Teil 3

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"Leute..." Mehr als dieses Wort braucht Heide nicht zu sagen, es wird schlagartig leiser. Nur leises Zischeln ist noch zu hören, weil jeder seinen angefangenen Satz unbedingt noch zu Ende bringen muss. Von meinem neuen Platz aus kann ich Heide jetzt gut sehen und es verwundert mich, wie ratlos und verwirrt sie aussieht. Sie war doch schließlich die Erste, die ich noch aus dem Krankenhaus angerufen habe...

"Auf welchem Informationsstand seid ihr?", fragt sie langsam. Da beginne ich zu verstehen: Günther muss den anderen Bezirken einiges verschwiegen haben. Wieder schnappen alle nach Luft und reden durcheinander, bis Dave laut ruft: "Karsten soll sprechen!" Ja, Karsten wählt seine Worte mit Bedacht. Das hilft jetzt. So sehen das wohl auch die anderen, denn alle Blicke richten sich jetzt auf Karsten. Der zieht die Augenbrauen hoch. Dann holt er Luft, um ihrer Bitte nachzukommen.

"Vor etwas mehr als zwei Wochen hat Günther sich bei uns gemeldet. Er hat von einem Unfall in der bisherigen Zentrale berichtet und uns die neue Adresse mitgeteilt", erklärt er ruhig. "Außerdem hat er erwähnt, dass er jetzt wieder der Kontaktmann der Zentrale sei, weil Bodo auf längere Sicht verhindert sei. Danach habe ich die wöchentlichen Lagebesprechungen mit ihm gemacht. Dabei habe ich mir allerdings nichts gedacht, das passiert ja hin und wieder, wenn Bodo im Ausland ist oder sonst zu sehr beschäftigt."

"Ja, so war das auch bei uns." "Bei uns auch." Die Teams 'Küste' und 'Grenze' nicken zustimmend. "Ich hab wegen des Unfalls nachgefragt", ergänzt Sven. "Günther hat erzählt, dass die Polizei von einer Gasexplosion ausginge und dass alle in der neuen Zentrale wohlauf seien." "Er hat nur vergessen zu erwähnen, dass Bodo da schon im Koma auf der Intensivstation lag!", entfährt es mir. Ich bin sauer auf Günther. Wie kann er das verschweigen und einfach weitermachen, als sei nichts geschehen? "Günther hat mit keinem Wort gelogen!", springt Susi zur Verteidigung ihres Teampartners in die Bresche. "Die Polizei geht wirklich von einer Gasexplosion aus. Die haben ihre Ermittlungen letzte Woche abgeschlossen. Un uns hier in der neuen Zentrale geht es ja gut..." "Naja, gut...", brummelt Fabian und schaut zu mir runter.

"In Ordnung, Günther hat nicht gelogen", gibt sich Karsten kompromissbereit und alle beruhigen sich wieder (oder versuchen das zumindest). "Aber was hat er uns verschwiegen?" Alle Blicke bohren sich wie Pfeile in Günthers Gesicht. Ich hätte erwartet, dass ihn das einschüchtern würde, aber er funkelt uns alle nur kampfeslustig an und schweigt weiter.

"Was war das wirklich für ein Unfall?" Karsten nimmt seine Rolle als Sprecher der  Gruppe sehr genau. Und da Günther nicht den Eindruck macht, dazu etwas sagen zu wollen, wenden sich die fragenden Blicke nach und nach mir zu. Schließlich bin ich Bodos Auszubildende - falsch: Ich war es. "Ich... ich  weiß nicht genau, aber ich glaube, dass ihm der alte Para-Frequenz-Modulator um die Ohren geflogen ist. Seit wir den neuen haben, hat er zusammen mit Günther an dem alten geschraubt, um ihn zu modifizieren. Sie wollten die Diversitäten stärker trennen und das Spektrum erhöhen..."

"Stufe drei!", fällt mir Johanna ins Wort. "Oh, entschuldige", murmele ich und suche Janinas Blick. Sie schaut mich interessiert an. Also erkläre ich ihr: "Das Gerät macht schwache paranormale Erscheinungen hörbar. Jede mit einem eigenen Ton, auch mehrere gleichzeitig. Allerdings sind die Töne ziemlich ähnlich, so dass man manchmal gar nicht klar sagen kann, mit wievielen Erscheinungen man es gerade zu tun hat. Bodo hatte eine Idee, wie man die Töne unterschiedlicher machen könnte, und er wollte dem Gerät auch mehr 'Kanäle' oder sowas einbauen." Janina nickt, sie hat verstanden. Aber Fabian hat noch eine Frage. "Warum hat Bodo nicht mit dir gearbeitet?", will er wissen. Günther grinst böse. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Tja, wenn das so gewesen wäre, dann wäre ich jetzt vielleicht auch tot... aber ich konnte nicht. "Ich wollte ja gerne", sage ich und drehe mich zu Fabian um, "aber er hat gesagt, ich sei noch nicht so weit. Er hat mir versprochen, wenn ich 120 habe, erklärt er mir sofort, wie weit sie gekommen sind und dann würde ich Günthers Stelle einnehmen. Er hat gesagt, spätestens in drei Monaten..." Mir kommen wieder die Tränen Fabian versucht mich an der Schulter zu streicheln, aber ich schüttle ihn ab. Er soll mich gar nicht erst solche Dinge fragen, dann muss ich nachher auch nicht getröstet werden. Während ich noch in ein Taschentusch schluchze, übernimmt Heide das Reden.

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