XVII

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Guten Tag. Ich hoffe dir geht es gut, ich hoffe dein Tag war angenehm. Setz dich. Ich will dir was erzählen.

Mein Name ist Corinna und ich bin im Moment 17 Jahre alt. Ich lebe noch. Vielleicht hast du bemerkt, dass ich jetzt mehrere Monate lang kein Tagebuch geführt hab. Ich werde mich weder entschuldigen, noch mich dafür rechtfertigen.

Aber vielleicht werde ich wieder anfangen.

Es passieren immer so viele Dinge. Sie nehmen mich, meine Nerven und meine Zeit ein. Meine Motivation ist im Winterschlaf. Im August. Mein Selbstbewusstsein ist auch nicht immer präsent. Für alles mache ich mich selbst verantwortlich, ich mache mich für alles fertig und muss dringend daran arbeiten. Allerdings hat sich erst kürzlich ein Ereignis zugetragen, bei dem ich wirklich an mich und meine Gefühle denken musste, der Rest kam danach. So verlor ich den Jungen, den ich mal geliebt hatte. Er meinte doch selbst, dass er nicht der Richtige für mich ist und ich nicht die Richtige für ihn. Ich dachte darüber nach und hab es eingesehen, ich sagte ihm, dass ich es auch so sah, ihm aber aus ganzem Herzen wünschte, dass er die richtige Person für sich findet. Ich wollte nie etwas anderes, außer dass er glücklich ist. Er war aber direkt gekränkt, dass ich nicht mal versuche an ihm festzuhalten. Wie ein aufmerksamkeitssuchendes 0815-Mädchen. Ich wäre dabei doch einfach nicht glücklich gewesen. Ich hätte mich komplett für ihn aufopfern müssen, da man mit seiner Krankheit besonders vorsichtig umgehen muss. Ich hab da keine Lust drauf. Dann soll es eben nicht. Ich hab versucht ihm das zu sagen, nichts davon wollte er hören. Nach dem "Fick dich!" in meine Richtung, tat ich dann das, was er wollte: Ich ging aus seinem Leben. Dort, wo ich ihn nicht mehr verletzen kann. Ich war nie angreifend, ich wollte nur sein Bestes, das kann ich ihm halt nicht geben. Wie konnte er nur so reagieren, obwohl er vor einem Monat noch meine Hand halten wollte? Ich bin gegangen, Aljosha. Nun erzähl allen, was die böse Coco wieder gemacht hat. Bau deinen Hass auf. Such die Fehler bei mir, wie immer. Mach mir weiterhin Vorwürfe. Aber, bitte...mach nichts Dummes und pass auf dich auf. Sonst ist mir alles egal. Ich hab ihn auch aus meinem Leben geworfen. Alle Bilder, seine Nummer, etc. Seine Geschenke will ich eigentlich nicht wegwerfen, aber dennoch tut ihr Anblick weh. Genau wie jede Erinnerung an ihn. Irgendwann werde ich ihn auch aus meinen Träumen verbannen. Geh einfach weg.

Ich habe übrigens das Schuljahr geschafft - gerade noch so. Mit dem glorreichen Durchschnitt von 3,6. Aber wen juckt das? Der Veganer hat den gleichen Durchschnitt und muss in die Nachprüfung. Auch noch Mathe. Wünscht ihm viel Glück, denn das hat er mehr als verdient. Zu dem Veganer komme ich gleich noch einmal. Erst muss ich mich über die Schule aufregen, denn das habe ich hier noch nicht genug getan. Mit der Leistungskurswahl usw bekommen wir als Schüler die Illusion, dass wir irgendeine Wahl haben. Natürlich wählen wir die Fächer, die wir am besten können, die uns Spaß machen und im Gegensatz zu den anderen Fächern, erträglich sind. Ich wählte Kunst und Englisch. Doch, weil ich jetzt Kunst LK gewählt habe, muss ich nun aus irgendeinem Grund Mathe im Abitur haben. Wieso das denn bitte?! Das nimmt mir komplett die Motivation, überhaupt das 13. Jahr anzufangen. Und das wiederrum, gibt mir mehr Druck, denn ich muss mich schnellstens entscheiden, was ich nach dem Jahr machen will. Ich will weg. Und irgendwie auch nicht. Ich will Geld verdienen. Und ich will nicht arbeiten. Ich will raus, wenn es dunkel ist. Ich will spazieren gehen mit nur dem Mond als Lichtquelle. Ich will Seifenblasen pusten und mit Kreide malen. Ich bin ein Kind, das erwachsen sein soll. Alles, absolut alles, außer meinen Freunden, zieht mich runter. Die Schule nimmt meine Energie, meine Motivation und meine Glücklichkeit. 10/10 Punkten, so sollte es sein.

Und nun zum Veganer. Vor einiger Zeit dachte ich, ich bräuchte einen Psychologen und meine liebe Patentante hat mir geholfen, hinter den Rücken meiner Eltern, einen Termin zu machen und sie ging mit mir hin. Nach dem ersten Besuch meinte der Typ, dass ich drei Tage hab um mir zu überlegen, ob ich wiederkommen will. Drei Tage waren viel zu wenig, also sagte ich ja. Unter keinen Umständen wollte ich alleine dahin gehen, dieser Typ war einfach gruselig und viel zu direkt. Der Veganer hat mich glücklicherweise begleitet. Der Pychologe redete und redete und redete, doch ich war mir sicher, dass ich nicht noch einmal dorthin wollte. Er ließ uns einfach keine Gelegenheit, auch nur irgendwas zu sagen. Als wir dann endlich sagen konnten, dass ich nicht noch einmal zu ihm wollte, machte er mir Vorwürfe, weil wir ihn so lange reden lassen haben. Kein Psychologe der Welt sollte jemandem Vorwürfe machen. Auf dem Rückweg hat der Veganer den Psychologen die ganze Zeit kritisiert. Ihm fielen Dinge auf, die ich mit meinem naiven Wesen nicht sah. Und dabei kannte er ihn für vielleicht 10 Minuten. Er ist in allen Punkten der bessere Psychologe für mich, denn er versteht mich einfach. Er weiß wie ich ticke und akzeptiert mich, er mag mich sogar so. Er macht einem nie Vorwürfe und er verurteilt keinen. Auch nicht, wenn ich wie immer so seltsam bin. Ein Beispiel, vom 05.08.: (Merkt euch das Datum, das ist Veganers Geburtstag)

Er hat Kaninchen im Garten, die in einem großen Gehege untergebracht sind. So groß, dass wir ihn betreten konnten. Ich trug Socken, denn dafür wollte ich einfach keine Schuhe anziehen. Irgendwann merkte ich, dass ich in Hasenkötteln stand, aber war mir irgendwie egal. Ich trug schließlich Socken. Er wies mich dann darauf hin.

"Du stehst da in Kot."

"......Ja."

Normale Menschen wären wohl komplett angewidert gewesen, aber was interessiert mich das? Ich bin nicht normal. Ich bin ich. Ich bin Coco. Und ich entschuldige mich nicht für das, was ich bin. Vielleicht nur ab und zu für meine Existenz. Aber das gehört zu dem oben genannten Problem mit meinem nicht-vorhandenem Selbstbewusstsein.

Ich liebe meine Eltern, aber sie können nicht loslassen. Ich weiß nicht, ob sie nicht damit klarkommen, dass ich nun 17 bin, oder......oh! Das erinnert mich an die Geschichte meiner Geburtstagsparty vom 10.07 auf den 11.07. Das erste und letzte mal, dass ich reingefeiert hab.  Am Anfang machte es Spaß. Ich liebe meine Freunde, hab mich gefreut dass sie bei mir waren, um meine Geburt zu feiern. Doch irgendwann wurde es mir viel zu viel und es wurde schlimmer mit jeder Minute, die wir näher an Mitternacht rückten. Ich hab mir kurz vor Mitternacht drei Leute geschnappt. Marie, Lea und natürlich den Veganer. Wir haben uns an einen ruhigen Ort in meiner Straße gesetzt. Anscheinend sind große Parties einfach nichts für mich und meine Familie wollte nicht einsehen, dass wir mich auch eine Minute nach Mitternacht feiern können. Wir saßen also auf einen kleinen, ruhigen Berg und zwischen mir und dem Veganer stand eine Uhr, die 23:59 anzeigte. Kaum schlug sie auf 00:00 Uhr, warf sich der Veganer in meine Arme und gratulierte mir zu meinem 17. Geburtstag. Auch, wenn auf einmal alles scheiße war, als wir wieder meinen Garten betraten, diesen Moment nimmt mir keiner. Im Garten stürzten sich alle auf mich, meine Eltern hielten mir Kuchen mit Wunderkerzen ins Gesicht, ich wurde geknuddelt, und das Schlimmste....ich wurde hochgehoben. Das kann man mit mir nicht machen, ich hab da immer solche Angst. Und der Abend war so ziemlich für mich gelaufen. Ich wollte keinen Kuchen, ich aß auch keinen. Ich wollte keine Geschenke, außer Geld. Ich bekam trotzdem welche. Jemand war der Meinung, ich wollte hochgehoben werden, obwohl die Person hätte wissen müssen, dass ich das hasse. Und wieso? Weil alle dachten, sie wüssten besser was ich will. Und was gut für mich ist. Ich werde nie wieder so eine Party feiern. Den 18. werde ich damit verbringen, meine engsten Freunde bei mir zu haben. Mit Snacks und Videospielen. Merkt euch den 11.07.18, ihr seid nicht eingeladen.

Ich glaube ich war bei meinen Eltern stehengeblieben. Sie lassen mir einfach nur weniger Freiheiten, als ich früher hatte. Ich darf nichtmal mehr bei Freundinnen übernachten. Und wenn doch, nehmen sie das als Vorwurf gegen mich, weil sie das ja so unfair finden. Ich finde es eher unfair, dass sie mich einschränken und mir die Gelegenheiten nehmen, Erfahrungen zu machen. Oder selbstständig zu werden. Oder Verantwortung zu übernehmen. Und sie schaden mir nur damit. Sie müssen mich einfach mal loslassen. Und wenn ich endlich 18 bin, schneide ich mein Arm ab, an dem sie hängen und bin frei.


So, das war ein kleines Update. Danke fürs Lesen. Vielleicht sehen wir uns irgendwann hier wieder, dann erzähl ich dir wieder was.

-Coco


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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 09, 2017 ⏰

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