Teil 1

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Es regnet. Ist das zu fassen? Das Wasser fällt wie eine Wand vom Himmel und trennt mich sehr wirksam und vollständig vom Rest der Welt. Ich sehe nichts mehr als Milliarden von Wassertropfen auf ihrem Weg zum Boden. Alles ist gräulich-weiß und ich versuche gar nicht erst, die Bäume am Straßenrand zu erkennen und schon gleich gar nicht die Häuser auf der anderen Straßenseite. Zu hören ist nichts als das Prasseln, Plätschern und Rauschen des Wassers. 

Plötzlich habe ich Angst keine Luft mehr zu bekommen und weiche unter dem Vordach der Haustür, unter das ich mich klatschnass geflüchtet habe, soweit zurück, dass ich mit dem Rücken das Holz der Tür berühre. Ich muss mehrmals tief durchatmen, um mich davon zu überzeugen, dass neben den unzähligen Regentropfen auch noch genug Sauerstoff in der Luft ist.

Obwohl ich bis auf die Knochen durchnässt bin, ist mir nicht kalt. Die Tür, die Hauswand und der Boden strahlen eine angenehme Wärme ab und erinnern mich daran, dass noch vor wenigen Augenblicken strahlendes Hochsommerwetter geherrscht hat.

Aber gegenwärtig regnet es. Falsch - es gießt. Es schüttet wie aus Badewannen. Das Wasser läuft mir aus den Haaren, Shirt und Hose kleben unangenehm an meinem Körper und ich bin mir ziemlich sicher demnächst Schwimmhäute zwischen den Zehen zu entwickeln, denn in meinen Chucks steht das Wasser.

Ich blicke auf meine Füße und bemerke, dass das Wasser außerhalb der Schuhe genau so hoch steht. So viel Regen kann der Boden wohl nicht aufnehmen und jetzt fließt alles bergab. Nicht dass es hier einen Berg gäbe, der liegt in einem anderen Stadtteil, aber die Straße ist ein wenig abschüssig und das Wasser fließt mit steigender Geschwindigkeit von rechts nach links an mir vorbei. Eine schmutzig-graue Brühe voll vom Dreck und Staub der vergangenen Wochen, undurchdringlich für meine Blicke... es ist, als ob sich der ganze Boden unter mir verschiebt.

Besser ich hebe meinen Blick wieder, damit mir nicht schwindelig wird. Dieser Sturzbach-Regen hat für einige Augenblicke alles ausgeschaltet, was wichtig war, aber jetzt komme ich langsam wieder zur Besinnung: Ich hatte es doch so eilig gehabt... Das war ja der Grund gewesen, weshalb ich überhaupt in den beginnenden Regen gerannt war. Nur um auf dem Absatz kehrt zu machen und zur Tür zurück zu springen.

Es ist sehr eilig, ja, genau. Aber was? Und warum? Das Prasseln der Regentropfen schneidet durch mein Gehör bis in mein Gehirn und hindert mich am Nachdenken. Ich drehe mich zur Tür um. In einer der Butzenscheiben klebt von innen der Zettel, der dieses Reihenhaus als provisorische Unterkunft der Agentur ausweist: "Familie B. Müller" steht dort mit schwarzem Filzstift auf einem hellgrünen Stück Papier geschrieben. B. wie Bodo Oh mein Gott... Bodo! Schlagartig fällt mir alles wieder ein. Das Krankenhaus hat angerufen. "Es sieht nicht gut aus, besser Sie beeilen sich", hatte die Schwester gesagt.

"Hey! Was ist nun? Wollen Sie einsteigen oder nicht?!" Ich wirbele wieder herum. Der Regen hat nachgelassen, die Sicht wird besser. Auf der Straße steht ein silbernes Auto mit laufendem Motor. Auf der Beifahrerseite ist das Fenster heruntergekurbelt und der Kopf des Fahrers ist schemenhaft zu erkennen. Der Fahrer schaut zu mir herüber und ruft noch einmal: "Hallo! Kommen Sie jetzt, oder soll ich weiterfahren?"

"Ich komme!" Sofort setze ich mich in Bewegung. Das Taxi hatte ich mir extra gerufen, um schneller zum Krankenhaus zu kommen. Unterwegs durch den immer schwächer werdenden  Regen bücke ich mich nach meiner völlig durchweichten Tasche. Dann stehe ich auch schon vor dem Taxi. Der Fahrer, der ziemlich jung wirkt, hat mir von innen die Beifahrertür geöffnet, um mich einsteigen zu lassen. Aber jetzt starrt er mich an, als würde er mir am liebsten mit seinen Blicken den Weg versperren. Ich blicke ebenfalls an mir herunter... Also, ich bin wirklich total nass. Verlegen betrachte ich meine triefnassen Schuhe.

"Moment bitte", klingt es da dumpf aus dem Wagen. Erstaunt über den merkwürdigen Klang der Stimme schaue ich auf und kann den Taxifahrer bei einer merkwürdigen Verrenkung beobachten. Er hat sich zur Mitte des Wagens gewendet und zwischen die Lehnen von Fahrer- und Beifahrersitz gezwängt. Jetzt versucht er gerade mit seiner rechten Hand etwas von hinten unter dem Beifahrersitz hervorzuziehen. Dabei ist ihm sein Shirt verrutscht und es gibt die Sicht auf ein paar ansehnliche Bauchmuskeln frei. Hoppla! Ich bin schon wieder verlegen (oder noch immer?) und merke, wie ich erröte.

"Da haben wir's ja", kommt es dumpf von hinter der Beifahrerlehne. Der Fahrer kämpft sich wieder in die aufrechte Sitzposition. Seine braunen gelockten Haare stehen ihm nach allen Seiten vom Kopf ab und er wedelt mir strahlend mit einer zusammengefalteten Decke vor der Nase herum. Schwungvoll entfaltet er sie und breitet sie über den Beifahrersitz. Dann macht er mit seiner Hand eine einladende Geste und sagt mit einem verschmitzt-jungenhaften Lächeln: "Bitte sehr, die Dame." Ich starre ihn noch einen weiteren Augenblick lang fassungslos ins Gesicht, dann reiße ich mich mühsam zusammen und steige endlich in das Taxi.

Mein Fahrer ist sehr damit beschäftigt, am Armaturenbrett diverse Schalter und Knöpfe zu bedienen. Die Lüftung beginnt zu fauchen und übertönt das leise Klopfen der Regentropfen, die immer noch auf Dach, Motorhaube und Fenster des Autos fallen. "So, bitte anschnallen", werde ich in geschäftsmäßigem Ton angesprochen. "Wir fahren zur Uniklinik, richtig?" "Ja, möglichst schnell, bitte", sage ich leise und versuche mich für das zu wappnen, was dort auf mich wartet. "Naja, schnell... ", murmelt der junge Mann, holt einmal tief Luft und erklärt mir dann: "Bei so viel Wasser auf der Straße kann ich aber nicht rasen. Das hier ist ja schließlich kein Motorboot." Aber er fährt los. Als wir später an einer roten Ampel stoppen, drehe ich den Kopf in seine Richtung und schaue plötzlich in seine dunkelgrauen Augen. Aber sein Blick schweift schnell ab und wandert an mir herunter. Wieder wird mir bewusst, dass ich pudelnass bin. Ob mein Shirt noch immer blickdicht ist? Auf jeden Fall klebt es mir am Körper und offenbart schonungslos jedes meiner kleinen verhassten Speckröllchen - na toll. Und zu meinen Füßen hat sich eine richtige Pfütze gebildet. Ich fühle mich schrecklich.

"Soll ich die Heizung aufdrehen? Ist Ihnen kalt?", reißt mich die angenehm tiefe Stimme des Taxifahrers aus meinen Gedanken. "Nnnn...", setze ich an und merke dabei, wie mir die Zähne klappern. Ich friere wohl doch. Also antworte ich mit einem Nicken. "Mhm, ja, bitte." Wieder huscht dieses Spitzbubenlächeln über sein Gesicht. Er schüttelt leise den Kopf und dreht an einem Knopf zwischen uns. Das Fauchen der Lüftung verändert sich und warme Luft pustet auf meine nassen Füße. Seufzend schließe ich die Augen und versuche mich an die Sätze zur Entspannung zu erinnern, die Bodo mir beigebracht hat. Das Taxi wird ein paar mal langsamer und wieder schneller, es biegt nach rechts ab und zwei mal nach links. Dann halten wir wieder. 'Ich bin ganz ruhig und entspannt', sage ich mir immer wieder, 'alles andere ist jetzt mal Nebensache.'

"Wir sind da. Wollen Sie nicht aussteigen?" Wieder bringt mich diese angenehme Stimme in die Gegenwart zurück. Ich löse den Gurt und rappele mich mühsam hoch. Der Griff in die klatschnasse Handtasche ist unangenehm, aber ich muss den netten Fahrer ja bezahlen. "Wieviel bekommen Sie?", krächze ich. "Wann soll ich Sie wieder abholen?", kommt die freundliche Gegenfrage. Aber ich will mich nicht festlegen und beharre darauf, jetzt zu bezahlen. Er nennt einen lächerlich geringen Preis. Eine Busfahrkarte wäre kaum billiger gewesen.

"Aber ich habe doch hier alles nass gemacht...", starte ich einen letzten halbherzigen Versuch. Mein Taxifahrer lacht und winkt ab. "Hören Sie mal, schöne nasse Frau mit dem verwirrten Blick. Sie bieten ein Bild des Jammers. Da werde ich Ihnen doch jetzt nicht das Geld aus der Tasche ziehen", erklärt er mir energisch. "Der Chef schickt die Rechnung an die neue Adresse." Dabei schaut er mir offen ins Gesicht. Nun bin ich gänzlich neben der Spur. Sprachlos nehme ich einen kleinen Zettel entgegen, dann flüchte ich aus dem Taxi und renne den ganzen Weg und durch den Eingang der Klinik. Ich stoppe nicht an der Information, sondern stürme sofort nach links in den nächsten freien Fahrstuhl. Als ich auf die Taste mit der Zwei drücke, wird mir klar, dass der freundliche Taxifahrer hinter mir hergerufen hat. Ich drehe mich um und sehe gerade noch, wie er die Eingangstür erreicht, da schließen sich die Türen des Fahrstuhls.

Am Schwesternzimmer der Intensivstation brauche ich nicht einmal zu klingeln. Die Schwester hat mich kommen sehen und reicht mir einen der  Kittel heraus, die alle hier tragen müssen. Dabei mustert sie mich entsetzt von oben bis unten, winkt mich aber dennoch durch, als die automatische Tür sich öffnet. "Hallo, Frau Müller", sagt sie mit verhaltener Stimme, "Sie haben es wohl gerade noch geschafft." Dann öffnet sie mir die Tür zu Bodos Zimmer.

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lieber Leser (bitte fühle dich auch angesprochen, wenn du weiblich bist (-; ),

ich bin neu auf diesem Parkett, kann also noch ganz viel lernen! Bitte sag mir, was dir nicht gefällt, und was dir gut gefällt, damit ich eine Chance habe, mich zu verbessern.

Auf das Übersinnliche musst du noch ein kleines Bisschen warten. Aber ich verspreche, es geht bald los.

Bis zum nächsten Mal

das woerterhexchen

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