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Behutsam streiche ich mit meinen Fingerspitzen über die rechte Seite des Wagens.
Er sieht beinahe wie neu aus.

Die letzten zwei Wochen habe ich wirklich viel Zeit investiert, um das Auto auf Vordermann zu bringen.
Und nun ist meine Zeit hier um.

Die anfängliche Freude über meinen neuen Job verflog nach dem Gespräch mit Simon.
Ich halte nicht viel von ihm. Meine Abneigung ihm gegenüber ist eigentlich nur noch gewachsen.

Was bildet der sich denn auch ein?
Wieso bitte soll ich mein erkauftes Gras einfach so an Fremde weiter verschenken?

Ungeklärte Fragen sind in meinem Kopf und suchen unerbittlich nach Antworten.
Doch die werde ich erst bekommen, wenn ich mit den Fragen konfrontiert werde.
Und genau das kotzt mich verdammt nochmal an.

Immer wenn ich Schritte vor meiner Wohnungstür höre, schrecke ich auf.
Ich weiß nicht, wer da lang läuft und meine Angst, dass es Mike oder sogar Simon ist, ist viel zu groß.

Bin ich krank?
Ich meine, ich habe Angst vor fremden Menschen.
Oder bin ich einfach nur verrückt?

Mein Schädel brummt.
Ich massiere meine Schläfen, doch es hilft nicht.

Verdammte Axt. Ich will einfach nur noch nach Hause!

Ich schnappe mir meinen Rucksack und verlasse die Werkstatt zum allerletzten Mal.

Ich drehe mich nicht um, als ich mich auf den Heimweg mache, sondern laufe einfach mit gestrafften Schultern davon.

Vor meiner Haustür muss ich in meinem Rucksack nach meinem Schlüssel wühlen.
Natürlich liegt er auch ganz unten.

Als ich den Treppenansatz hochlaufe, erkenne ich eine Person auf der Bank neben der Haustür sitzen.

Levin.

Abrupt bleibe ich stehen und starre ihn einfach nur an.
Es ist mir egal, wie ich dabei aussehen muss.
Vier Wochen, vier verdammte Wochen lang habe ich ihn nicht gesehen.

Ich wende meine Blick ab und schließe einfach meine Haustür auf.

"Warte! Bitte."
Sein Bitte ist wie ein Flüstern, was ich kaum mitbekommen hätte.

Ich antworte ihm nicht.
Ich stoße einfach nur die Tür auf und halte sie auf.
Er bemerkt meine Aufforderung und läuft an mir vorbei in das Gebäude.

Ich tue es ihm gleich und schweigen gehen wir die Treppen hoch in den fünften Stock.
Vor meiner Wohnung bleibt er stehen und wartet darauf, dass ich aufschließe.

Ich schmeiße meine Schuhe einfach in den Flur, hänge meine Jacke auf und stelle meinen Rucksack in der Küche ab.

Ich merke, wie Levin mir folgt, doch weder er noch ich sprechen.
Die Atmosphäre zwischen uns ist ziemlich angespannt bis er diese Anspannung nimmt.
"Ich habe Bier mitgebracht."

Er hebt ein Sixpack Becks hoch, welches er in der rechten Hand hält.
Meine Antwort ist nur ein Nicken.

Schweigend gehe ich in mein Wohnzimmer und öffne meine Balkontür.
Ich bin nur selten hier draußen.

Wie gehofft, ist Levin mir gefolgt und lässt sich auf die Sitzbank an der Wand nieder.
Ich tue es ihm gleich und schaue schweigen auf die Landschaft vor mir.

Rechts und links erstrecken sich zwei weitere Wohnblocks.
Sie sehen genauso schäbig aus, wie meiner.

Zwischen den beiden Gebäuden ist ein kleiner Park errichtet worden.
In mitten dessen ist ein Spielplatz für Kinder, doch dieser wird nur selten benutzt.

Ich höre ein Ploppen und ein Bierdeckel fällt auf den Boden.
Levin reicht mir ein Bier, welches ich sofort ansetzte und trinke.

Wir schweigen noch eine ganze Weile bis ich anfange zu sprechen.
"Was willst du eigentlich hier?"

Er dreht seinen Kopf in meine Richtung und sieht mich eine ganze Weile nur stumm an.
Seine Haare stehen wirr auf dem Kopf.
Seine Haut ist verdammt blass und unter seinen Augen erkenne ich tiefe Augenringe.

Er wendet sich von mir ab und zuckt nur mit den Schultern.
"Weiß nicht. Ich wollte wahrscheinlich einfach nur mal mit jemanden reden."

Ich nicke.
"Erzählst du mir, warum du so scheiße aussiehst?"

Levin lächelt bei meiner Frage und beißt sich auf die Unterlippe.

"Ich habe in letzter Zeit kaum geschlafen, was man mir wahrscheinlich ansieht. Ich habe erfahren, dass mein Vater in letzter Zeit Probleme mit seiner Firma hat-"

"Was für eine Firma ist das denn?"
Ich beiße mir auf meine Zunge. Ich wollte ihn eigentlich gar nicht unterbrechen.

"Er arbeitet als Möbelhändler, doch ich glaube, das ist alles nur Schein."

Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und überlege krampfhaft, was er damit meint.

Levin scheint meine imaginären Fragezeichen über meinem Kopf wohl zu bemerken.
"Ich glaube er dealt illegal und das in ziemlich großen Summen."

"Und-und wie kommst du darauf? Ich meine hast du Beweise?"

Er schüttelt nur niedergeschlagen seinen Kopf.
"Mein Bruder hat versucht das ganze aufzudecken, doch ist kläglich gescheitert."

Aus Seiner Linken HosentascheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt