Gedankenverloren stieg ich aus dem Fahrstuhl, als plötzlich Pietro vor mir stand. Er sah besorgt aus und seine Haare standen in alle Richtungen ab, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen. "Ruby! Geht es dir gut? Bist du verletzt?" "Du bist jetzt schon der dritte, der mich das fragt. Ja, mir fehlt nichts." Ich lächelte, wie um meine Aussage zu unterstützen. Er schien erleichtert. "Ich habe das Zimmer gesehen. Die Flammen haben fast alles zerstört. Was ist passiert?"
Bei dem Gedanken daran verfinsterte sich meine Miene. "Ich hatte einen Albtraum. Bruce denkt, er wäre der Auslöser für irgendwelche zerstörerischen Kräfte gewesen." "Verstehe. Deshalb hast du auch keine Brandverletzungen." Ich sah ihn fragend an und er erklärte: "Wenn das Feuer von dir selbst kommt, dürfte es dich normalerweise nicht verletzen." "Könnte sein. Es ist aber wahrscheinlicher, dass ich feuerresistent bin. Beim Brand im Labor konnten mir die Flammen auch nichts anhaben."
Pietro nickte. "Das kann natürlich auch sein. Wir können das bei Gelegenheit austesten." "Ja, vielleicht. Wie viel Uhr ist es eigentlich." Er sah auf die Armbanduhr, die er anscheinend auch nachts trug. " 3 Uhr. Du hast fast jeden aufgeweckt." "Oh, tut mir leid." Er zuckte mit den Achseln. "War ja nicht deine Schuld." Ich grinste. "Das erklärt auch deine Frisur. Steht dir, solltest du öfters tragen."
Er setzte eine beleidigte Miene auf. "Jaja. Du siehst aber nicht viel besser aus." Ich griff mir in die Haare, spürte aber nur die dünnen Hörner, die nah an meinem Kopf anlagen. Pietro schüttelte den Kopf. "Das meinte ich nicht. Du stehst hier in Decken gehüllt. So kalt ist es hier auch nicht." Schnell versuchte ich das zu erklären: "Ähm, also meine Klamotten sind so ein bisschen verbrannt." Auf seinen erstaunten Gesichtsausdruck hin, spürte ich, wie ich rot wurde. Also noch röter, als ich ohnehin schon war.
"Und niemand ist auf die Idee gekommen dir neue Sachen zu geben?" Ich schüttelte den Kopf. "Komm mit, wir finden schon was zum anziehen für dich. " Er schob mich zum Fahrstuhl und ehe ich irgendetwas sagen konnte, waren wir schon auf dem Weg nach oben. In seiner Wohnung angekommen, verschwand er hinter einer der Türen, kam Sekunden später mit einigen Sachen in der Hand wieder und hielt sie mir hin. "Hier. Das ist dir vermutlich zu groß, aber besser als nichts. Du kannst dich da drüben umziehen." Er deutete auf die linke Tür.
Ich bedankte mich und ging in den Raum, der sich als Badezimmer entpuppte. Dort zog ich die Sachen an. Es war eine viel zu lange Jogginghose und ein weites T-Shirt. Als ich in den Spiegel sah, bemerkte ich, dass mein Gesicht rußgeschwärzt war. Ich drehte den Wasserhahn auf und klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Schwarzes Wasser tropfte von meinem Kinn ins Waschbecken, doch der Ruß war hartnäckig.
Ich trocknete mir das Gesicht ab und beschloss, dass ich mich morgen sauber machen würde. Im Moment war ich zu erschöpft, um mich darüber aufzuregen. Ich ging aus dem Bad und sah Pietro neben der Tür an der Wand lehnen. "Ich dachte nicht, dass dir die Sachen so viel zu groß sind. Komm mal her." Er kniete sich hin und fing an die zu langen Beine der Hose hochzukrempeln.
Als er fertig war, stand er auf und begutachtete mich. "Perfekt." Mit einem Mal fiel mir auf, wieviel größer er war. Ich ging ihm gerade einmal bis zur Brust. "Wo schläfst du denn jetzt?" Ich hielt den Schlüssel hoch. "Den hat mir Bruce gegeben. Er meinte ich könnte in einem der Gästezimmer schlafen." Einen Moment lang glaubte ich, Enttäuschung auf seinem Gesicht zu sehen. "Ok. Ich bringe dich hin." Mit diesen Worten hielt er mir die Tür zum Treppenhaus auf.
"Ich hoffe nur, ich zünde nicht noch ein Zimmer an. " Wir stiegen die Treppen hinunter. "Glaubst du denn, dass es noch einmal passieren wird?" "Ich weiß es nicht. Als ich gestern eingeschlafen bin, glaubte ich auch nicht, dass sowas passieren würde. Irgendwie habe ich Angst davor. Das war so ein seltsames Gefühl. Es fühlte sich an, als würden die Flammen zwar meine Haut nicht verbrennen, aber von meiner Kraft zehren. Ich wäre mit Sicherheit ohnmächtig geworden, wenn das Feuer nicht gelöscht worden wäre."
Wir waren beim Gästezimmer angekommen und ich versuchte die Tür aufzuschließen, doch mein Körper hatte wieder angefangen zu zittern. Ich fluchte und versuchte krampfhaft das Schlüsselloch zu treffen. Pietro nahm mir behutsam den Schlüssel aus der Hand. "Lass mich dir helfen." Ich lächelte ihn dankbar an, zu müde, um stur zu sein. Die Tür schwang auf und dahinter kam eine Wohnung zum Vorschein, die meiner vorherigen sehr ähnelte. Anscheinend waren alle Gästezimmer gleich aufgebaut und eingerichtet.
Ich wollte schon reingehen, doch Pietro hielt mich zurück. Er sah mir eindringlich in die Augen. "Wenn du willst, passe ich heute Nacht auf dich auf. Du scheinst völlig fertig zu sein." Ich nickte. "Das hat mich ziemlich mitgenommen. Aber wo willst du dann schlafen?" Er zuckte mit den Schultern. "Ich bin eh nicht mehr müde." "Es wäre schön nicht alleine sein zu müssen." Ich lächelte ihn dankbar an.
Wir betraten die Wohnung, ich legte mich in das große, weiche Bett und deckte mich zu. Pietro ließ sich auf der anderen Seite nieder und schaute mich an. Ich versuchte seinen Blick zu ignorieren, doch das konnte ich nicht. "Ich kann nicht schlafen, wenn du mich so anschaust." "Wie schaue ich dich denn an?" "So halt. "
"Du musst mir schon genauer erklären, wie ich dich nicht anschauen soll." Ich seufzte. " So erwartungsvoll." "Ich schaue doch nicht erwartungsvoll" "Du hast Recht, du schaust eher dümmlich." Er setzte eine beleidigte Miene auf. "Das ist aber nicht nett." Ich setzte mich auf."Ich bin nicht nett." Er kam mir so nahe, dass sich unsere Nasen fast berührten. Irgendwie wirkte er bedrohlich. "Warum soll ich dann nett zu dir sein?"
Ich wich zurück."Stimmt, das ist unfair." Er grinste. "Schön, dass du das einsiehst." Plötzlich fiel mir die passende Beschreibung für seinen Blick ein. "Jetzt weiß ich, wie du mich angesehen hast." Mit einem Mal hatte er wieder dieses bedrohliche an sich. "Ja? Und wie denn?" Diesmal erwiderte ich seinen Blick "Begierig."
Er wurde rot und wich meinem Blick aus. "Nein, ich schaue doch nicht begierig, was denkst du von mir?", stammelte er. Ich grinste geheimnisvoll. Erwischt. Ohne ein Wort zu sagen legte ich mich wieder hin und kehrte ihm den Rücken zu. Diesmal hatte ich ihn in Verlegenheit gebracht und seltsamerweise gefiel es mir den Spieß umzudrehen. Hinter mir hörte ich ihn seufzten.
Ich spürte wie er aufstand. "Bitte geh nicht." Einen Moment geschah nichts, dann stand er mit einem Glas Wasser in der Hand vor mir. "Keine Sorge, ich verschwinde nicht. Ich dachte du hast vielleicht Durst." Er hielt mir das Glas hin. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie durstig ich war, aber jetzt trank ich begierig das Glas leer. "Danke." Pietro nahm mir das Glas ab und ich legte mich wieder hin. Kurz bevor ich einschlief hörte ich ihn sagen: "Schlaf gut, kleiner Rubin." Dann glitt ich in einen traumlosen Schlaf über.
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Fire and Quicksilver
FanfictionRuby führte ein ganz normales Leben. Zumindest so normal, wie ein Leben in einer Forschungseinrichtung für genetische Mutationen sein kann. Doch dieses Leben wurde auf einmal auf den Kopf gestellt, als das Labor bei einem Angriff in Flammen aufging...