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Hyemi

Tief atmete ich ein und starrte meine Haustür gefühlte fünf Minuten lang an. Meine Eltern waren selten zu Hause und wenn sie hier waren, war diese Zusammenkunft nicht immer freudig. Sie arbeiteten hart und viel, ließen mich manchmal jedoch Wochen lang alleine Zuhause. Bei Taehyungs Eltern war es nicht anders. Wir hatten uns schon oft gefragt, wieso unsere Workaholic Eltern überhaupt Kinder bekommen hatten, denn waren wir ganz sicher nicht das wichtigste in ihrem Leben.

Langsam drehte ich den Schlüssel im Schloss um und hörte wie das vertraute Klicken ertönte, sodass ich die Tür nun öffnen konnte.
"Ich bin Zuhause", rief ich vorsichtig und ging den kurzen Flur entlang, erblickte mein Eltern auch schon gleich am Esstisch mit einem Glas Wein. "Willkommen zurück", begrüßte meine Eomma mich lächelnd, doch war dies auch schon genug der Warmherzigkeit. Andere Mütter wären ihren Kindern um den Hals gefallen, wenn sie sie so lange nicht gesehen hätten, doch war meine Mutter keine dieser Frauen.

"Setz dich Hyemi-ah." Mein Blick wanderte zu meinem Vater, dessen Schroffheit kaum zu übersehen und überhören war. Schweigend setzte ich mich an den Esstisch und wartete darauf, dass einer von ihnen das Wort erhob. Und ich wusste bereits, dass das Folgende nicht schön sein konnte. Die Luft war zu angespannt und das ungute Gefühl in meinem Magen wollte mich einfach nicht verlassen. Sie würden nicht plötzlich nach Hause kommen, wenn es nicht um etwas wichtiges ging.

"Hyemi-ah, wir werden nach Incheon ziehen."

Ich konnte nicht sprechen, gar irgendeine Emotion zeigen. Ich hatte die Worte meines Vater zwar gehört, doch wirklich aufgenommen hatte ich sie nicht. Auch meine Eltern schienen zu merken, dass ich seine Worte nicht aufgenommen hatte, weshalb mein Vater diese noch einmal eindringlich wiederholte. Langsam begann ich zu begreifen, was diese Tatsache bedeutete.

Immer verständnisloser sah ich meine Eltern an, die auf meine Reaktion warteten, jedoch nicht mit der folgenden Reaktion gerechnet hatten- das sah man ihnen an. Mit einem Mal knallte der Stuhl, auf dem ich zuvor noch gesessen hatte, zu Boden und ließ meine Eltern erschrocken zusammen zucken. Die pure Wut hatte mich überkommen und wütete unkonntrollierbar in mir.

"Wieso? Wieso?! Ihr seid niemals zu Hause, lasst mich oft Wochen lang alleine und ruft manchmal nicht einmal an, um zu fragen wie es mir geht!", fuhr ich meine Eltern wutentbrannt an und hörte wie sich mein Vater räusperte, sich im nächsten Moment ebenfalls von seinem Stuhl erhoben hatte.

"Wir müssen arbeiten Hyemi-ah. Oder glaubst du etwa, dass sich das alles so finanzieren lässt? Du hast keinen Grund dich zu beschweren, du hast alles was du haben möchtest!", maulte mein Vater mich an, doch ließ mich das kalt. Er vergaß, dass ich immerhin auch seine Tochter war.

"Alles, was ich haben möchte? Hat einer von euch beiden überhaupt schon einmal daran gedacht, dass ich nicht kaufbar bin? Das mein Glück nicht kaufbar ist?! Dass alles was ich möchte, bloß Eltern sind, die für mich da sind, wenn ich sie brauche?! Für euch geht es immer nur um die Arbeit, nie um mich. Nie um eure eigene Tochter! Euch ist egal, wenn ich weine und euch ist egal, dass ich andauernd alleine gewesen wäre, wenn Taehyung nicht hier gewesen wäre. Und jetzt wollt ihr, dass ich mit euch fortgehe? Das ist nicht fair! Wieso soll ich mit gehen und es vorallem wollen? Taehyung ist hier und vorallem-" Ich verstummte, da ich ihnen nicht von Jungkook erzählen wollte. Ich wusste, was ihre Antwort sein würde und diese Worte, wollte ich nicht aus ihrem Mund hören.

"Es spielt keine Rolle, ob ihr hier arbeitet oder in Incheon. Denn ob ich hier bin oder dort- ihr wärt ohnehin nie bei mir." Fest biss ich mir auf meine Lippe, um noch weitere Worte in mir zu behalten. Doch vorallem musste ich meine Tränen zurück halten- Trost würde ich von meinen Eltern ohnehin nicht bekommen.

"Ich denke, es ist Zeit für dich zu schlafen Hyemi-ah. Unser Entschluss steht fest. Wir ziehen nach Incheon, ob du willst oder nicht." Ich konnte meine Tränen nicht länger zurück halten, als mir der kühle Ton meines Vaters zu Ohr gekommen war. Viel hatte ich ohnehin nicht von ihm erwartet, aber diese Kaltherzigkeit in so einer Situation... damit hatte selbst ich nicht gerechnet.

Ohne ihnen noch einmal ins Gesicht zu sehen, wandte ich mich zum gehen an und begab mich zur Haustür.
"Hyemi-ah, wo gehst du hin?!"
"Zu meiner richtigen Familie!", rief ich meinem wütenden Vater zu und ließ die tür lautsstark hinter mir ins Schloss fallen. Sofort klingelte ich bei Taehyung, welcher binnen weniger Augenblicke seine Tür öffnete.

"Hyemi-ah was-", Taehyungs Stimme verstummte mit einem Mal, als ich meinen Kopf an seine Brust drückte und all meiner Wut und Verständnislosigkeit freien Lauf gab.
"I-ich muss wegziehen", stammelte ich weinend in sein durch Tränen getränkes Oberteil und klammerte mich noch fester an dieses.
"S-Sie wollen m-mich nach Incheon schleppen. Ich will nicht fort Taehyung! Ich will nicht!"
Schützend schlang Taehyung seine Arme um mich und legte seinen Kopf auf meinen. Er zitterte am ganzen Leib und atmete schwer.

"W-Wenn du weg bist... Dann ist die einzige Familie fort, die ich je hatte", flüsterte er heiser und drückte mich noch fester an sich. Meine Eltern waren dabei, alles zu zerstören.

(...)

"Ich kann nicht glauben, dass du wirklich fort gehen musst." Bedrückt schmollte Choa mit mir, während ihr Kopf auf meinem Pult ruhte. Wenige Tage nachden ich von der Neuigkeit erfahren hatte, hatten auch die anderen von dieser erfahren. Nur einer wusste noch nicht von meinem Umzug und dies sollte vorerst auch so bleiben. Ich wusste nicht, wie ich es Jungkook sagen sollte, denn wollte ich es selbst noch nicht wahr haben. Ich wollte nicht den traurigen Blick in seinen Augen sehen, solange ich noch hier war. Ich wollte die Zeit noch genießen, die ich mit ihm hatte.

"Wie hat Taehyung die Sache aufgenommen?", fragte Choa und betrachtete mich bemittleidend. Der Gedanke ließ mich jedoch erschaudern. Nachdem Taehyung mich getröstet hatte, war er plötzlich wie ausgewechselt gewesen. Zuerst war er einfach nur emotionslos gewesen und hatte nichts gemacht, doch dann war er plötzlich in Tränen ausgebrochen. Ich hatte Taehyung noch nie in meinem Leben so aufgelöst gesehen, wie an diesem Abend und der Gedanke daran, brach mir noch immer mein Herz.

"Nicht so gut", antwortete ich Choa bloß und verzog meinen Mund, als ich hinüber zu Taehyung sah, der wie ein Häufchen Elden auf seinem Platz hing. Es ging ihm noch immer nicht besser...

"Wann sagst du Jungkook, dass du weg ziehst?" Seufzend wandte ich mich Choa zu, dachte darüber nach, wie ich es Jungkook am besten sagen konnte. Natürlich hatte ich mir schon Gedanken darüber gemacht, doch keiner der bisherigen Einfälle war ansatzweise in Ordnung.

"D-Du ziehst weg?"

Mein Blut gefrohr mir in den Adern und auch Choa sah mich an, als hätte sie einen Geist gesehen. Fassungslos blickte ich hinüber zu Jungkook, in dessem Blick das pure Entsetzen lag. Ich bekam kein Wort heraus und auch war plötzlich nichts mehr zu hören. Alle waren still und warteten ab, was als nächstes geschehen würde. Ich konnte nicht sprechen und alles was meinem Mund entkam, war ein leises Hauchen.

"Jungkook."

||One Last Time|| j.jk ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt