. Also riss ich mich zusammen und stand im Dunkeln auf. Es war mein eigenes Zimmer und ich wusste genau, wo welche Möbel von mir standen, aber da ich mit dem falschen Bein aufgestanden war, fühlte ich mich seltsam fremd in diesem Zimmer. Beinahe orientierungslos torkelte ich zu meiner Tür, die ich erst fand, als ich direkt mit ihr zusammenstieß. Stöhnend hielt ich mir meine schmerzende Nase und öffnete die Tür dann, um in den Flur zu gehen. Ich wollte direkt ins gegenüberliegende Bad und so streckte ich in weiser Voraussicht meine Hände aus, damit mir so ein Missgeschick wie in meinem Zimmer nicht noch einmal passieren konnte. Ich musste aussehen wie ein Zombie, aber immerhin war es noch dunkel, also konnte mich auch niemand so sehen. Ansonsten hätte ich am nächsten Morgen sicher einige blöde Kommentare von meinen Nachbarn bekommen, die anscheinend nichts Besseres zu tun hatten, als mich durch das Fenster meines Flures zu beobachten. So in meinen Gedanken versunken bemerkte ich nicht, dass ich mittlerweile schon im Badezimmer angekommen war. Anscheinend hatte ich die Tür gestern offen gelassen. Schlau von mir. Was allerdings gleich das nächste Unglück mit sich zog. Gerade als mir einfiel, dass mein Bad alles andere als geräumig war und ich gleich direkt gegen einen kleinen Schrank stoßen würde, spürte ich schon einen ungeheuren Schmerz in meinem kleinen Zeh. Super. Da hatte ich den Schrank wohl gefunden. Ich versuchte, irgendwie die Toilette zu ertasten und das Pochen in meinem Fuß zu ignorieren, beschloss dann aber, dass es das nicht wert war. Ich würde eher mit dem Gesicht voran in die Toilette fallen oder mir alle Zähne ausschlagen als sie zu finden. Also drehte ich mich seufzend wieder um und tastete mich zurück in den Flur. Es war gefährlich, in dieser Dunkelheit die Treppe runterzugehen, aber ich hatte keine Wahl. Unten hatte ich noch eine Taschenlampe und einige Streichhölzer. Für den Notfall. Und wenn der heutige Tag kein Notfall war, dann wusste ich auch nicht mehr weiter. So stieg ich vorsichtig die Treppe herunter und zählte in Gedanken die Stufen mit. Als mir nur noch drei Stufen fehlten, hörte ich allerdings plötzlich ein lautes Geräusch neben mir. Es klang wie ein Fauchen und ich wusste sofort, was das war. Das musste die Katze meiner Nachbarin sein. Ein freches Vieh, das immer wieder einen Weg in meine Wohnung fand. Und zu allem Überfluss auch noch eine schwarze Katze. Ich betete, dass sie nicht vor mir den Weg kreuzen würde, aber sobald ich ihren weichen Körper vor mir spürte, wurde mir klar, dass alles Beten nichts brachte. Ich stolperte über sie und während sie mit einem aufgebrachten Jaulen davonrannte, fiel ich die letzten Stufen hinunter zu Boden. Ich versuchte noch, mich an einem Regal festzuhalten, doch statt mir den nötigen Halt zu geben, löste es sich von der Wand und fiel mit seinem gesamten Inhalt zusätzlich auf mich. Und wenn ich mir nur bei einer Sache sicher war, dann war das, dass es alles andere als angenehm war, wenn einem die komplette Harry Potter-Reihe in gebundenen Ausgaben auf den Kopf fiel. Das letzte Geräusch, das ich wirklich hören konnte, war das Zerbrechen der kostbaren Vase, die auch auf besagtem Regal gestanden hatte. Scherben. Damit war meine Unglückssträhne dann wohl endgültig besiegelt. Und das war dann auch schon mein letzter Gedanke.
Es ist merkwürdig, zu sterben. Das Sterben tut weh, aber der Tod selbst ist eigentlich sogar ganz angenehm. Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, über meinem Körper zu schweben. Das Schlimmste war nur, dass mir diese Situation unendlich peinlich war. Ich konnte mit ansehen, wie meine Nachbarn den Notarzt riefen, aber der konnte mir auch nicht mehr helfen. Ich war unglücklich gefallen. Unglück. Ich dachte, es wäre Unglück gewesen, das meinen Tod verursacht hätte. Aber eigentlich war es das nicht. Es war nur meine eigene Dummheit. Meine Nachbarn hatten mich durchaus sehen können, als ich wie ein Zombie durch die Gegend lief. So etwas wie einen Stromausfall gab es nämlich nicht. Den ganzen Morgen lang, die ganzen zehn Minuten vom Freitag, dem 13., die ich erlebt hatte, war ich so auf meinen Aberglauben fixiert gewesen, dass ich das Offensichtlichste vergessen hatte. Es gab keinen Stromausfall. Den hatte es nie gegeben. Als ich in meinem Zimmer das Licht angestellt hatte, war es auch angegangen. Ich hatte es nur nicht sehen können. Ich hätte darauf kommen sollen, als mein Wecker wie üblich pünktlich geklingelt hatte, aber ich hatte nicht nachgedacht. Stattdessen war ich mit meiner ultra-blickdichten-Komfort-Schlafmaske-für-komplette-Dunkelheit-und-freies-Bewegen-der-Augen wie ein Volltrottel durch die Gegend gelaufen und hatte dabei meinen eigenen Tod verursacht. Und so war die Tatsache, dass der 13. Tag des Monats auf einem Freitag lag, der Grund für meinen Tod.
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Das Buch der vergessenen Geschichten
NouvellesEin Buch mit Geschichten und Texten, die ohne dieses Buch wohl in Vergessenheit geraten würden. Dazu gehören aus Langeweile entstandene Kurzgeschichten und Texte, die ich für die Schule geschrieben habe. Vielleicht interessiert das ja sogar jemande...