Komisches Verhalten

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Francesca

"Es tut mir leid, dass du deine Vorbereitungen verschieben musst wegen mir" entschuldige ich mich bei meinem Bruder. Federico ist nämlich dabei zu Naty zu ziehen und packt seit zwei Tagen in jeder freien Minute seine Kartons. Dafür tragen die Jungs meine Sachen zu Diego, bei dem ich dann wohnen werde. Ich würde am liebsten erstmal alleine wohnen, aber durch meine Verletzung ist das nicht so einfach, weswegen wir uns dafür entschieden haben.
"Schon okay, ich mach das doch gern" erwidert er und stellt mir die Suppe auf den Tisch.
"Hat Diego echt nicht gesagt warum er los musste?" hakt Fede nochmal nach.
"Nein, er meinte nur es sei dringend. Seitdem hat er sich auch nicht gemeldet"
"Komisch. Kommst du jetzt alleine klar oder brauchst du noch was?" 
"Es ist alles super, du kannst weiterpacken gehen" 
"Sicher?" bleibt mein Bruder hartnäckig.
"Ja. Gehst du freiwillig oder soll ich mit den Krücken nachhelfen?" frage ich und hebe provozierend eine Krücke an.
"Schon gut, schon gut, ich geh ja schon. Wir sehen uns morgen" verabschiedet er sich mit einer Umarmung, ehe er geht. Ich esse meine Suppe und beschließe danach Diego anzurufen. Dieser geht aber einfach nicht ran. Irgendwas ist da faul. Er hat sich immer gemeldet nach spätestens einer Stunde. ich hoffe es ist nichts schlimmes passiert. Am liebsten würde ich ihn jetzt suchen gehen, aber mein Sprunggelenk macht mir ja einen Strich durch die Rechnung. Ich schaffe meinen Teller mit Mühe in die Küche und gehe dann wieder ins Wohnzimmer. Ich schalte den Fernseher ein versuche mich abzulenken. Ich verbringe Stunden vor dem TV. Kein Lebenszeichen von Diego. Ich hab ihm geschrieben, ihn angerufen, ihm auf die Mailbox gesprochen, aber er zeigt keine Reaktion. Als es schon nach halb elf ist gehe ich ins Badezimmer und mache mich bettfertig. Diego hat das Bad etwas umfunktioniert, sodass ich leichter an alles rankomme und auch die Dusche keine Probleme für mich darstellt. Eine Stunde später liege ich ihm Bett und rufe erneut meinen Freund an. Wo steckt er nur? Ich hoffe nur ihm ist jetzt nicht noch was passiert. Als ich halb eins in der Nacht noch immer keine Antwort bekommen habe schalte ich den Fernseher aus und versuche einzuschlafen, was mir nach einer gefühlten Ewigkeit auch gelingt. Als ich am nächsten morgen wach werde ist die linke Betthälfte noch genauso wie gestern, als ich eingeschlafen bin. Diego war die ganze Nacht nicht Zuhause! Ich checke mein Handy, doch er hat auf nichts reagiert. So langsam werde ich sauer. Zunächst gehe ich ins Bad und mach mich frisch, ehe ich Richtung Küche gehe. Ich bin verwirrt als ich am Wohnzimmer vorbeigehe und Diego auf dem ausgeklappten Sofa liegen sehe. Leise begebe ich mich zu ihm. Ich stelle die Krücken beiseite und setze mich neben ihn.
"Diego?" frage ich leise und streiche über seine Wange.
"Diego" wiederhole ich seinen Namen, als er sich langsam regt. Nach einem erneuten "Diego" öffnet er seine Augen. So leer und ausdruckslos hat er mich noch nie angesehen.
"Wie spät ist es?" fragt er sofort. Ich drehe mich um zur Wanduhr um zu sehen wie viel Uhr wir haben.
"Halb neun" antworte ich dann. Sofort springt er auf.
"Scheiße, ich muss los!"
"Heute ist Samstag, du hast keine Uni" erinnere ich ihn, doch er ist schon aufgesprungen und Richtung Schlafzimmer gerannt. Ich nehme mir meine Krücken und trotte hinterher. Diego hat sich umgezogen und ist dabei seine Schuhe anzuziehen. 
"Diego, was ist los?" frage ich und schließe die Tür hinter mir.
"Ich muss los" sagt er nur und schnürt den anderen Schuh noch zu.
"Wohin denn?" frage ich, doch darauf reagiert er gar nicht mehr. Er steht auf und will an mir vorbei gehen, doch ich versperre ihm den Weg.
"Jetzt ist keine Zeit für Kindergarten Fran" knurrt er und will mich zur Seite schieben, aber ich schiebe ihn mit einer Krücke zurück.
"Du antwortest den ganzen Tag nicht, kommst was weiß ich wie spät in der Nacht, schläfst auf der Couch und jetzt rennst du schon wieder los. Ich will eine verdammte Erklärung dafür!" schreie ich ihn an. Das ich mir Sorgen mache interessiert ihn ja scheinbar nicht. 
"Ich erkläre es dir, aber nicht jetzt. Ich muss wirklich weg" 
"Nein!" bleibe ich stur. "Du erzählst mir jetzt was los ist. Genau jetzt und nicht später!" 
"Ich hab keine Zeit Francesca, versteh das doch" fleht er. 
"Was kann denn nicht warten?" 
"Fran, lass mich einfach gehen. Ich erklär dir alles, aber ich muss jetzt los"
Ich kann seinen traurigen Blick nicht mehr stand halten, deswegen trete ich zur Seite und lasse ihn gehen. Wo auch immer er jetzt hingeht und aus welchem Grund auch immer. 

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Und wieder warte ich den ganzen Tag auf Diego. Wieder meldet er sich nicht und wieder mache ich mir Sorgen. Kann er nicht wenigstens schreiben, dass es ihm gut geht? Es ist schon wieder nach Mitternacht und er ist noch immer nicht da. Ich kann nicht einfach so einschlafen. Wir müssen das doch klären. Ich kämpfe gegen meine Müdigkeit, als um zwei endlich die Tür aufgeschlossen wird. Er läuft direkt ins Wohnzimmer, wo ich auf dem Sofa schon warte.
"Warum bist du noch wach?" fragt er verwundert und zieht sich Schuhe und Jacke aus.
"Weil ich mir Sorgen mache?" 
"Brauchst du nicht. Ich geh jetzt duschen"
"Du redest jetzt mit mir"
"Später" murmelt er vor sich hin und lässt mich eiskalt sitzen. Wer ich nicht verdammt müde und verletzt, dann wäre ich ihm schon längst hinterher gerannt und hätte ihn angeschnauzt. So lasse ich ihm ein paar Minuten, ehe ich das Bad betrete. Diego steht vor dem Spiegel und schaut sich bemitleidend an
"Diego, jetzt rede bitte mit mir" fordere ich ihn sanft auf und setze mich auf den Badewannenrand.
"Das ist nicht so leicht" erwidert er und wendet sich mir zu.
"Ich bin deine Freundin, du kannst doch über alles mit mir reden"
"Darüber kann ich aber nicht mit dir reden"
"Wieso nicht? Würde ich es nicht verstehen oder warum?"
"Du würdest mich hassen"
"Sag sowas nicht. Ich könnte dich nicht hassen"
"Dann wärst du ziemlich bescheuert"
"Diego, jetzt hör auf in Rätseln zu sprechen und rück raus mit der Sprache"
"Ich habe einen Sohn der mit seinem Leben kämpft, während ich hier bin und nichts tun kann" schmettert er mir die Wahrheit ins Gesicht. 

Da hat Diego endlich die Bombe platzen lassen. Ein ziemlicher Schock für Fran sicherlich. Wird sie ihn unterstützen oder auf Abstand gehen?

Spiel mit dem FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt