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Es ist also 22:07 Uhr.
Noch acht Stunden bis ich aufstehen muss.
Das heißt wiederum noch drei Stunden wach bleiben, da mehr als fünf Stunden Schlaf eh überbewertet wird.

Ich suche alles zusammen und stopfe es behutsam in eine der Tüten.
Mit stopfen meine ich pressen und mit behutsam meine ich radikal, aber das steht ja hier eh nicht zur Debatte.

Mit der Tüte und meiner Bauchtasche bewaffnet, stelle ich mich meiner Hürde von heut nachmittag gegenüber - der Treppe.
Da ich einer ziemlichen Billigwohnung lebe, sieht der Wohnungskomplex natürlich auch aus, wie von 1930.
Natürlich musste im zweiten Weltkrieg alles zerbombt werden, außer diese Bruchbude.

Ich sprinte schon beinahe aus dem stinkenden Treppenhaus und steche in die Natur.
Riecht schon viel besser - frisch gemähte Wiese, Autoabgase, das Gras in meiner Tüte, oh und die Emissionen des Kraftwerks aus 3 Kilometer Entfernung.

So fühlt es sich also an in einer Großstadt zu leben. Wunderbar.

Ich nehme meinen altgewohnten Weg in Richtung Stadtmitte.
Mit der U-Bahn sind es knappe zehn Minuten, die ich damit verbringe, die übel riechenden Leute zu betrachten.
Das witzige ist, dass jeder so mit sich selbst beschäftigt ist, dass ich glatt den Inhalt von ungefähr 430 Euro aus meiner Tüte nehmen könnte. Mache ich aber nicht.

Im Zentrum der Stadt angekommen, laufe ich zum Kawa. 
Ich betrachte noch einmal meinen Tüteninhalt, um sicher zu gehen, dass ich nichts vergessen habe.

Da Karma uns alle straft, laufe ich natürlich direkt in eine Person rein.
Dabei fällt, wie es nur sein muss, mein halber Inhalt aus der Tüte raus.

Schnell raffe ich mich auf und stopfe alles wieder zurück, um so wenig aufsehen wie möglich zu erreichen.

"Willst du dich mit dem ganzen Zeug ins Schlaraffenland begeben oder vertickst du was davon?"

Ich schaue schüchtern auf und starre direkt in Levins braune Augen.
Ich reiße meine Augen weit auf und stottere vor mich hin.

Ich merke nur noch wie mir ein verticken rausrutscht.

"Ach echt? Na dann zeig mal her, was du so dabei hast."

Ich öffne die Tüte und halte sie vor ihm hin.
Neugierig schaut er rein und wühlt mit seinen Händen.

Überrascht zieht er die Augenbrauen hoch, als er was aus der Tüte nimmt.

"Ist das Ecstasy?"

Ich nicke. "Die besten Pillen, die du kriegen kannst."

Verkaufen habe ich noch von meinem Vater gelernt, bevor er ins Gras gebissen hat.

Nachdenklich schaut Levin auf die Droge.
"Wie viel willst du dafür?"

"Machen wir zwölf pro Pille?"

"Zwölf? Ich gebe dir Zehn."

Ich lache verächtlich auf.
"Entweder zwölf oder gar nichts."

Auf einmal beginnt Levin zu lächeln.
"In Ordnung, Deal. Ich würde gerne 5 Stück nehmen wollen."

Ich gebe also Levin, dem Levin, seine Pillen und er gibt mir im Gegensatz dazu das Geld.

"Ich bin schon ganz hibbelig. Es freut mich mit dir Geschäfte zu machen. Wenn ich dich mal wieder brauche, wo finde ich dich da?"

Überrascht öffne ich meinen Mund und schließe ihn sofort wieder. Schnell vertusche ich meine Freude, dass Levin mich wiedersehen will - wenn auch aus anderen Gründen.

"ich bin meist am Kawa."

"Kawa? Das alte Süßigkeitenwerk?"

Ich nicke.

"Ok, gut. Man sieht sich."

Levin dreht sich um, winkt mir noch mal und verschwindet hinter der nächsten Ecke.

Mit einem Grinsen im Gesicht drehe auch ich mich um und setzte meinen Weg fort.

Ich habe mit Levin geredet. Ein Gespräch zwischen mir und ihm hat stattgefunden.
Ich kann es immer noch nicht fassen.

Aus Seiner Linken HosentascheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt